"Man darf sich nicht fertig machen lassen"
Eric Hattke hat in den vergangenen anderthalb Jahren viel dazugelernt. Der Student und Sprecher des Anti-Pegida-Bündnisses "Dresden für alle" wurde für sein Engagement massiv bedroht. Aufgegeben hat er nie. Nun will er aber doch erst einmal vor allem studieren.
Die sächsische Staats- und Universitätsbibliothek an der TU Dresden: Ansprechende, zweckmäßige Architektur. Bei schönem Wetter kann man auf dem Dach Kaffee trinken. Es gibt sogar Liegestühle: Mitnehmen, genießen und zurückbringen, mahnt eine Aufschrift. Der Geschichts- und Philosophie-Student Eric Hattke macht es sich bequem. Der junge Mann mit den blonden Strubbelhaaren erinnert sich noch genau an seinen ersten öffentlichen Auftritt als Studenten-Sprecher auf der Pressekonferenz der Pegida-Gegner im Dezember 2014:
"Und das wurde genutzt von bestimmten Menschen, um mich anzugreifen. Um mich zu bedrohen, im Internet und per Anrufe. Und das war ein bisschen Ansporn weiterzumachen."
Sportlich-naiv könnte man das im Rückblick nennen. Wird er doch dann, als Sprecher des antirassistischen Bündnisses "Dresden für Alle" beinah zwangsläufig zum Angriffsziel für Pegida und andere.
Er und seine Familie werden bedroht, auch seine Eltern müssen sich anhören: "Wir schießen durch eure Fenster". Eric Hattke wird vorsichtig, zieht zu Freunden, sucht eine neue Wohnung, an deren Briefkasten kein Name steht. Und wird weiter beschimpft, am Telefon:
"Das ist also kein Dialog, sondern ein Monolog, der da stattfindet, dass die Leute anrufen und sagen: Das und das wird passieren, wir wissen wo du wohnst und im schlimmsten Fall sagen sie deine Adresse und die stimmt im schlimmsten Fall auch noch. Oder sie sagen, wo deine Familie wohnt und das stimmt im schlimmsten Fall auch noch. Und kündigen dann an, dass etwas passieren wird. Und das macht natürlich Angst. Und damit wird man auch nicht so leicht fertig. Und das ist nichts, woran man sich gewöhnt."
Eric Hattke freut sich auf mehr Privatsphäre
Heute kann er über manche Anfeindung lachen, wirkt abgeklärter als noch vor anderthalb Jahren. In der Hochphase aber habe er die Hosen voll gehabt, sagt er und Methoden entwickelt, um sich selbst zu schützen:
"Schwarzer Humor ist sicher eine Methode, wie man damit umgehen kann. Es ist nur immer wichtig, dass man nicht achtlos wird. Also man darf sich nicht fertig machen lassen, man darf nicht in Panik geraten, man darf aber auch nicht achtlos werden. Also in jeden Bus, in den ich einsteige und in jedem Raum, wo sich mehr Menschen befinden, läuft wie ein Scanner durch den Raum, wo ich die Menschen einteile, ob sie gefährlich sein könnten oder nicht. Und das ist ein Gefühl von Freiheitsverlust, das man nie wieder los wird."
Der Preis, den er dafür gezahlt hat, eines der Dresdner Gesichter im Kampf gegen Pegida zu sein. Ein junges, unbekümmertes Gesicht, inzwischen aber deutlich gereift. Nun aber ist Schluss für Hattke als Sprecher bei "Dresden für alle" , er will erst einmal nur wieder einfacher Student sein:
"Ja, das ist doch eigentlich recht schön, dass man jetzt wieder Freiräume entdeckt, die nichts mit Politik oder organisatorischem Kram zu tun haben, sondern dass man auch irgendwie wieder Mensch ist. Auf einmal wieder in die Uni geht, in die letzte Reihe setzt und nach einer Dreiviertelstunde gelangweilt auf die Uhr kuckt und denkt: Oh Gott, noch eine Dreiviertelstunde? Das ist schön, dieses Gefühl wieder ein bisschen Privatsphäre und Eigenleben zu haben."
Mit Verein "Atticus" weiter für sozial Benachteiligte engagiert
Durch seine Arbeit im Netzwerk habe er Sachsen, Dresden, aber auch sich selbst viel besser kennengelernt, sagt er. Frustriert hat ihn dabei vor allem die Einsicht ...
"... dass den Studierenden Politik in der Stadt und im Land größtenteils egal ist. Vielleicht nicht nur, was die Studierenden betrifft, sondern auch der Stadt und dem Freistaat allgemein."
Er jedenfalls will sich weiterhin engagieren, gegen Rassisten und für Migranten. Denn eigentlich, so betont er immer wieder, ist er für etwas und nicht dagegen. Vor einigen Wochen hat er zusammen mit anderen Pegida-Gegnern einen Verein gegründet und ihn "Atticus" genannt, nach dem Anwalt und Bürgerrechtler aus dem Roman von Harper Lee:
"Wir möchten sozial benachteiligte Menschen unterstützen und zwar alle Menschen, wollen aber gleichzeitig Direkthilfe für geflüchtete Menschen leisten. Das Themenfeld ist also ziemlich groß. Und vor allen Dingen wollen wird das durch konkrete Projekte machen. Aber wir wollen dass man uns an unseren Taten und nicht an unseren Worten misst, von daher noch ein-zwei Monate Geduld, dann kann man die ersten Ergebnisse sehen und kann uns dann daran messen."