Dresdner haben "das Recht, sich auf die Straße zu setzen"
Der Grünen-Abgeordnete im sächsischen Landtag Johannes Lichdi wünscht sich, dass die Polizei die Grundrechte gerade auch der Gegendemonstranten gegen die Nazis unterstütze. So sei eine Blockade eine Grundrechtsausübung, die unter dem Schutz des Grundgesetzes stehe.
Katrin Heise: Auch am heutigen 13. Februar wird mit Fackelzügen von Neonazis in Dresden gerechnet. Im vergangenen Jahr waren es mehrere Tausend, die das Gedenken an die Bombenangriffe auf Dresden für einen Großauftrag missbrauchten. Dagegen protestierten ebenfalls mehrere Tausend Gegendemonstranten, auch mit Sitzblockaden. Wie bereits ein Jahr zuvor verhinderten sie damit den Zug der Rechtsextremen.
Die Polizei wollte ein Zusammentreffen beider Lager verhindern, das funktionierte aber nicht, es kam zu Ausschreitungen mit mehr als 100 verletzten Polizisten und dafür machten die Behörden im Nachhinein auch die Blockierer verantwortlich und belangten Gegendemonstranten und Teilnehmer der Blockaden juristisch. Über die Konsequenzen die Neonaziblockierer zu tragen hatten berichtet die Journalistin Claudia Altmann.
Der Grünen-Abgeordnete im sächsischen Landtag Johannes Lichdi ist gleichzeitig Rechtsanwalt und hat in der Bürgerrechtsorganisation Grundrechtekomitee einen Bericht zu diesen Vorfällen herausgebracht. Herr Lichdi, ich grüße Sie, guten Morgen!
Johannes Lichdi: Guten Morgen aus Dresden!
Heise: Sie haben in der sogenannten unabhängigen Kommission mitgearbeitet und verfolgen auch parlamentarisch die Aufarbeitung des letzten Jahres. Wie viele Verfahren laufen denn eigentlich noch aufgrund der Vorfälle der Blockaden im vergangenen Jahr?
Lichdi: Die letzte Berichterstattung des Justizministers im Rechtsausschuss letzte Woche hat erbracht, dass 462 Verfahren, also gegen 462 Personen, eingeleitet wurden. Von denen laufen ungefähr noch knapp 400.
Heise: Warum eigentlich wird gegen Blockierer in dieser Form vorgegangen? Ist Blockade denn kein legitimes Demonstrationsmittel? Da unterscheidet sich Sachsen von anderen Bundesländern, oder?
Lichdi: Das ist richtig. Diese massive Verfolgung nach Paragraf 21 des Versammlungsgesetzes ist wohl einzigartig in Deutschland. Also, uns sind keine weiteren Fälle und schon gar nicht in dieser Masse bekannt geworden. Die Staatsregierung und die sächsische Staatsanwaltschaft in Dresden unterliegt hier meines Erachtens einem Rechtsirrtum, sie geht nämlich davon aus, dass eine friedliche Platzbesetzung, wie man eine Blockade vielleicht besser nennen kann, dass das auch keine Grundrechtsausübung ist.
Tatsächlich ist es aber eine Grundrechtsausübung, die unter dem Schutz des Artikel acht des Grundgesetzes steht. Denn jeder Bürger hat das Recht, das Thema seiner Versammlung selbst zu wählen und auch den Ort zu wählen, an dem er dieses Thema zum Ausdruck bringen möchte. Und hier wollten eben die Dresdnerinnen und Dresdner gegen den Nazi-Aufmarsch protestieren und deswegen haben sie auch das Recht, sich auf die Straße zu setzen. Allerdings sieht die Staatsanwaltschaft Dresden von Vornherein jedes Sich-Begeben auf eine Straße als Straftat an und verweigert eben von Vornherein den Schutz des Artikels acht. Und das ist auch mit der Rechtssprechung, soweit ich sie sehe, nicht vereinbar.
