Dornburger Barockschloss in Sachsen-Anhalt

Das ostdeutsche Versailles soll verkauft werden

Blick auf das Schloss Dornburg im Kreis Anhalt-Zerbst: Von 1751 bis 1758 wurde es vom Barockbaumeister Friedrich Joachim Stengel für die Mutter der späteren russischen Zarin Katharina II. erbaut. Zu DDR-Zeiten als Staatsarchiv genutzt, gehört es nach gescheiterter Privatisierung dem Land Sachsen-Anhalt.
Schönheit eines verwunschenen Schlosses im Dornröschenschlaf: Blick auf das Schloss Dornburg im Kreis Anhalt-Zerbst. © picture-alliance / ZB
Von Christoph Richter |
Das Barock-Schloss Dornburg liegt zwischen Berlin und Hannover inmitten des UNESCO-Biosphärenreservats Mittlere Elbe. Seit 20 Jahren steht es leer. Jetzt wird ein Käufer gesucht, der nicht nur das Geld für die Sanierung, sondern auch noch eine gute Idee hat.
Der Schlüssel hängt am roten Band. Ein, zwei Mal gedreht schon steht man drinnen. Im leerstehenden Barockschloss Dornburg:
"Wenn man sich ansieht, wie die Gesamtanlage aussehen sollte, wenn man das eigentliche Corps de Logis sieht, wo wir uns jetzt befinden. Dieses Hauptgebäude dieses Schlosses. Und dann die Wandelgänge, die Brunnenanlagen, die Skulpturen, dann ist das schon relativ imposant, was man sich hier vorstellte."
... die 1750 erbaute Zaren-Residenz ist allerdings nie völlig fertig geworden. Für den 60-jährigen Egbert Platte nichts Besonderes. Er kennt das ostdeutsche Versailles schon seit Kindheitstagen, denn direkt neben dem Schloss lag sein Kindergarten.

Entschleunigung pur

Schloss Dornburg: Das liegt auf halber Strecke zwischen Berlin und Hannover, inmitten des idyllischen UNESCO-Biosphärenreservats Mittlere Elbe. Es duftet nach Heuwiesen, die Vögel zwitschern, auf Strommasten nisten Störche. Kaum Autos, kein Krach, Entschleunigung pur. Direkt am Schloss entlang verläuft der Elberadweg.
Die Bauherrin war die anhaltische Prinzessin Johanna Elisabeth, Mutter von Sophie Friederike Auguste von Anhalt-Zerbst. Hinter dem Namen verbirgt sich niemand anderes als Katharina die Große, die einst mächtigste Frau der Welt.
"Die Mutter der Zarin, die Fürstin Johanna Elisabeth von Anhalt-Zerbst, hat sich dieses Örtchen Dornburg als Witwensitz auserkoren und sich dieses spätbarocke Schloss errichten lassen."
Dornburger Barockschloss in Sachsen-Anhalt: Auf dem Dachsims prangt eine herrschaftlich goldene Krone als Zarensymbol.
Auf dem Dachsims prangt eine herrschaftlich goldene Krone als Zarensymbol.© Deutschlandradio / Christoph Richter
Im barocken – königliche Würde ausstrahlendem Gelb - glänzt die pompöse Fassade. Auf dem Dachgesims, dem Mittel-Risalit, prangt neben Vasen eine herrschaftlich goldene Krone, das Zarensymbol. Daneben hocken dickliche Putten, ein Markenzeichen des Barock. Eine imposante Residenz, ein architektonisches Juwel. Keine Fata Morgana, kein Luftschloss, ein Herrscher-Palais, das in der platten Elbauen-Landschaft alles überragt.
"Das wollte die Bauherrin, die Fürstin auch damit erreichen, dass man schon von weither sieht: Guck mal, hier steht was Pompöses, hier wohne ich!"
Schloss-Kenner Egbert Platte – Mitarbeiter in der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben - ist auch immer wieder selbst erstaunt, über die anrührende Schönheit eines verwunschenen Schlosses im Dornröschenschlaf.
Es blättert der barocke Putz, darunterliegende Ziegelsteine kommen zum Vorschein, an den bis zum Boden reichenden Rundbögenfenstern sind Risse zu sehen, die fein ziselierten Balustraden rosten, durch die Mauerritzen pfeift der Wind.
"Das Besondere an dem Schloss ist dieses etwa in seiner Originalität erhaltene Treppenhaus, nach barockem Vorbild. Und soll zu der damaligen Zeit eine Einmaligkeit dargestellt haben, indem man diese freitragende Treppe ohne stützende Mittelsäule errichtet hat."
... eine architektonische Meisterleistung, aus der Hand von Friedrich Joachim Stengel, dem Baumeister des Schloss Dornburg.
Auch Bürgermeister Jens Hünerbein von der Verbandsgemeinde Gommern, zu der Dornburg gehört, ist beim Anblick des Schlosses hin und weg. Ihn bedrückt es, sagt er, dass dieses Gebäude nun schon seit mehr als 20 Jahren leer stehe.
"Man ist natürlich dann traurig, wenn man vor verschlossenen Türen steht. Somit ist es einer meiner Herzenswünsche, dass in dieses Schloss – zeitnah – wieder Leben eingehaucht wird."
Am Besten wäre es, schiebt Bürgermeister Hünerbein noch schnell hinterher, wenn das Land die Immobilie nutzen würde. Doch das scheint ausgeschlossen. "Leider", sagt Hünerbein. Und hofft nun, dass die russische Botschaft mal anrufen möge, immerhin ginge es doch um ein Zarenschloss, unterstreicht Hünerbein:
"Ich wünsche mir, dass dort ein Investor sich niederlässt, der unsere kommunalen Interessen genauso berücksichtigt wie seine Investoreninteressen. Und dass das Schloss irgendwann aus seinem Dornröschenschlaf wach geküsst wird."

