DRK-Suchdienst wird 70 Jahre alt

50 Millionen Schicksale in einer Kartei

Spediteure bereiten zahlreiche Akten in der zentralen Namenskartei (ZNK) am 01.04.2014 im Archiv des DRK-Suchdienstes in München für den Umzug nach Hamburg vor.
2014 ist die Zentrale Namenskartei (ZNK) des DRK-Suchdienstes von München nach Hamburg umgezogen. © dpa / Marc Müller
Von Dietrich Mohaupt |
Das Deutsche Rote Kreuz ist der wichtigste Partner bei der Suche nach Angehörigen. 1945 für die Vermissten des Zweiten Weltkriegs gegründet, geht es heute um Familienzusammenführung im weitesten Sinne. In der zentralen Kartei in Hamburg lagern die Daten von 50 Millionen Menschen.
Langsam setzt sich der alte Aufzug in Bewegung – es geht abwärts, in den Keller. Kirsten Bollin, Leiterin der Hamburger Außenstelle des Suchdienstes im Deutschen Roten Kreuz, schließt eine schwere Brandschutztür aus Stahl auf. Dahinter ist in einem großen gewölbeartigen Raum das Gedächtnis des DRK-Suchdienstes eingelagert – in dem Raum stehen reihenweise Regale voller Kästen mit Karteikarten.
„Da stecken die Schicksale von ungefähr 50 Millionen Menschen drin, das sind ungefähr 35.000 Kästen mit postkartengroßen Karteikarten – und wir können uns jetzt gerne mal eine Kiste da rausnehmen und versuchen mal zu erklären, welche Daten denn auf diesen Karteikarten erfasst worden sind.“
Das übernimmt Katrin Blankenburg, sie leitet in Hamburg den Fachbereich Familienzusammenführung. Aus einer ganzen Reihe Karteikästen mit dem Buchstaben „A“ greift sie sich einen heraus.
„Ja – dann holen wir uns mal einen, der schön oben drauf liegt, bei der Menge ist das schon mal von Vorteil. Schön abgedeckt, staubgeschützt – und dann sieht man schon, dass es einfach einen Nachnamen tausendfach gibt, und wir suchen jetzt einen Stefan, der ganz hinten ist.“
Erste Anfänge in Flensburg nach dem Krieg
Stefan A. – aus Datenschutzgründen darf der vollständige Nachname nicht veröffentlicht werden – geboren 1924, vermisst seit Mai 1944. Auf einer abgegriffenen, etwas vergilbten Karteikarte stehen die persönlichen Daten eines jungen Mannes. Diese heute eher unansehnlichen Karteikarten waren kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs Anfang Mai 1945 ein echter Glücksfall für den DRK –Suchdienst. Angefangen hatte nämlich alles in Flensburg unter schwierigen Bedingungen. Die Wehrmachtsoffiziere Helmut Schelsky und Kurt Wagner hatten in den letzten Kriegstagen das „Rotkreuz-Flüchtlingshilfswerk, Ermittlungsdienst, Suchkartei“ ins Leben gerufen. Die Stadt an der Förde war damals voller Flüchtlinge und Vertriebener, es herrschte ein unüberschaubares Chaos – an Litfaßsäulen, Hauswänden und Laternen hingen handgeschriebene Zettel, manchmal mit Foto: „Gesucht wird…“ oder einfach nur der Hinweis „Familie lebt“. In diesem Chaos richteten die beiden Offiziere anhand von Listen registrierter Flüchtlinge eine erste Dienststelle des Suchdienstes ein – mit einfachsten Mitteln, betont Kirsten Bollin.
„Die ersten Monate in Flensburg, da haben die wirklich auf Zettel jeder Größe das aufgeschrieben, was ihnen erzählt wurde. Die haben aber Glück gehabt, haben schon nach zwei oder drei Monaten in Flensburg Karteikästen gespendet bekommen und haben dann diese Karteikarten genutzt, um kontinuierlich zu erfassen – oder strukturierter zu erfassen. Und im Laufe der Zeit hat sich dann daraus ein System entwickelt, was man braucht um suchen zu können und hat die Kriterien dann verfeinert.“
Fünf Tonnen Karteikartenkarton stellte damals eine Flensburger Firma kostenlos zur Verfügung – damit konnte dann schon viel besser gearbeitet werden als mit losen Zetteln. Kurz darauf zog der Flensburger Suchdienst um nach Hamburg, Anfang 1950 wurden schließlich rund 9.000 Karteikästen mit etwa 11 Millionen Karteikarten nach München transportiert, wo bis heute u.a. die Suche nach Vermissten und Verschollenen des 2. Weltkriegs weitergeführt wird. Die Millionen von Karteikarten sind inzwischen allerdings in einer Datenbank erfasst und für die weitere Bearbeitung am Computer aufbereitet worden – die Originale liegen seit gut 1 Jahr wieder im Keller des Hamburger DRK-Suchdienstes. Die Karteikarten sind zum Teil mit Schreibmaschine, teilweise aber auch handschriftlich ausgefüllt. Für jede Suche gibt es grundsätzlich zwei Karten, auf denen möglichst viele persönliche Daten erfasst wurden, erläutert Kirsten Bollin.
