Dostojewski in Baden-Baden

Der Ort für Russen und Spieler

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Ein Farbgemälde von Fjodor Dostojewski auf einem Stuhl
Fjodor Dostojewski: ein genialer Geschichtenerzähler. Und spielsüchtig. © imago images / United Archives
Von Constantin Eckner |
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Vor 200 Jahren wurde der Schriftsteller Fjodor Dostojewski geboren. Reich wurde er nie durch seine Arbeit und das wenige Geld, das er hatte – und noch mehr – verspielte er auch in Baden-Baden. Einer von vielen Russen, die es in den Kurort zog.
Ein Blick durch das Casino weist auf Normalität hin – viele Freizeitspieler, dem Dresscode entsprechend gekleidet, sind gekommen, um sich an den Roulettetischen auszutoben. Es wird mehrheitlich Deutsch gesprochen. Das war allerdings nicht immer so. Denn einst war die Spielbank von Baden-Baden ein Anziehungsort für wohlhabende und intellektuelle Russen. Einer der prominentesten unter ihnen: Fjodor Dostojewski. Der Literat besuchte die Stadt von 1862 bis 1867 dreimal – und nicht, weil es sich um einen Kurort handelte:
"Es drehte sich alles um das Casino. Das war der einzige Grund. Baden-Baden hat ihm gar nicht besonders gefallen – und die Menschen, die hier waren, noch viel weniger. Das waren die Reichen, und zu denen hatte er ein gespaltenes Verhältnis", erklärt Renate Effern. Sie ist Stadtführerin und Vorsitzende der Turgenew-Gesellschaft, benannt nach einem Zeitgenossen Dostojewskis, der sich ebenso häufig in der Stadt aufhielt.
Dostojewski war ein Lebemann, aber beim Spielen wurde aus seiner Leidenschaft sehr schnell eine Sucht. Diese Sucht verarbeitete er 1866 in dem Roman "Der Spieler", den er innerhalb von drei Wochen verfasste.
An welchen Ort das im Buch erwähnte "Roulettenburg" angelehnt ist, ist umstritten. Baden-Baden scheint es nicht zu sein. Häufig wird es mit Bad Homburg und Wiesbaden, dessen Spielhallen Dostojewski ebenso besuchte, in Verbindung gebracht.

"Das Klirren des hingeschütteten Geldes"

In jedem Fall war mit "Roulettenburg" ein deutscher Ort gemeint, denn das Russische Reich hatte Glücksspiel im 19. Jahrhundert untersagt. Auch deshalb kamen Spieler und Spielsüchtige gern nach Deutschland. Geld hatte Dostojewski jedoch nur wenig, deshalb musste er andere um Unterstützung bitten. Im Schlusskapitel von "Der Spieler" heißt es treffend:
"Mit welcher Gier blicke ich auf den Spieltisch, auf dem die Louisdors und Friedrichsdors und Taler umherliegen, und auf die kleinen Stapel von Goldstücken, wenn sie unter der Krücke des Croupiers in Häufchen auseinanderfallen, die wie feurige Glut schimmern, oder auf die eine halbe Elle langen Silberrollen, die um das Rad herumliegen. Schon wenn ich mich dem Spielsaal nähere und noch zwei Zimmer von ihm entfernt bin, bekomme ich fast Krämpfe, sobald ich das Klirren des hingeschütteten Geldes höre."

Mit allen überworfen

Doch warum ausgerechnet Baden-Baden? Die ersten Russen kamen 1815 anlässlich des Wiener Kongresses in die Stadt – sie lag halt auf dem Weg. Generäle, Fürsten, Gutbetuchte, Künstler: Das russische Publikum in Baden-Baden wirkte vielfältig, aber Dostojewski gehörte nur am Rande dazu.
Er fand Anstoß an nahezu jeder Gruppe und überwarf sich auch allzu gern mit anderen, etwa Literaturkollegen wie Turgenew, erzählt Stadtführerin Effern. Auch von den Einheimischen hatte Dostojewski keine hohe Meinung, wie Aufzeichnungen von ihm und seiner zweiten Frau Anna Dostojewskaja belegen.
Nach dem letzten Besuch in Baden-Baden zog das Ehepaar in die Schweiz weiter, anschließend nach Italien, später nach Dresden und nochmals zum Glücksspiel nach Wiesbaden. 1871 kehrte es in die russische Heimat zurück, wo die angehäuften Schulden langsam abbezahlt wurden. Dostojewski soll noch in Deutschland dem Glücksspiel abgeschworen haben.
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