Dreckschleudern der Meere

Von Steve Neuwirth |
Ein besonders starker Luftverpester ist die Schifffahrt – sie produziert einer US-Studie zufolge 50 Prozent so viel Feinstaub wie alle Autos weltweit zusammen. Doch die Schiffsabgase sind schlecht erforscht.
Mit den als Treibstoff eingesetzten Schwerölen der Schifffahrt werden tonnenweise Schwefel, Stickoxide und schwermetallhaltige Asche in die Luft geblasen. Obwohl die massive Gesundheitsgefährdung offensichtlich ist und die hohe Feinstaubbelastung - besonders in Hafenstädten - über behördliche Stationen gemessen werden kann, fehlen effektive Schutzmaßnahmen. Chemiker und Toxikologen wollen in Rostock herausfinden, wie sich die Schiffsabgase auf menschliche Lungenzellen auswirken. Für die Versuche kommt ein Schiffsdieselmotor an der Fakultät für Maschinenbau und Schiffstechnik zum Einsatz.

Ralf Zimmermann, Lehrstuhlinhaber für analytische Chemie:

"Dazu wird der Motor hier betrieben mit Schiffsdiesel und zwar Schweröl oder eben Leichtöl und dann werden die Emissionen untersucht mit teilweise neuen Verfahren, also Online-Massenspektrometern, die direkt die Zusammensetzung des Aerosols oder eben der Gas-Phase zeigen und auch mit Filterproben."

Gleichzeitig werden die Gasgemische verdünnt und nach außen über ein Rohrsystem in ein mobiles Bio-Labor geleitet. Menschlichen Lungenzellen, die aus medizinischen Untersuchungen stammen, werden diesen Gas-Gemischen dort direkt ausgesetzt. Die Feinuntersuchung erfolgt dann, in dem diese Proben eingefroren und später in anderen Laboren untersucht werden.

"Wir haben zum Beispiel im Schweröl große Mengen an Vanadium und anderen Übergangsmetallen, die jetzt hier ein Problem darstellen, plus die Polyaromaten und die Rußbestandteile. Von denen weiß man, dass sie schädlich sind. Es gibt ja auch die Aussage, dass Dieselemissionen aus dem PKW krebserregend sind –wobei Krebs bei uns kein Endpunkt ist - wir schauen Kurzzeiteffekte an. Wir wollen natürlich auch ganz bewusst nach weiteren Schadstoffklassen suchen, man hat hier nur einen ganz kleinen Teil der Verbindungen die auftreten untersucht. Unser Experiment gibt die Möglichkeit eben dort vielleicht auch neue Schadstoffklassen zu entdecken und zu bewerten und auch Minderungsmaßnahmen dazu vorzuschlagen."

Beim Thema Schiffstreibstoff hat die Europäische Union lediglich den Schwefelgehalt im Blick und versucht hierfür Grenzwerte durchzusetzen. Nach Aussagen der Rostocker und Münchner Wissenschaftler ist der Schwefelgehalt für die Luftqualität aber nicht der Entscheidende. Besonders die Rußpartikel sind daher ein Schwerpunkt und sie sind auch der neue Ansatz der Untersuchung, sagt Toxikologe Jeroen Bueters von Helmholtz-Zentrum München:

"Wir Menschen atmen direkt die Partikel ein von der Straße. Das bedeutet, die hochreaktiven Verbindungen, die sind noch nie studiert worden. Und das ist das Spannende an diesem Projekt, dass man nicht schaut, wie reagieren die miteinander und im Labor krieg man nur noch den ausreagierten Rest. Nein, wie reagiert es direkt mit dem Körper, in diesem Fall direkt mit den Zellkulturen."

Erste Auswirkungen können die Wissenschaftler dabei sofort sehen. Welche Reaktionen in den Zellen ablaufen, muss aber langfristig herausgefunden werden.

"Wir sehen einfach, dass die Toxizität größer ist als erwartet – aber Sie müssen nicht vergessen: die Analyse, das kann man zwar schon sehen, aber ich nenne das immer so - ob Sie Kopfschmerzen haben oder nicht, sehe ich ihnen nicht an, aber es geht ihnen trotzdem schlecht. Und diese Kopfschmerzen, die muss ich im Labor mit ausgiebiger Technik herausforschen, denn die Zellen reden ja nicht mit mir."

Für die Schiffs-Reeder spielt das Problem auf den offenen Weltmeeren kaum eine Rolle. Wer den billigsten Kraftstoff mit den massivsten Schadstoffen nutzt, ist im Wettbewerbsvorteil. Für eine Verbesserung der Situation ist die Politik gefragt, sagt Ralf Zimmermann.

"Natürlich wird es so laufen müssen, dass dann die Politik hoffentlich Ergebnisse aufgreift und sagt, ihr müsst da etwas tun. Wir kennen das ja alles schon aus den Geschichten mit dem Drei-Wege-Kat – wie lange haben wir gehört das ist nicht machbar hier in Deutschland, wo schon in den USA die ganze Flotte umgestellt war, also da gibt es immer einen großen Widerstand."

Das interdisziplinäre Experiment an der Rostocker Universität mit Biologen, Chemiker und Physikern läuft insgesamt über sieben Jahre und soll im Vergleich auch die Feinstaubbelastung durch Straßenverkehr und die mittlerweile zunehmende Holzverbrennung analysieren. Erste handfeste Ergebnisse sollen im kommenden Jahr vorliegen.