„Einmal desjenigen, nach dem gesucht wird – alle Angaben, die der Suchende in Erinnerung hat, über die er berichten kann. Also Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsort, letzter Wohnsitz, wo er z.B. als Soldat stationiert gewesen ist, die Bezeichnung der Einheit – eben alles, woran man sich noch erinnern kann.“
Auch Bundeskanzler Adenauer warb für den Suchdienst
Genauso penibel wurden alle persönlichen Daten des oder der Suchenden notiert – auf einer zweiten Karteikarte. Im März 1950 hatte Bundeskanzler Konrad Adenauer alle Bürger Westdeutschlands dazu aufgerufen, ihre Vermissten registrieren zu lassen – damals gingen täglich bis zu 40.000 Anfragen beim Suchdienst in München ein. Im Fall des vermissten Grenadiers Stefan A. hatte sich die Schwester 1950 gemeldet, erzählt Katrin Brandenburg.
„Sie hat angegeben, dass die letzte eigene Nachricht von dem Betreffenden im Mai 1944 aus Rumänien gekommen ist, das aber eine Nachricht über Dritte – das heißt also, irgendjemand hat berichtet über denjenigen – könnte also aus der Kriegsgefangenschaft oder einem Lager gewesen sein, dass die gekommen ist Anfang 1946 von der Krim/Russland. Im Mai '44 mit dem Flugzeug von Rumänien zur Krim geflogen – und mehr ist nicht bekannt, zu diesem Zeitpunkt.“
Die beiden Karten sind ein Teil des Flensburger Suchsystems – der zweite Teil kam jeweils dazu, wenn irgendwo in Deutschland ein Gesuchter auftauchte und ebenfalls zwei Karteikarten ausfüllte. Sämtliche Karten wurden in der Zentrale in München zusammengeführt – dabei konnten sich dann die des Suchenden und des Gesuchten begegnen, der Fall war dann gelöst. Oft genug lieferte die Suche aber auch ein anderes Ergebnis – im Sommer 1994 erhielt ein Bruder des Vermissten Grenadiers Stefan A. vom DRK-Suchdienst eine Mitteilung.
„Also – der Gesuchte hier ist auf der Krim in Kriegsgefangenschaft geraten und dann auch während der Kriegsgefangenschaft verstorben. Es gibt da aus dem Lager entsprechende Unterlagen, wo eben alles genau erfasst wurde – bis hin zur Todesursache.“
Aufklärung des Schicksals eines Vermissten nach Jahrzehnten der Ungewissheit – trotz der Todesnachricht für Angehörige häufig ein gewisser Trost. Ganz anders endete die Suche nach dem eigenen Vater für Manfred Künkel. Der 76jährige gebürtige Berliner lebt heute in der Gemeinde Trappenkamp bei Bad Segeberg in Schleswig-Holstein. Als 5jähriger Junge war er 1943 mit seiner Mutter und mehreren Geschwistern aus Berlin vor den regelmäßigen Bombenangriffen ins heute polnische Landsberg an der Warthe geflohen.
„Ja – wo soll man da jetzt anfangen zu suchen?“
Manfred Künkel kramt in einem Schuhkarton voller alter Fotos – und wird nach kurzer Suche fündig.
„So – hier habe ich ein Bild, das ist tatsächlich interessant. Das sind meine Geschwister – das ist in Landsberg aufgenommen worden. Das ist noch einmal meine Mutter mit mir…“
Im ersten Nachkriegswinter 1945/46 kehrte die Familie in das völlig zerstörte Berlin zurück – vom Vater hatten sie zu diesem Zeitpunkt schon seit ein paar Jahren nichts gehört.
„Wir wussten tatsächlich absolut gar nichts. Wir wussten also auch nicht, wo er ist, ob in Frankreich, in Russland oder sonst irgendwo – da haben wir auch keine Nachrichten, keine Post, gar nichts bekommen. Und als wir dann in Berlin waren – ich weiß heute natürlich nicht mehr genau, wann meine Mutter dann mal zum DRK-Suchdienst gegangen ist, es muss irgendwann gewesen sein – denke ich mal – im Jahr 1946.“
Mit gut 7 Jahren war Manfred Künkel damals das älteste Kind der Familie, Erinnerungen an den Vater hatte er kaum – der war schließlich schon seit Kriegsbeginn Soldat.
„Wir Kinder haben aus meiner Erinnerung natürlich nicht groß nach dem Vater gefragt – wir kannten ihn ja praktisch gar nicht. Aber … klar, dass meine Mutter wissen wollte: Wo steckt mein Mann, was ist mit ihm, gibt es ihn noch oder ist er auch gefallen oder was auch immer? Sicherlich wird meine Mutter auch irgendwo erfahren haben – Rundfunk hatten wir noch gar nicht z der Zeit – dass es diesen Suchdienst eben gibt. Später haben wir es ja selbst immer wieder gehört – das ging ja über Stunden über den Rundfunk, dass eben die Suchmeldungen durchgegeben wurden.“
Rundfunkmeldung Suchdienst
„Gilica, Manfred – geboren 22.04. '42 in Königsberg, letzte Heimatanschrift: Heuhausen, Ostpreußen. / Der Soldat Fritz Unruh – geboren am 17.08.1907 sucht seine Frau Martha Unruh aus Schoschen, Kreis Heiligenbeil. / Sie hörten den Suchdienst – wir bitten die Hörer, die Auskunft….“
Millionen Deutsche waren damals auf der Suche nach Angehörigen – beim DRK-Suchdienst herrschte schon großer Andrang, seine Mutter habe später immer wieder erzählt, wie sie versucht habe, etwas über den Vater in Erfahrung zu bringen, berichtet Manfred Künkel.