Heise: Darüber wird ja wahrscheinlich auch noch verhandelt in Dresden, im Landtag. Sagen Sie, Sie haben jetzt von friedlichen Gegendemonstrationen gesprochen. Es wurde aber nicht nur friedlich demonstriert, es kam ja auch zur Ausschreitung.
Lichdi: Ja, es kam leider zu Ausschreitungen und die Ausschreitungen haben dem Bündnis Dresden Nazifrei wohl am meisten geschadet in der öffentlichen Wahrnehmung. Allerdings kam es bei den Platzbesetzungen oder bei den Blockaden eben gerade nicht zu Ausschreitungen oder zu Gewalttätigkeiten, dort kam es eben nicht zu Steinwürfen auf die Polizei oder, dass Barrikaden angebrannt wurden. Das war alles außerhalb der Platzbesetzungen.
Und genau darin besteht eben diese öffentliche Kriminalisierung, dass eben maßgebliche Kreise der Staatsregierung so tun, als ob eben die friedlichen Platzbesetzer identisch wären und der gleiche Personenkreis wäre wie die, die tatsächlich Gewalt ausgeübt haben.
Heise: Also ist immer wieder zu lesen und man kann durchaus wahrscheinlich davon sprechen, dass Blockierer kriminalisiert werden. Die ganze Sache hat ja noch einen anderen Aspekt, wie wir auch gerade gehört haben, diese Tausende von Handydaten, die sogenannte Funkzellenabfrage, die erhoben wurde: Der sächsische Datenschutzbeauftragte hat das bemängelt, ist dafür teilweise ... Er hat das für rechtswidrig erklärt und wurde dafür hart angegangen, es gab sehr viel Streit und Kontroverse. Man wird das Gefühl irgendwie nicht los, dass da Demokraten gegen Demokraten kämpfen und die Rechtsextremen dabei aus den Augen verloren werden?
Lichdi: Ja, den Eindruck kann man tatsächlich bekommen. Wir würden uns natürlich wünschen, dass die Staatsregierung und die Polizei die Grundrechtsausübung gerade auch der Gegendemonstranten gegen die Nazis unterstützt. Das ist auch ihre Rechtspflicht. Andererseits hat man aber den Eindruck, dass die Staatsregierung möglicherweise lieber einen Nazi-Aufmarsch erträgt als die Gegenaktion dazu zu unterstützen.
Allerdings muss man auch sagen, dass sich in diesem Jahr aufgrund des öffentlichen Drucks auch gerade aus Dresden, aber auch aus ganz Deutschland, die Position der Staatsregierung und der Polizei leicht verändert hat: Jetzt wird das Grundrecht auf Protest in Sicht- und Hörweite nicht mehr abgestritten, sondern Herr Ministerpräsident Tillich und Innenminister Ulbig rufen sogar dazu auf. Das wäre vor einem Jahr noch undenkbar gewesen.
Heise: Sie rufen vor allem zu dieser Menschenkette auf.
Lichdi: Sie rufen zu der Menschenkette auf, wie wir Grüne auch, wie alle politischen Parteien auch. Aber sie bekennen sich jetzt auch zum Recht der Gegendemonstranten auf Protest in Sicht- und Hörweite. Und das sollte ja in den letzten Jahren durch dieses unsägliche Trennungsgebot ja gerade verhindert werden, als die Polizeistrategie darauf ausgerichtet war, alle gegen, Antinazis nördlich der Elbe und die Nazis dann südlich der Elbe in der Innenstadt. Und dieses fatale Trennungskonzept war ja nach dem Ergebnis der Untersuchungskommission massiv mit ursächlich für die Ausschreitungen, die dann tatsächlich stattgefunden haben.
