Die "Drive Thru"-Ausstellung des Museums Boijmans Van Beuningen ist noch bis zum 23. August in den Rotterdamer Messehallen Ahoy zu erleben.
Im Elektroauto zwischen Kunstobjekten
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Während das Museum Boijmans van Beuningen umgebaut wird, sind 40 Klassiker der Sammlung im Messezentrum in Rotterdam zu sehen - in einer atmosphärisch dichten "Drive thru“-Ausstellung. Erklärungen zu den Werken kommen aus dem Autoradio.
Ohne Hände desinfizieren geht es nicht – auch nicht bei der "Drive Thru"-Ausstellung des Rotterdamer Museums Boijmans Van Beuningen. Erst dann dürfen wir auf den Parkplatz vor der Messehalle, wo 30 kleine Elektroautos bereitstehen. "Schon mal Automatik gefahren?", fragt Tim, der die Besucher draußen erst eine kleine Testrunde drehen lässt. Höchstgeschwindigkeit sind fünf Kilometer pro Stunde. Nicht überschreiten, sonst ertönt ein Warnsignal.
Der Ausgang wird flankiert von zwei riesigen Grizzlybären – eine Videoarbeit der Niederländerin Marijke van Warmerdam. "Damit ihr wieder rausfindet", lacht Tim. "Und nicht vergessen, das Licht anzumachen, damit ihr etwas seht!"
Spaß trotz Corona
Die meisten der 40 gezeigten Kunstwerke sind Klassiker der Sammlung, die wegen Umbauarbeiten nicht im Museum gezeigt werden kann. "Wir hatten so viel Lust, in Zeiten von Corona etwas zu tun, was Spaß macht und positive Energie erzeugt", sagt Direktor Sjarel Ex. "Kunst darf sich nicht einschränken lassen. Wir hatten den Ehrgeiz, zu zeigen, was alles möglich ist - in Zeiten, wo vieles unmöglich geworden ist."
Thema ist die Konfrontation von Mensch und Natur. Die erste findet gleich zu Beginn statt, wenn die Autos in einem schwarzen Tunnel verschwinden: Schon nach wenigen Metern versperrt Oskar Kokoschkas "Mandrill" den Weg - jener berühmte Affe, den der Künstler 1926 in einem Londoner Zoo malte und der, angeleuchtet von den Scheinwerfern, plötzlich aus dem Dunkel auftaucht, grellblau und grün. Mit entblößten Zähnen schaut er den Betrachter grimmig an.
Kunstwerke erscheinen in neuem Licht
Rechts hinter ihm wird der Blick auf die dunkle Messehalle frei – so groß wie zwei Fußballfelder. An den Wänden hängen großformatige Gemälde, an der Decke Installationen. Mal ein buntes Flugzeug von Panamarenko, mal eine riesige Pyramide des Niederländers Bas van Beek. Dazwischen gigantische LCD-Bildschirme: Videokunst von Bruce Nauman.
Oder von Jeroen Eisinga: Er ist mit seinem berühmten Schwarz-Weiß-Video "Springtime" vertreten, auf dem er selbst zu sehen ist, wie er langsam von einem Bienenschwarm bedeckt wird. Gruselig. Und in dieser ungewöhnlichen Umgebung irgendwie noch ausdrucksstärker als sonst - findet auch der Autofahrer, der neben uns die Scheibe heruntergelassen hat.
"Sehr außergewöhnlich. Eine ganz seltsame, ganz besondere Atmosphäre ist das hier. Man wird Teil der Kunst - mehr als im Museum. Das habe ich so noch nie erlebt."
Denn in dieser für sie neuen Umgebung erscheinen auch die Kunstwerke selbst in buchstäblich neuem Licht. Und es ist still. Sehr still sogar. Keine Schritte und kein Stimmengewirr wie im Museum, konstatiert dieser Besucher. "Ich habe mehr Lärm erwartet, aber Elektroautos sind natürlich ganz leise."
Es sei denn, plötzlich taucht links ein Autofahrer auf und nimmt einem die Vorfahrt. Auch das Autoradio kann die Stille brechen. Wer es anmacht, erfährt alles über die gezeigten Kunstwerke. Eine Art verkappte Audiotour. Man kann allerdings auch einfach Musik hören.
Neue Plattform für Ausstellungen
Auf der Tribüne am anderen Ende der Halle sitzt Leon mit seinen Kollegen und begutachtet sein Werk. Er gehört zum Aufbauteam. Normalerweise arbeitet Leon in fünf Meter hohen Museumssälen mit Tageslicht. Hier hatte er es mit 13 Metern Höhe zu tun, mit einer Länge von 140 Metern und einer Breite von 70.
Leon hat auch schon festgestellt, was das mit den Kunstwerken macht: Sie erscheinen auf einmal sehr viel kleiner. Bestes Beispiel: die gebogene Schraube von Claes Oldenburg, ein monumentales Werk, das normalerweise im Rotterdamer Museumspark steht und in dieser neuen Umgebung wie geschrumpft aussieht, dabei ist die Schraube nach wie vor fast vier Meter hoch. Man kann unter ihr durchfahren – was wir zum Abschluss auch tun.
Um die Ausstellung dann zwischen den beiden unübersehbaren Grizzly-Bären hindurch wieder zu verlassen. Draußen erwartet uns ein zufriedener Museumsdirektor Sjarel Ex. "Wir haben auf spielerische Weise eine neue Plattform für Ausstellungen entdeckt. Jahrelang haben wir als Museum nur eine Sprache benutzt, um Kunst zu vermitteln. Aber es gibt viele Sprachen, nicht nur die der sechs mal sechs Meter großen Museumssäle."