"Ganz die Mama!" war einmal
Von nun an kann in Großbritannien ein Kind durch eine künstliche Befruchtung aus dem Erbgut von drei Menschen gezeugt werden. Christiane Habermalz über die neue Art der Patchworkfamilie und darüber, wohin uns Genetiker und Elternwünsche künftig führen könnten.
Drei-Eltern-Baby. Was Großbritannien von nun an gesetzlich zulassen will, dass ein Kind künftig durch eine künstliche Befruchtung aus dem Erbgut von drei Menschen gezeugt werden darf, klingt wie ein genetisches Monstrum, eine Chimäre. Oder wie eine neue Form der Patchwork-Familie. Dabei ist es für die betroffenen Eltern, die an einer schweren Erbkrankheit leiden, ohne Zweifel die Erlösung, nun haben sie die Chance, ein gesundes Baby zu bekommen.
Die Methode funktioniert wie folgt: Der Gendefekt liegt in den äußeren Mitochondrien der mütterlichen Eizelle, nicht im Zellkern. In dem neuen Verfahren wird der gesunde, befruchtete Zellkern der Mutter in die entkernte Eizelle mit gesunden Mitochondrien einer Spenderin übertragen. Der Embryo wird dann im Reagenzglas befruchtet und der Mutter wieder eingepflanzt. Moment, welcher Mutter? Der leiblichen Mutter, das kann man ja schon nicht mehr sagen. Der biologischen Mutter? Auch nicht: Der Zu-großen Teilen-biologischen Mutter. Die Mitochondrien tragen auch Gene, 27 an der Zahl, verschwindend wenige. Sie sollen nicht für Charaktereigenschaften oder Aussehen des Kindes zuständig sein. Aber dennoch: 27 Gene von 40.000 stammen von der anderen Frau. "Ganz die Mama!" – das wird man in Zukunft nicht mehr so ohne weiteres über Lippen bringen.
Eingriffe bei Embryonen für viele Fälle denkbar
Papa Mama Mama Kind. Wir zu den Kindergeburtstagen auch die Mitochondrien-Spenderin eingeladen? Und was ist mit Streitigkeiten bei Unterhaltszahlungen, wenn sich die Familie, wie so viele andere auch, trennt? Nach der letzten Gesetzesänderung können Samenspender schon heute nicht mehr sicher sein, von ihrem Nachwuchs künftig finanziell zur Kasse gebeten zu werden. Nach welchem Schlüssel und welchen Tabellen werden diese 27 Gene zu Buche schlagen? Und ist das Kind in der Pubertät, kann es zur anderen Mama ziehen, die versteht es vielleicht besser. Überzogen? Vielleicht. Aber: Nicht umsonst hat das britische Unterhaus lange debattiert, Ethikräte und Experten hinzugezogen.
Kein Genetiker bezweifelt, dass Keimbahneingriffe bei menschlichen Embryos noch für viele andere Fälle möglich sind. Na und? Ist man versucht zu sagen. Die Natur ist fehlerhaft und ungerecht. Will man wirklich die Zukunft der eigenen Kinder, ihre Chancen auf Gesundheit, Erfolg und Glück dem Roulette der Zeugung überlassen? Mancher hat ein Gen, das ihn gegen Krebs oder Aids immun macht, bei anderen ist die Erkrankung genetisch vorprogrammiert. Angelina Jolies Brustkrebsgen BRCA2 – wer würde ihr verdenken, dass sie bei der Zeugung ihrer Töchter in die Keimbahn eingreifen lässt, um ihnen das gleiche Schicksal zu ersparen? Omas Anlage zur Fettleibigkeit? Die eine Enkelin hat sie geerbt, die andere nicht. Wie unfair. Kurzsichtigkeit, Rechenschwäche? Das muss nicht sein.
Der Wille der Eltern, ihren Kindern bestmögliche Zukunftschancen zu ermöglichen, ist, wie wir wissen, unerschöpflich. Schon jetzt suchen sich Frauen in Samenbänken minutiös die Spender ihres künftigen Nachwuchses aus. Samenspenden von Nobelpreisträgern und Geigenvirtuosen sind besonders beliebt. Wenige interessieren sich für Punkmusiker oder Kiffer als potentielle Väter. Eine Welt, in der Eltern die Eigenschaften ihrer Kinder mitbestimmen können – auch wenn sie immer nur das Beste wollen – sie wäre ein Alptraum.