Heise: Mit dem sächsischen Landtagsabgeordneten der Grünen Johannes Lichdi spreche ich über die rechten Aufmärsche in Dresden jedes Jahr am 13 Februar, am Tag der Bombardierung Dresdens, und die Schwierigkeiten der Gegendemonstranten. Wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Lichdi, sind diese Schwierigkeiten jetzt für dieses Jahr ein bisschen eingedämmt, das heißt, man ist aufeinander zugegangen. Wird die Gegendemonstration deswegen weniger eingeschränkt sein können?
Lichdi: Ich kann tatsächlich ein Aufeinander-Zugehen erkennen. Nachdem zunächst der Polizeipräsident Kroll von Dresden gesagt hat, ich werde auch bei Minustemperaturen Wasserwerfer einsetzen, klang das am Sonnabend in der Zeitung schon etwas anders. Also, hier sehe ich durchaus ein Bemühen auch der sächsischen Polizei, zu deeskalieren. Allerdings müssen wir den heutigen Tag abwarten, ob wir dem vertrauen können oder nicht.
Heise: Wie haben Sie denn die Debatte im Landtag verfolgt darüber? Ich habe ja erwähnt, dass beispielsweise der Datenschutzbeauftragte scharf angegangen worden ist für seine Kritik beziehungsweise für die Äußerung, dass die Handy-Datenerhebung unrechtmäßig gewesen sei. Also, gerade also ... Die Diskussion, mit wie viel Augenmaß ist sie geführt worden?
Lichdi: Wir unterstützen natürlich den sächsischen Datenschutzbeauftragten in seiner Analyse. Es ist vollkommen richtig, dass natürlich diese flächendeckende Funkzellenabfrage absolut unverhältnismäßig und rechtswidrig war. Nach allem, was wir wissen, ist es auch eine der größten Funkzellenabfragen, die jemals in Deutschland an einem Tag stattgefunden haben. Wir müssen damit rechnen, dass die gesamte Südvorstadt Dresden, also ein gesamtes Stadtgebiet, über neun Stunden hinweg alle Verkehrsdaten erhoben wurden. Also nicht nur die Verkehrsdaten der Platzbesetzer oder auch der Gewalttäter oder auch der friedlichen Demonstranten, sondern ganz normaler Anwohner, die mit der Demonstration überhaupt nichts zu tun hatten.
Man wollte einen möglichst hohen Datenberg kreieren, um dann mit diesem nachrichtendienstlichen Auswertesystem eFAS - elektronisches Fallanalysesystem heißt das, das kommt aus den Geheimdiensten - eben Sozialprofile zu erstellen. Das ist meine Überzeugung. Man hat hier im Grunde eine Rasterfahndung mit anderen Mitteln versucht und das ist natürlich eine Form der elektronischen Überwachung gerade von Versammlungen, die ja unter dem Grundrechtsschutz stehen, die also offensichtlich rechtswidrig ist. Und ich bedaure sehr, dass sich die Staatsregierung und die Staatsanwaltschaft bisher noch nicht zu dieser Erkenntnis haben durchringen können.
Heise: Man liest in dem Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen die Gegendemonstranten in Sachsen immer wieder von einem sächsischen Problem, von einem Obrigkeitsstaatsvorwurf. Würden Sie den unterstützen?
Lichdi: Das ist dieser Begriff der sächsischen Demokratie, den Wolfgang Thierse geprägt hat. Es ist natürlich ein sehr grobschlächtiger und unscharfer Begriff, aber ich glaube, er meint schon etwas Richtiges. Es sind hier Dinge einfach in den letzten Jahren vorgefallen in Sachsen, nicht nur im Zusammenhang mit dem 13. Februar, sondern auch beispielsweise bei der Verfolgung von Journalisten - ich sage mal das Stichwort Sachsensumpf oder auch bei anderen Fällen -, wo man sich schon fragt, ist denn die Staatsanwaltschaft tatsächlich unabhängig oder vollführt sie denn doch im Grunde die Interessen einer einzelnen Partei, deren Herrschaftsinteressen? Da gibt es einfach viele, viele Vorgänge, die kann man als normal, im normalen Bereich noch interpretieren. Allerdings, in ihrer Häufung geben sie mir schon zur Sorge Anlass.
