Douglas Coupland: "Bit Rot"

Abschied von der Zukunft

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Das Buchcover von Titel "Bit Rot", erschienen beim Blumenbar-Verlag zeigt den Autor Douglas Coupland in einem bunt eingefärbten Close Up.
Seine Vorgehensweise hat Coupland einmal mit der Gorillas beobachtenden Verhaltensforscherin Diane Fossey verglichen. . Seinen Texten wohnt denn auch bei aller analytischen Schärfe eine Distanz inne. © Blumenbar / Deutschlandradio
Von Hans von Trotha |
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Douglas Coupland gilt als maßgeblicher Analyst des digitalen Zeitalters. In dem Band "Bit Rot. Berichte aus der sich auflösenden Welt" versammelt er nun Texte aus 15 Jahren. Er beobachtet klug, kopiert sich aber leider auch häufig selbst.
"Ich war zufällig schon vor allen anderen in der Zukunft", sagt eine der fiktiven Protagonistinnen in diesem aus Fiktion und Nicht-Fiktion gepatchworkten Sammelband über unsere ersten 15 Jahre im neuen Jahrtausend. Dabei mag Douglas Coupland auch an sich selbst gedacht haben. Mit dem Roman "Generation X" (1991), der ursprünglich ein Sachbuch hätte werden sollen, hat der Kanadier einer Generation zwischen Konsumterror und Wertefindung ein Denkmal gesetzt und ihr im Versuch, ihr keinen Namen überzustülpen, genau den verpasst.
Es folgten zahlreiche Bücher, von denen viele das erste variierten, schließlich 2009 mit "Generation A" so etwas wie ein Fortsetzung zwischen Youtube, Google und Twitter. Coupland gilt als einer der Analysten unserer Gegenwart plus naher Zukunft. Und so sieht er sich auch selbst, wobei er nicht nur schreibt, sondern auch, und zwar zunehmend, als bildender Künstler agiert.

Abschied vom Schreiben als Solo-Kunstform

Der nun auf Deutsch erschienene Band "Bit Rot" ist im Original 2015 anlässlich einer gleichnamigen Ausstellung in Rotterdam erschienen. Bit rot bezeichnet den allmählichen Verschleiß der Performance und der Datenintegrität eines Speichermediums – ein starkes Bild für die Lage einer Generation post X post A – und in gewisser Weise auch ein passendes Bild für das Buch selbst: Der Analytiker einer sich immer weiter digitalisierenden Welt verarbeitet seine eigenen Analysen nicht mehr zu komplexeren Textgebilden, er setzt sie einfach nebeneinander, wobei er sich auch selbst zitiert.
So hat er eine nicht geringe Zahl der Texte aus "Bit Rot" als Versatzstücke schon im Roman "Generation A" verarbeitet, andere sind als Fortsetzungsgeschichten in Zeitungen erschienen. "Und schließlich", so Coupland, "sind in diesem Buch einige Kurzgeschichten (...) vertreten, die für mich den Abschied vom Schreiben als Solo-Kunstform markieren." Wir wohnen also einem Abschied bei.

Jeder Analytiker darf sich irren

Seine Vorgehensweise hat Coupland einmal mit der Gorillas beobachtenden Verhaltensforscherin Diane Fossey verglichen. Seinen Texten wohnt denn auch bei aller analytischen Schärfe eine Distanz inne. Ein Eindruck, der durch eine Neigung zur Pointe noch verstärkt wird, und dem die Abschiedsbewegung zusätzlich Vorschub leistet. Zusammen mit dem beständigen Wechsel zwischen Fiktion und Essay führt das zu einer nicht immer leichtgängigen Lektüre.
Dennoch finden sich viele kluge Beobachtungen wie die, dass die Langeweile heute eine andere ist als früher. Es gibt auch schöne poetische Momente, wie das Gedankenspiel, was man daraus machen könnte, dass viele Schriftsteller sich ihre unfertigen Romane jeden Abend selbst mailen.
Und alles, was uns so umgibt, kommt irgendwie vor: vom "geistigen Vakuum, das durch Freiheit entsteht", über Drohnen, Drogen, Selfies, Handyfilme, das Internet als Riesengehirn (IQ 4270), Internetsex, den Segway als "Transportmittel der Zukunft" (jeder Analytiker darf sich mal irren), Zeitarbeit und den Niedergang der Sprache (ist "JPEG" wirklich ein Wort?) bis hin zu den Firmen, die nach China verkauft werden.
Aber nichts davon ist halt neu. Und nichts führt wirklich weiter. Ein Abschied eben, kein Aufbruch, und, wie viele Abschiede in der Kunst, auch ein bisschen bit rot.

Douglas Coupland: "Bit Rot. Berichte aus der sich auflösenden Welt"
Aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann
Blumenbar Verlag, Berlin 2019
256 Seiten, 24 Euro

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