Drehbuchautorin Dorothee Schön

Vom "Tatort" in die "Charité"

35:08 Minuten
Dorothee Schön lächelt in die Kamera.
Dorothee Schön sagt auch nach 30 Jahren Erfahrung beim Schreiben von Drehbüchern: "Dieses weiße Blatt bleibt immer eine Herausforderung." © © Kay Gauditz
Moderation: Ulrike Timm |
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Dorothee Schön schrieb die Drehbücher für 17 "Tatorte" und für die ARD-Serie "Charité". Preisgekrönt wurde ihr Film über das Weiterleben einer Familie nach dem Suizid der Mutter – Dorothee Schön hat dieses Drama selbst erlebt.
Schon ihre Abschlussarbeit an der Münchner Filmhochschule war ein Erfolg. Das Drehbuch ihres Politthrillers "Blauäugig" verfilmte Reinhold Hauff mit Götz George in der Hauptrolle. 1989 lief der Film als deutscher Beitrag bei den Filmfestspielen in Venedig. Seitdem hat Dorothee Schön über 30 Drehbücher für Kinofilme und TV-Produktionen geschrieben, zuletzt für die sechsteilige Krankenhausserie "Charité", ein großer Zuschauererfolg.
Die Drehbuchautorin liebt es besonders, alle Details zu recherchieren, die einen Film glaubwürdig machen: Von der Sprache des Milieus, um das es in ihrer jeweiligen Geschichte geht, bis zu den Umgangsformen der Zeit, in der die Handlung spielt.
Nach dieser Recherche folgt dann die Konfrontation mit dem leeren Blatt Papier:
"Da kann man so viele Jahre schreiben, wie man will, dieses weiße Blatt bleibt immer eine Herausforderung. Die Angst wird man nie los, genauso wenig wie wahrscheinlich ein Schauspieler das Lampenfieber, bevor er auf die Bühne geht. Aber nach über 30 Jahren Berufserfahrung entwickelt sich so eine gewisse Langmut mit der eigenen Nervosität, dass es sich irgendwie schon einstellen wird, und dass schon irgendwie eine Geschichte am Ende dabei rauskommt."

Erste Krimis

Dorothee Schön, die mit ihrer Familie im beschaulichen Ravensburg lebt, wollte als kleines Mädchen eigentlich Bäuerin werden. Als sie in der Schule das Schreiben lernte, änderte sich der Berufswunsch schnell in Richtung Schriftstellerin. Über ihre ersten Versuche amüsiert sie sich noch heute:
"Ich hab als Kind schon sehr interessante Geschichten geschrieben, nämlich Krimis, obwohl ich noch nie in meinem Leben einen Krimi gelesen hatte oder wusste, was das war. Ich hatte ein Schulheft, da habe ich dann auf einer DIN-A4-Seite geschrieben, dass irgendwas passiert ist, irgendwo, mit interessant klingenden Namen und interessanten Orten und irgendeiner Tat. Punkt. Nicht länger als drei Sätze, aber ich dachte, so in etwa funktioniert ein Krimi."
Auch im Fernsehen durfte Schön so etwas nicht sehen, überhaupt sei Fernsehen für ein Kind, das schlafwandelt, so ihre Eltern damals, doch viel zu aufregend. Geguckt hat sie fast nur heimlich durch den Türspalt. "Man sieht, was dabei rauskommt", stellt die Drehbuchautorin heute trocken fest.

Die großen Unbekannten des Filmgeschäfts

Ihr erstes eigenes Geld verdiente Schön als Regieassistentin. In dieser Zeit hatte sie eine Idee für ein Drehbuch und stellte ohne Vorerfahrung im Alter von 23 Jahren einen Antrag auf Förderung für ein Drehbuchprojekt, das auf Anhieb gelang. "Seitdem habe ich eigentlich nichts anderes mehr gemacht." Nach einer ruhigeren Phase kam mit dem ersten "Tatort" der dauerhafte Erfolg, der bis heute anhält. Ein Erfolg, der nach außen hin aber immer noch kaum sichtbar ist, da Drehbuchautoren bei Film und Fernsehen nach wie vor stets weit hinter den Regisseuren, Produzenten und Schauspielern zurückstehen, was die öffentliche Anerkennung, aber auch Mitspracherechte betrifft.
"Wir sind im Grunde die großen Unbekannten des Filmgeschäfts." Trotz vermutlich über hundert Millionen Menschen, die von ihr geschriebene Filme gesehen haben, kenne die Drehbuchautorin "wahrscheinlich kein Mensch". Gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen unterschrieb Dorothee Schön eine "Selbstverpflichtung" – "Kontrakt 18" – der zufolge sie nur noch auf Augenhöhe mit Produzenten und Regisseuren arbeiten will...
"Wer mich haben will, muss verstehen, dass ich keinen Vertrag mehr unterschreibe, in dem ich kein Mitspracherecht habe, wer mein Buch inszenieren soll, oder dass ich zum Beispiel auch Muster und den Rohschnitt sehen – und dazu auch was sagen darf." Erst durch den Serien-Boom und die Bedeutung der Autoren für die langen Erzählbögen beginne sich da etwas zu ändern. "Diese Autorenpersönlichkeiten sucht man jetzt überall in der Branche, weil die Goldgräberstimmung bei den Serien ausgebrochen ist."

"Der letzte schöne Tag"

Der Film, der Dorothee Schön persönlich am nächsten ging, ist wahrscheinlich "Der letzte schöne Tag", in dem es um die Folgen eines Suizids in der Familie geht. Als sie selbst 26 Jahre alt war, beging ihre Mutter Selbstmord. Zehn Jahre später brachte sich ihre Schwester aufgrund einer depressiven Erkrankung um – zu diesem Zeitpunkt sollte Schön eigentlich gerade eine Komödie schreiben, teilte dann aber ihrer Produzentin mit, dass das jetzt nicht ginge. Diese hatte auch aufgrund eigener Erfahrungen Verständnis dafür. Gemeinsam überlegten sie, darüber einen Film zu drehen, was ein Suizid eigentlich mit jenen macht, die zurück bleiben.
Nach zehn Jahren Warten finden die beiden in Johannes Fabrick einen Regisseur, der selbst auch Erfahrungen mit dem Thema gemacht hat. "So waren wir so eine Versehrtengruppe, die sich gesagt hat, wir machen da jetzt mal einen Film drüber." Der Film, der anders als sonst am Schreibtisch, ohne vorher festgelegtes Konzept entstanden ist, stieß auf ein sehr positives Echo. Es gab jede Menge Zuschauerpost, viele Menschen haben sich wiedererkannt gefühlt. Mit einer Mutter, die ihre Tochter durch Suizid verloren hat, hat Schön auch heute noch Mail-Kontakt. "Ich habe durch diesen Film erfahren, dass man mit seinem eigenen Lebensschicksal auch konstruktiv und produktiv umgehen kann."
(ma)
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