Königliches Leben gab es nie im Schloss

Ein pompöses Bauwerk aus der Hand des anhaltischen Architekten Friedrich Joachim Stengel.
1694 wurde er in Zerbst geboren, ausgebildet an der Berliner Akademie der Bildendenden Künste. Durch Reisen nach Paris und Versailles hat sich Stengel mit der französischen Baukunst vertraut gemacht. Später hat er sich einen Namen mit diversen Repräsentationsbauten in Saarbrücken gemacht wie dem dortigen Residenzschloss am linken Saar-Ufer.
"Der Stengel war auch nur zweimal hier, hat nur zweimal den Fortgang der Arbeiten sich in Dornburg angesehen."
Königliches Leben ist in das spätbarocke Schloss Dornburg nie eingezogen, weil die Mutter der späteren Zarin wegen des Siebenjährigen Krieges 1758 nach Paris fliehen musste. Der Grund: Im Krieg der damaligen Großmächte intrigierte sie gegen die Preußen, hat sich auf die Seite der Franzosen geschlagen. Weshalb der Zaren-Mutter Prinzessin Johanna Elisabeth von Holstein-Gottorp es auch verwehrt war, nach Dornburg zurückzukehren. Aber nicht nur das, sie hat den fertiggestellten Prachtbau in den Elbauen in seiner ganzen Schönheit auch nie zu Angesicht bekommen.
"Man hat die barocke Symmetrie. Man hat die Mittelachse, die Sichtachse, die quer durchs Haus verläuft, die durch den Alt-Garten – hinterm Haus - und dem Neu-Garten verläuft und noch existiert."
Mit ausladenden Gesten zeichnet Egbert Platte – im Erdgeschoss des Schlosses stehend – die strengen lichtverstärkenden Sichtachsen nach.
Auch die umlaufenden – die sogenannten Enfiladen - sind noch vorhanden. Das sind die typisch barocken Raumfluchten, wie man sie auch aus Versailles oder Sanssouci kennt, wenn man durch alle aneinandergereihten Räume hindurch schauen und laufen kann. In Dornburg gibt es sie noch.
Der Pathos, die Gefühlsbetontheit der damaligen Zeit, die dekorative Fülle des Barock: Im derzeit leerstehenden Schloss Dornburg an der Elbe, 20 Kilometer südöstlich von Magdeburg, kann man es nachempfinden.

Folterungen während der Nazi-Zeit

1872 erwarb der Gutsherr Justus Leopold Hühne das Schloss von den Herrschern des Fürstentums Anhalt-Köthen. Während der Zeit des Nationalsozialismus verpachtete man Teile des Schlosses Dornburg an die SA, die dort eine Sportschule untergebracht haben soll. Im Keller – das aus großzügigen Kreuzgewölben besteht - wurden Regimegegner gefoltert. Es ist die Rede von einem Arbeitslager und einem sogenannten "wilden KZ". Nachzulesen in Gedächtnisprotokollen, die sich im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalts befinden, so der Dornburger Egbert Platte:
"Man hat – so muss man sich das vorstellen – die Leute bei Nacht und Nebel in Zerbst, in Magdeburg und anderswo von der Straße weggefangen, hat die hier unten eingesperrt, hat die hier gefoltert."
Eines der Opfer war der Hautarzt Joseph Otto Schlein, ein kommunistischer Jude aus Magdeburg. Ihn hatten die Nationalsozialisten unmittelbar nach der Machtergreifung 1933 im Schloss Dornburg interniert, bevor er und seine Familie später nach Auschwitz deportiert und in den Gaskammern umgebracht wurden. Ein Stolperstein in Magdeburg erinnert heute an den Tod der Familie von Joseph Otto Schlein, dessen Qualen im Schloss Dornburg begannen.

