Dorothee Achenbach: "Meine Wäsche kennt jetzt jeder"

Gemeinheiten unter Ehepartnern

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Dorothee Achenbach stellt in Düsseldorf ihr Buch "Meine Wäsche kennt jetzt jeder" vor © picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd
Von Kolja Mensing |
In unserer Rubrik "Aus den Listen" nehmen wir wöchentlich einen aktuellen Titel der "Spiegel"-Bestseller-Liste vor und untersuchen sein Erfolgsrezept. Diesmal "Meine Wäsche kennt jetzt jeder" von Dorothee Achenbach. "Ein spätbürgerliches Ehedrama", findet Kolja Mensing.
Die Wäsche von Dorothee Achenbach kennen zunächst nur ein paar Polizeibeamte: Nachdem der Kunstberater Helge Achenbach im Juni 2014 wegen Betrugs durch verdeckte Preisaufschläge verhaftet worden ist, kommt es zu einer Hausdurchsuchung, und zum Entsetzen der Gattin wird dabei auch ihr Kleiderschrank durchwühlt: Na, sowas! Dieses ironisch leicht abgefederte Entsetzen ist das Leitmotiv, das sich durch dieses Buch zieht: Dorothee Achenbach berichtet wie die harte Realität der Strafverfolgung Einzug hält in die gemütlich ausgepolsterte Unternehmen-Gattinnen-Idylle: Der Gerichtsvollzieher steht vor der Tür, das Traumhaus muss verkauft werden, die Designerkleider landen im Second-Hand-Shop, um den nächsten Einkauf im Supermarkt zu bezahlen.
Format einer Reality Show
Es ist - auch - ein spätbürgerliches Ehedrama, und Dorothee Achenbach könnte prima eine Figur aus einem Roman aus dem 19. Jahrhundert sein. Die Ehefrau, die von dem Mann, den sie liebt, in ein gesellschaftliches Absturz-Drama verwickelt wird: Das ist ein Konflikt, der vor 150 Jahren von Tolstoi oder Flaubert standardmäßig literarisch bearbeitet wurde. Achenbachs Selbsterfahrungsbuch ist wohl darum so erfolgreich, weil sie diesen Stoff herunterbricht auf das zeitgemäße Format einer Reality Show im Privatfernsehen.
Erst der große Ärger über den Ehemann, der nicht nur die Existenzgrundlage ihrer Familie zerstört hat, sondern sie auch noch mit anderen Frauen betrogen hat, dann die Versöhnung über die Gefängnismauer hinweg – und zuletzt das Bekenntnis, in "guten wie in schlechten Zeiten" zum straffällig gewordenen Partner zu stehen. Dass das alles in der Öffentlichkeit verhandelt werden muss, das ist das Diktum der Reality Show, das selbstverständlich auch das Promi- beziehungsweise Semi-Promi-Segment des Sachbuchmarktes regiert. Das ist die Raffinesse des Titels: Die schmutzige Wäsche, die in der Familie Achenbach gewaschen wird, die kennt nämlich erst nach der Lektüre dieses Buches wirklich jeder.
Malkurs im Gefängnis
Aber muss man das Lesen? Ja – und zwar wegen ein, zwei richtig fieser Gemeinheiten unter den Ehepartnern. Der gefallene Kunstberater Helge Achenbach zum Beispiel macht im Gefängnis ausgerechnet einen Malkurs, und seine Frau merkt einige Wochen später nach einem Besuch in der JVA süffisant an: "Zum ersten Mal hat er Acryl auf Leinwand gemalt. Er ist restlos begeistert von seinem Werk. Wir loben ihn höflich." Und zur Strafe schenkt er ihr dann eines der Bilder zum Geburtstag.

Dorothee Achenbach: "Meine Wäsche kennt jetzt jeder"
Droste Verlag, Düsseldorf 2015
226 Seiten, 16,99 Euro

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