Dresden strahlt heller als Versailles

Von Siegfried Forster |
Lange vor Preußens Friedrich II. erhob August der Starke (1670-1733) den Hof von Sachsen zu einer Hochstätte französischer, italienischer und deutscher Hochkultur. Frankreich entdeckt mit einer Ausstellung im Château de Versailles einen Herrscher, der nicht nur Ludwig XIV. nacheiferte, sondern in einigen Punkten sogar übertraf.
Staatsbesuch von August dem Starken bei Ludwig XIV. Über drei Jahrhunderte nach seinem letzten Besuch in Versailles. August war damals 17 Jahre alt, Ludwig XIV. bereits 50. Kurator Dirk Syndram vom "Grünen Gewölbe" in Dresden:

"August der Starke war 1687/88 hier in Versailles, noch als junger Kurprinz und hat sich so überwältigen lassen von der Schönheit, dass er, als er dann an die Macht gekommen ist, versucht hat, den Hof Ludwig XIV. in Dresden - wenigstens was die Ästhetik anbelangt, wieder auferstehen zu lassen bzw. weiterzuführen."
Eine Reiterstatue gibt in der Ausstellung gleich zu Beginn den Ton an. Zu sehen ist August der Starke in der Pose Ludwig XIV., angefertigt vom Lieblingsbildhauer des Sonnenkönigs. "L’Etat, c’est moi" - "der Staat bin ich" - die Devise des Sonnenkönigs als absoluter Herrscher gilt sicherlich für die politische und militärische Seite.

Mit dieser Ausstellung wird vielen Franzosen jedoch ein Licht aufgehen, dass Ludwig XIV. den Platz an der Sonne als damals weltbeherrschender Förderer der Künste mit August dem Starken teilen muss. Mehr noch: Wer sehen will, welchen Glanz Ludwig XIV. damals verbreitete, dem bleibt heutzutage nur der Blick auf die Kostbarkeiten des sächsischen Hofes übrig. Versailles kann von Dresden viel lernen, bemerkt die französische Kuratorin Béatrix Saule bescheiden:

"Mehr noch als lernen, wir können hier die Dinge anfassen und sehen. In Versailles müssen wir sehr viel auf theoretische Weise erarbeiten in Bezug auf die Epoche Ludwig XIV., aber wir verfügen über nur sehr wenige Gegenstände aus der damaligen Zeit. Frankreichs Könige haben beispielsweise die Silbermöbel oder das Silberbesteck Ludwig XIV. eingeschmolzen. Frankreichs Könige haben nichts aufbewahrt, sie sind immer mit der Mode gegangen. Anschließend gab es noch die Französische Revolution, die auch nicht sehr hilfreich war in dieser Beziehung. Das französische Temperament, nichts aufzubewahren, spielt eine große Rolle. Sachsen hingegen hat alles erhalten. Das ist wunderbar."

Gemälde und Zeichnungen der rauschenden Feste am sächsischen Hof, die selbst die Versailler Verrücktheiten in den Schatten stellten, diamantenbesetzte Kleider, Arbeiten aus Kristall und Elfenbein, der "Obeliscus Augustalis", das weltbekannte Meisterwerk der theatralen Barockkunst des Goldschmieds Dinglinger ... Nur die Schätze aus Dresden, mit der August der Starke Ludwig XIV. nacheiferte, ermöglichen es heute, auch einen Teil der wirklichen Versailler Pracht vor Augen zu haben.

Dirk Syndram: "(...)Versailles und Dresden gehören zusammen. In Versailles ist es das Schloss, der Geist Ludwig XIV., die sich hier erhalten haben. In Dresden sind es die Sammlungen, in denen sich der Geist August des Starken erhalten hat. Beides zusammen machen eigentlich die damalige Epoche aus. Hier können wir sehen, wie schön beide Kulturen sich ergänzen, um etwas wieder zu beleben und etwas erkennbar zu machen, was vollkommen vergangen schien, aber hier wenigstens für drei Monate wieder Realität ist."

Über die ästhetische Seite hinaus wird sich durch die Ausstellung der französische Blick auf Dresden und Deutschland insgesamt verändern, gibt sich die französische Kuratorin Béatrix Saule zuversichtlich:
"Das ist wirklich eines der Ziele dieser Ausstellung. Wir wollen zeigen, dass Dresden nicht nur diese Märtyrerstadt ist, die wir hier in Frankreich vor Augen haben. ... Wir sehen, wie sich der sächsische Hof damals amüsierte. Es gab eine Extravaganz und eine überschäumende Kreativität, die man normalerweise vom deutschen Temperament nicht erwartet. Das ist interessant, gegen diese Vorstellung einer gewissen Strenge und Nüchternheit anzugehen."

Wer auch diesen "Staatsbesuch" von August dem Starken bei Ludwig XIV. politisch interpretieren will - innerhalb der heutigen deutsch-französischen Beziehungen -, dem bietet ein außerordentlich verziertes und geschmücktes Pferdegespann Gelegenheit dazu. Kulturaustausch als Allegorie politischer Verhältnisse kommentiert Kurator Dirk Syndram:
"Als Denkmal schon fast der sächsisch- bzw. deutsch-französischen Freundschaft sehen sie hier einen Schlitten, wobei das Schlittenzeug aus Dresden stammt und der Schlitten selbst aus Versailles. (...) Es bildet also einen gesamten barocken Schlitten, wie sie ihn in dieser Form nirgendwo mehr sehen können. Es ist so etwas Ähnliches wie das Denkmal der deutsch-französischen Freundschaft, wobei man eben darüber streiten kann, wer jetzt führt und wer nun eben mitgezogen wird…"