Heise: Und die diesjährigen Februartage wird man in der Hinsicht wieder beobachten müssen. Der Grünen-Abgeordnete Johannes Lichdi, Rechtsanwalt und in der Bürgerrechtsorganisation Grundrechtekomitee tätig. Vielen Dank, Herr Lichdi, für dieses Gespräch!
Lichdi: Bitte, gern geschehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Die Polizei wollte ein Zusammentreffen beider Lager verhindern, das funktionierte aber nicht, es kam zu Ausschreitungen mit mehr als 100 verletzten Polizisten und dafür machten die Behörden im Nachhinein auch die Blockierer verantwortlich und belangten Gegendemonstranten und Teilnehmer der Blockaden juristisch. Über die Konsequenzen die Neonaziblockierer zu tragen hatten berichtet die Journalistin Claudia Altmann.
Der Grünen-Abgeordnete im sächsischen Landtag Johannes Lichdi ist gleichzeitig Rechtsanwalt und hat in der Bürgerrechtsorganisation Grundrechtekomitee einen Bericht zu diesen Vorfällen herausgebracht. Herr Lichdi, ich grüße Sie, guten Morgen!
Johannes Lichdi: Guten Morgen aus Dresden!
Heise: Sie haben in der sogenannten unabhängigen Kommission mitgearbeitet und verfolgen auch parlamentarisch die Aufarbeitung des letzten Jahres. Wie viele Verfahren laufen denn eigentlich noch aufgrund der Vorfälle der Blockaden im vergangenen Jahr?
Lichdi: Die letzte Berichterstattung des Justizministers im Rechtsausschuss letzte Woche hat erbracht, dass 462 Verfahren, also gegen 462 Personen, eingeleitet wurden. Von denen laufen ungefähr noch knapp 400.
Heise: Warum eigentlich wird gegen Blockierer in dieser Form vorgegangen? Ist Blockade denn kein legitimes Demonstrationsmittel? Da unterscheidet sich Sachsen von anderen Bundesländern, oder?
Lichdi: Das ist richtig. Diese massive Verfolgung nach Paragraf 21 des Versammlungsgesetzes ist wohl einzigartig in Deutschland. Also, uns sind keine weiteren Fälle und schon gar nicht in dieser Masse bekannt geworden. Die Staatsregierung und die sächsische Staatsanwaltschaft in Dresden unterliegt hier meines Erachtens einem Rechtsirrtum, sie geht nämlich davon aus, dass eine friedliche Platzbesetzung, wie man eine Blockade vielleicht besser nennen kann, dass das auch keine Grundrechtsausübung ist.
Tatsächlich ist es aber eine Grundrechtsausübung, die unter dem Schutz des Artikel acht des Grundgesetzes steht. Denn jeder Bürger hat das Recht, das Thema seiner Versammlung selbst zu wählen und auch den Ort zu wählen, an dem er dieses Thema zum Ausdruck bringen möchte. Und hier wollten eben die Dresdnerinnen und Dresdner gegen den Nazi-Aufmarsch protestieren und deswegen haben sie auch das Recht, sich auf die Straße zu setzen. Allerdings sieht die Staatsanwaltschaft Dresden von Vornherein jedes Sich-Begeben auf eine Straße als Straftat an und verweigert eben von Vornherein den Schutz des Artikels acht. Und das ist auch mit der Rechtssprechung, soweit ich sie sehe, nicht vereinbar.
Heise: Darüber wird ja wahrscheinlich auch noch verhandelt in Dresden, im Landtag. Sagen Sie, Sie haben jetzt von friedlichen Gegendemonstrationen gesprochen. Es wurde aber nicht nur friedlich demonstriert, es kam ja auch zur Ausschreitung.