Geheim-Archiv zu DDR-Zeiten

Die neue gegründete DDR wollte das Zaren-Schloss Dornburg abreißen, berichtet der zweifache Familienvater Egbert Platte, der sich seit Jahrzehnten mit der Geschichte des Barock-Palastes beschäftigt und Führungen durch das Schloss Dornburg organisiert.
"Wir hatten hier keine Fenster mehr drin. Bilder dokumentieren das. 1947 war das schon fast wie eine Ruine. Und dann hat man seitens der damaligen DDR-Regierung beschlossen, das man das als Außenstelle des Staatsarchives herrichtet."
Mit höchst sensiblen Akten. Denn es wird ein – für die Dorfbewohner sagenumwobenes - Geheim-Archiv nach Dornburg gebracht. Weshalb die Stasi das Schloss gar mit Hundelaufanlagen, einem Streckmetallzaun – wie man ihn von der innerdeutschen Grenze kannte - schützen ließ.
"Und da hat man natürlich verschiedene Veränderungen an dem Bau vornehmen müssen. So wurden zum Beispiel Betondecken eingezogen, um die Archivschränke, die Akten lagern zu können. Und da haben sie natürlich noch Lampenschmuck und eine Fußbodengestaltung, die auf den Charme der 50er-Jahre letztendlich schließen lassen.
Nach dem Mauerfall stellte sich heraus, dass im Schloss Dornburg zehn Millionen Akten über ehemalige Wehrmachts-Angehörige lagerten. Akten, die die Stasi propagandistisch nutzen wollte, um westdeutschen Eliten mögliche NS-Verstrickungen vorzuhalten. Einer der Gründe, warum das SED-Regime die Existenz des Archivs totschwieg.

Sanierungskosten in Millionenhöhe

Ende der 1990er-Jahre wollte das Land Sachsen-Anhalt das Zentrallager des Landesamtes für Archäologie in Dornburg unterbringen, was sich aber als unpraktisch erwies. Daher steht das aus 80 Sälen bestehende Zaren-Schloss Dornburg seit mehr als 20 Jahren leer.
Nun soll es meistbietend verkauft werden. 5.500 Quadratmeter Wohnfläche für ein Mindestgebot von 570.000 Euro. Ein Schnäppchen. In der Münchner Innenstadt bekommt man dafür nicht mal eine Vier-Zimmer-Wohnung.
"Wenn es jemanden gäbe, ernsthaft jemanden gäbe, der es nutzen will und tatsächlich die Kapazität hat ..."
... der bekomme jede Unterstützung seitens des Landes verspricht Rainer Robra, CDU-Kulturminister in Sachsen-Anhalt. Ein Jurist aus Niedersachsen.
"Das ist ja immer die größte Schwierigkeit, ein Nutzungskonzept zu finden. Also jemand zu finden, der hinreichend leistungsfähig ist. Und eine Idee hat, wie man das Objekt wieder nutzt."
Doch ob man bis heute einen Investor bzw. Käufer gefunden habe, dazu hüllen sich die Verantwortlichen des Landes in Schweigen.
Kürzlich dachte eine Karlsruherin an einen Schlosskauf. Ihre Pläne: Ein Schlosshotel mit Yoga-Retreat oder ein Frauen-Begegnungszentrum draus zu machen. Doch als sie von den Sanierungskosten und den Denkmal-Auflagen hörte, ließ sie schnell von dem Vorhaben ab.
Denn: Der Kaufpreis ist gar nicht das Problem, um ein Vielfaches höher liegen die Sanierungskosten des Barock-Schlosses Dornburg. Denkmalschutz-Experten sprechen von einem zweistelligen Millionenbetrag. Und: Potenzielle Käufer müssen eine Machbarkeitsstudie liefern, die mit der unteren Denkmalschutzbehörde abgestimmt sein muss.
Allerdings: Es muss was passieren. Dringend. Erst vor zwei Wochen beim letzten Sturm ist eine riesige Kiefer umgefallen und hat die hintere Fassade nur um Haaresbreite verfehlt, was für das einzigartige Denkmal Barock-Schloss Dornburg, beinahe fatale Folgen gehabt hätte.
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