Drei Dichter aus der Feder von einem

Jan Wagner stellt die zu Lebzeiten unbekannten Dichter Anton Brant, Theodor Vischhaupt und Philip Miller mit aller gebotenen Sorgfalt vor. Es gibt Einführungen zum Werk, Verzeichnisse der Schriften und dichterische Kostproben. Ein witziges Experiment, denn alle drei entspringen der Fantasie des Autors.
"Lyrik lebt von Paradoxien", behauptet der 1971 in Hamburg geborene und inzwischen in Berlin lebende Lyriker Jan Wagner. Wie ein Widerspruch dichterisch produktiv gemacht werden kann, zeigt sein Band "Die Eulenhasser in den Hallenhäusern". Zunächst verweist er als Herausgeber im Vorwort darauf, dass Dichterruhm auch auf die Hilfe des Zufall angewiesen ist und lenkt so die Aufmerksamkeit auf drei verborgene Dichter, die es zu entdecken gilt. Doch um sie dem Vergessen und der "ewigen Abwesenheit" entreißen zu können, bedarf es eines Geburtshelfers, der sich in den Dienst der zu unrecht Vernachlässigten stellt. Diese Aufgabe übernimmt Jan Wagner.

Bei den vergessenen Poeten handelt sich um den stärker dem Ländlichen verhafteten Anton Brant, den Anagrammdichter Theodor Vischhaupt und den Elegienverfasser Philip Miller. Der Herausgeber ihrer Texte zieht zunächst alle germanistischen Register, um ein umfassendes Bild seiner Dichterkollegen zu entwerfen. Es gibt Einführungen zum Werk, Verzeichnisse der Schriften nebst der einschlägigen Sekundärliteratur und es sind dichterische Kostproben der Erwählten zusammengestellt worden. Zu den Gedichten Brants wird ein Glossar gereicht und ansonsten erleichtern weiterweisende Kommentare den Zugang zu den Versen dieser drei Vergessenen.

Auch zu Lebzeiten kannte kaum jemand diese Poeten, die zwar über außergewöhnliche poetische Fähigkeiten verfügten, die aber weitgehend in den Hinterzimmern der Dichtung verblühten. Mit Brants Dichtung war nur seine Frau Anna vertraut, die nach dem Tod ihres Mannes den Band "Ich Muse und Melkerin. Mein Leben zwischen Versen und Färsen" veröffentlichte. Auf Theodor Vischhaupt stößt sein Idealleser in einem Fundbüro und eher zufällig wird eine in einem Optikerladen arbeitende Verkäuferin auf den römischen Elegienschreiber Philip Miller aufmerksam.

Dass sie in einem Optikerladen arbeitet ist insofern bedeutend, da Wagners Buch mit geschärftem Blick gelesen werden sollte. Alles an dieser Anthologie scheint zu stimmen, selbst ein Literaturhinweis wie der von Hugo Heimsbüttler, veröffentlicht in "Komparatistik heute" unter dem Titel "Binnenreim und Bauernraum", ist im weiten Gefilde germanistischer Sekundärliteratur mehr als denkbar, doch in Wirklichkeit hat Jan Wagner alles inszeniert. Brant, Vischhaupt und Miller sind keine Unbekannten, nein, es hat sie nie gegeben. Sie verdanken ihr dichterisches Dasein nur einer Person. Dreimal wechselt der vermeintliche Herausgeber seine Identität, wenn er jeweils in anderer Gestalt in der Rolle eines Dichters erscheint. Stets ist er Derselbe und dennoch begegnet er uns jeweils als ein ganz Anderer.

Dieses Rollenspiel ermöglicht es Jan Wagner, sein dichterisches Können unter Beweis zu stellen. Er überzeugt als Bauerndichter Brant, als handwerklich perfekter Buchstabenjongleur Vischhaupt und als Miller, der als Spaziergänger durch Rom wandelt und Elegien schreibt.

In diesem äußerst vergnüglich zu lesenden Buch finden Paradoxien und Parodien zueinander. Im Hintergrund aber winken die Schattenbilder der gescheiterten und zu unrecht vergessenen Dichter, denen es nicht an Können fehlte, die aber machtlos der Ignoranz des Publikums gegenüberstanden.

Besprochen von Michael Opitz

Jan Wagner: "Der Eulenhasser in den Hallenhäusern. Drei Verborgene
Hanser Berlin, Berlin 2012
125 Seiten, 14,90 Euro
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