Lichdi: Ja, es kam leider zu Ausschreitungen und die Ausschreitungen haben dem Bündnis Dresden Nazifrei wohl am meisten geschadet in der öffentlichen Wahrnehmung. Allerdings kam es bei den Platzbesetzungen oder bei den Blockaden eben gerade nicht zu Ausschreitungen oder zu Gewalttätigkeiten, dort kam es eben nicht zu Steinwürfen auf die Polizei oder, dass Barrikaden angebrannt wurden. Das war alles außerhalb der Platzbesetzungen.
Und genau darin besteht eben diese öffentliche Kriminalisierung, dass eben maßgebliche Kreise der Staatsregierung so tun, als ob eben die friedlichen Platzbesetzer identisch wären und der gleiche Personenkreis wäre wie die, die tatsächlich Gewalt ausgeübt haben.
Heise: Also ist immer wieder zu lesen und man kann durchaus wahrscheinlich davon sprechen, dass Blockierer kriminalisiert werden. Die ganze Sache hat ja noch einen anderen Aspekt, wie wir auch gerade gehört haben, diese Tausende von Handydaten, die sogenannte Funkzellenabfrage, die erhoben wurde: Der sächsische Datenschutzbeauftragte hat das bemängelt, ist dafür teilweise ... Er hat das für rechtswidrig erklärt und wurde dafür hart angegangen, es gab sehr viel Streit und Kontroverse. Man wird das Gefühl irgendwie nicht los, dass da Demokraten gegen Demokraten kämpfen und die Rechtsextremen dabei aus den Augen verloren werden?
Lichdi: Ja, den Eindruck kann man tatsächlich bekommen. Wir würden uns natürlich wünschen, dass die Staatsregierung und die Polizei die Grundrechtsausübung gerade auch der Gegendemonstranten gegen die Nazis unterstützt. Das ist auch ihre Rechtspflicht. Andererseits hat man aber den Eindruck, dass die Staatsregierung möglicherweise lieber einen Nazi-Aufmarsch erträgt als die Gegenaktion dazu zu unterstützen.
Allerdings muss man auch sagen, dass sich in diesem Jahr aufgrund des öffentlichen Drucks auch gerade aus Dresden, aber auch aus ganz Deutschland, die Position der Staatsregierung und der Polizei leicht verändert hat: Jetzt wird das Grundrecht auf Protest in Sicht- und Hörweite nicht mehr abgestritten, sondern Herr Ministerpräsident Tillich und Innenminister Ulbig rufen sogar dazu auf. Das wäre vor einem Jahr noch undenkbar gewesen.
Heise: Sie rufen vor allem zu dieser Menschenkette auf.
Lichdi: Sie rufen zu der Menschenkette auf, wie wir Grüne auch, wie alle politischen Parteien auch. Aber sie bekennen sich jetzt auch zum Recht der Gegendemonstranten auf Protest in Sicht- und Hörweite. Und das sollte ja in den letzten Jahren durch dieses unsägliche Trennungsgebot ja gerade verhindert werden, als die Polizeistrategie darauf ausgerichtet war, alle gegen, Antinazis nördlich der Elbe und die Nazis dann südlich der Elbe in der Innenstadt. Und dieses fatale Trennungskonzept war ja nach dem Ergebnis der Untersuchungskommission massiv mit ursächlich für die Ausschreitungen, die dann tatsächlich stattgefunden haben.
Heise: Mit dem sächsischen Landtagsabgeordneten der Grünen Johannes Lichdi spreche ich über die rechten Aufmärsche in Dresden jedes Jahr am 13 Februar, am Tag der Bombardierung Dresdens, und die Schwierigkeiten der Gegendemonstranten. Wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Lichdi, sind diese Schwierigkeiten jetzt für dieses Jahr ein bisschen eingedämmt, das heißt, man ist aufeinander zugegangen. Wird die Gegendemonstration deswegen weniger eingeschränkt sein können?
