Amy Kurzweil: „Flying Couch – Ein Graphic Memoir"

Drei Frauen auf der Couch

06:40 Minuten
Zu sehen ist eine gezeichnete Frau mit Koffer, die dem Betrachtenden den Rücken zuwendet und in den Sternenhimmel schaut.
Drei Frauen, drei Generationen: Amy Kurzweils Graphic Novel erzählt die Geschichte Kurzweils, ihrer Mutter und Großmutter. © Verlagshaus Jacoby & Stuart
Von Dieter Wulf |
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In den USA wurde Amy Kurzweil vor sechs Jahren durch ihre Graphic Novel „Flying Couch“ bekannt. Darin beschreibt sie – aus weiblicher Sicht – ihre Familiengeschichte über drei Generationen hinweg. Jetzt ist das Buch auch auf Deutsch erschienen.
„Sie war die Älteste. Charismatisch und auch physisch stark und auch, weil sie blond war mit blauen Augen sagte ihr Vater, sie solle fliehen, untertauchen, um der Welt erzählen zu können, was hier geschieht.“
Erzählt Amy Kurzweil über ihre Großmutter. Lily Fenster, damals 13, lebte mit ihrer Familie, Eltern und Geschwistern im Warschauer Getto. Als die Verhältnisse immer furchtbarer wurden, ein Überleben eigentlich nicht mehr vorstellbar schien, blieb nur noch die Flucht.

Von Polen in die USA

Geschichten, die die Enkelin Amy Kurzweil bis heute nicht vergessen kann:
„Sie merkt, dass ein paar Steine in der Gettomauer fehlen und schlüpft dort durch. Sie läuft dann weg zu den Bauernhöfen auf dem Land und erzählt dort, dass sie ein katholisches Waisenkind sei.“
So überlebte die Großmutter als einzige der Familie den Holocaust, heiratete bald nach Kriegsende und lebte mit ihrem Mann einige Jahre in einem DP-Camp für jüdische Flüchtlinge im hessischen Bensheim, wo 1946 ihre Mutter geboren wurde. 1951 emigrierte die kleine Familie in die USA. Als Amy, die Enkelin, 2006 anfing zu studieren, meinte ihre Mutter, jetzt mit 20 sei sie alt genug für diese traumatische Familiengeschichte.

Von den Interviews inspiriert

„Meine Mutter gab mir die Abschrift eines Interviews, das meine Großmutter mit einem Historiker an der Universität von Michigan für ein Zeitzeugenprojekt gemacht hatte. Ihre Stimme wurde aufgenommen, viele Stunden Aufnahmen.“
Abschriften von Interviews, die man sich auf der Website der Universität jederzeit anhören kann. Das sollte die Grundlage ihres eigenen Buches „Flying Couch“ werden.
„Es gab unterschiedlichste Interviews mit ihr, wo ich manchmal auch mit dabei war. Aber für das Buch habe ich nur diese wirklich überwältigenden Archivaufnahmen genutzt.“

Durch "Mouse" auf Graphic Novels gebracht

Bald kam ihr die Idee, diese unglaubliche Familiengeschichte zu erzählen. Und als sie die Graphic Novel „Mouse“ von Art Spiegelman gelesen hatte, der eine ähnliche Geschichte als Comic erzählt, wusste sie auch, wie.
„Es gab da irgendwas, weshalb sich Cartoons für mich besonders real anfühlten. Das ist ja eigentlich paradox, weil Cartoons in sich so künstlich sind. Das machte es für mich so interessant. Was hat es damit auf sich, dass ich gerade mit dieser Künstlichkeit den realen Geschichten so viel näher kommen kann?“
Als sie ihrer Großmutter Lily Fenster davon erzählte, fand sie das toll. Das Buch „Flying Couch“, das fliegende Sofa, das von der New York Times 2016 zur besten Graphic Novel des Jahres gekürt wurde, erzählt die Geschichte der drei Generationen: Großmutter, Mutter und der Zeichnerin selbst. Dabei ist die Couch das Möbelstück, das alle verbindet, meint Amy.

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„Meine Mutter ist Psychologin. Für sie ist die Couch ein analytisches Werkzeug. Meine Großmutter wiederum hat diese Angewohnheit, die Couch abzudecken, um sie zu schützen. Neurotische Angewohnheiten, die sie noch aus dem Krieg hat. Für mich ist es einfach ein Ort zum Lesen, Zeichnen und Schreiben.“
Man sieht die drei Generationen miteinander verwoben. Amys Reise nach Israel auf der Suche nach der eigenen Identität, ihre Großmutter im Getto, die dramatische Flucht und wie sie dann, einige Jahre später, über Ellis Island mit Mann und Tochter in Amerika ankommt.
Immer mit groben Strich gezeichnet. Doch trotz aller Dramatik meist mit einem Schuss Humor. Manchmal werde sie gefragt, wie man über solche Dinge noch Witze machen könne, erzählt Amy. ‚Wie denn sonst?’ ist dann ihre Gegenfrage.

Ich weiß nicht, ob es irgendeinen anderen Weg gibt, damit umzugehen, ohne verrückt zu werden. Bei Humor geht’s doch darum, mit Absurditäten umzugehen, indem man darüber lacht. Meine Großmutter ist wirklich komisch – auch, weil sie so merkwürdig ist.

Amy Kurzweil

Überraschungsgast im eigenen Buch

Im Buch heißt Lily Fenster durchweg Bubbe, jiddisch für Großmutter. Sie ist jetzt 95, lebt im Bundestaat Michigan und liebt es, wie in ihrer Kindheit jiddisch zu singen, wie man auf der Website ihrer Enkelin hören kann. Und natürlich sei ihre Großmutter ihr größter Fan, meint Amy.
„Einerseits denke ich, dass sie es liebt, so was wie ein Star in einem Buch zu sein. Besonders als jemand, die nie selber liest. Sie hatte nie Bücher und doch ist sie jetzt selbst in einem. Das ist was ganz Besonderes für sie, das ihr Kraft und das Gefühl gibt, gehört zu werden.“
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