Lichdi: Ich kann tatsächlich ein Aufeinander-Zugehen erkennen. Nachdem zunächst der Polizeipräsident Kroll von Dresden gesagt hat, ich werde auch bei Minustemperaturen Wasserwerfer einsetzen, klang das am Sonnabend in der Zeitung schon etwas anders. Also, hier sehe ich durchaus ein Bemühen auch der sächsischen Polizei, zu deeskalieren. Allerdings müssen wir den heutigen Tag abwarten, ob wir dem vertrauen können oder nicht.
Heise: Wie haben Sie denn die Debatte im Landtag verfolgt darüber? Ich habe ja erwähnt, dass beispielsweise der Datenschutzbeauftragte scharf angegangen worden ist für seine Kritik beziehungsweise für die Äußerung, dass die Handy-Datenerhebung unrechtmäßig gewesen sei. Also, gerade also ... Die Diskussion, mit wie viel Augenmaß ist sie geführt worden?
Lichdi: Wir unterstützen natürlich den sächsischen Datenschutzbeauftragten in seiner Analyse. Es ist vollkommen richtig, dass natürlich diese flächendeckende Funkzellenabfrage absolut unverhältnismäßig und rechtswidrig war. Nach allem, was wir wissen, ist es auch eine der größten Funkzellenabfragen, die jemals in Deutschland an einem Tag stattgefunden haben. Wir müssen damit rechnen, dass die gesamte Südvorstadt Dresden, also ein gesamtes Stadtgebiet, über neun Stunden hinweg alle Verkehrsdaten erhoben wurden. Also nicht nur die Verkehrsdaten der Platzbesetzer oder auch der Gewalttäter oder auch der friedlichen Demonstranten, sondern ganz normaler Anwohner, die mit der Demonstration überhaupt nichts zu tun hatten.
Man wollte einen möglichst hohen Datenberg kreieren, um dann mit diesem nachrichtendienstlichen Auswertesystem eFAS - elektronisches Fallanalysesystem heißt das, das kommt aus den Geheimdiensten - eben Sozialprofile zu erstellen. Das ist meine Überzeugung. Man hat hier im Grunde eine Rasterfahndung mit anderen Mitteln versucht und das ist natürlich eine Form der elektronischen Überwachung gerade von Versammlungen, die ja unter dem Grundrechtsschutz stehen, die also offensichtlich rechtswidrig ist. Und ich bedaure sehr, dass sich die Staatsregierung und die Staatsanwaltschaft bisher noch nicht zu dieser Erkenntnis haben durchringen können.
Heise: Man liest in dem Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen die Gegendemonstranten in Sachsen immer wieder von einem sächsischen Problem, von einem Obrigkeitsstaatsvorwurf. Würden Sie den unterstützen?
Lichdi: Das ist dieser Begriff der sächsischen Demokratie, den Wolfgang Thierse geprägt hat. Es ist natürlich ein sehr grobschlächtiger und unscharfer Begriff, aber ich glaube, er meint schon etwas Richtiges. Es sind hier Dinge einfach in den letzten Jahren vorgefallen in Sachsen, nicht nur im Zusammenhang mit dem 13. Februar, sondern auch beispielsweise bei der Verfolgung von Journalisten - ich sage mal das Stichwort Sachsensumpf oder auch bei anderen Fällen -, wo man sich schon fragt, ist denn die Staatsanwaltschaft tatsächlich unabhängig oder vollführt sie denn doch im Grunde die Interessen einer einzelnen Partei, deren Herrschaftsinteressen? Da gibt es einfach viele, viele Vorgänge, die kann man als normal, im normalen Bereich noch interpretieren. Allerdings, in ihrer Häufung geben sie mir schon zur Sorge Anlass.
Heise: Und die diesjährigen Februartage wird man in der Hinsicht wieder beobachten müssen. Der Grünen-Abgeordnete Johannes Lichdi, Rechtsanwalt und in der Bürgerrechtsorganisation Grundrechtekomitee tätig. Vielen Dank, Herr Lichdi, für dieses Gespräch!
Lichdi: Bitte, gern geschehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.