„Ja, sie hat denn auch erzählt, dass sie dann da sitzen musste und dann Fragebogen ausfüllen musste. Das war dann auch ganz einfach alles, das war irgendwo in einer mehr oder weniger kaputten, leeren Wohnung, wo dann die Rot-Kreuz-Damen saßen und das aufgenommen haben.“
Was die Künkels in Berlin nicht ahnen konnten – wohl in etwa zur gleichen Zeit meldete sich auch der vermisste Vater der Familie beim Roten Kreuz. Kurz zuvor war er aus englischer Kriegsgefangenschaft entlassen und nach Bielefeld gebracht worden, wo er in einer Einrichtung für geistig Behinderte arbeiteten sollte.
„Mein Vater war von den Engländern dienstverpflichtet worden nach Bethel in die Bodelschwinghschen Anstalten und hat dort dann auch einen Antrag gestellt. Er war ja ein freier Mann, und er wusste ja nun gar nichts von uns – wie gesagt, bei Kriegsende waren wir in Landsberg an der Warthe, das hat er natürlich in Bethel auch erfahren, dass die Polen in Landsberg die Deutschen vertrieben haben – ja, und da wusste er nun auch nicht, wo sind die nun abgeblieben? Irgendwann muss die Kartei, also die Suchanzeige, die mein Vater aufgegeben hat, die muss offensichtlich erfolgreicher gewesen sein, als die, die meine Mutter aufgegeben hat – denn mein Vater hat uns zuerst gefunden.“
Die Familie Künkel hatte Glück – lange musste sie nicht auf das Wiedersehen warten. Der Vater erhielt schon bald die erhoffte Auskunft über den Verbleib von Frau und Kindern und die Behörden in der britischen Besatzungszone erlaubten ihm die Reise nach Berlin.
„Was ich noch weiß ist … es klingelte und dann stand da ein Mann vor der Tür – mit einer Aktentasche unter dem Arm, das war ja alles was er hatte. Da stand also ein Mann und der hat mir also nicht gesagt: „Ich bin dein Vater“ oder ich habe auch nicht gesagt „Bist du etwa Papa?“, sondern ich habe meine Mutter geholt – das ist ein Mann – und dann kam der auch rein und dann gab es auch fürchterliche Tränen und, und, und …. und, ja, wir Kinder, wir standen im Grunde genommen dabei, sehr betreten – weil, tja – was will der nun von uns…“
Bis 1948 schon 2,5 Millionen Menschen wieder zusammengeführt
Irgendwo im Keller des DRK-Suchdienstes in Hamburg liegen noch heute die Karteikarten, die Manfred Künkels Vater nach dem Krieg wieder mit seiner Familie zusammengeführt haben.
„Was für mich heute noch immer unvorstellbar ist – dass die tatsächlich die zusammen gekriegt haben. Das waren solche großen Karten, etwas dickeres Papier oder Pappe – das ist unwahrscheinlich.“
Und doch hat allein der Hamburger Suchdienst in den ersten drei Jahren nach Kriegsende etwa 2,5 Millionen Menschen, die einander verloren hatten, wieder zusammengeführt. Auch wenn heute die Suche nach Vermissten oder Verschollenen des zweiten Weltkriegs per Computer erfolgt – die alten Karteikarten werden wohl als Zeitdokumente erhalten bleiben, meint Katrin Blankenburg.
„Das wird sicherlich irgendwann vom Bundesarchiv übernommen werden – denke ich mal – weil, das ist eben wirklich historisch. Das ist eine Kartei, die ist einfach einmalig, und die wird sicherlich aufbewahrt werden – davon gehen wir aus. Solange bis das Bundesarchiv entsprechend das übernehmen kann liegt das hier, und wir sind auch sehr glücklich darüber, dass wir das alles noch haben. Auch bei einer digitalisierten Karte können Sie es mal haben, dass Sie etwas nicht genau lesen können – dann wird noch einmal nachgeguckt auf der Originalkarte, ob jeder kleine Stempel auch lesbar ist. Von daher ist das immer von Vorteil.“
Ein ganz wesentlicher Teil des Suchdienstes in Hamburg war der Kindersuchdienst.
Anfang 1946 waren in Deutschland rund 300.000 Fälle registriert, bei denen Mütter ihre Kinder suchten oder umgekehrt die Angehörigen von verlassen aufgefunden Kindern ermittelt werden sollten. Im seinem Kieler Büro blättert der Sprecher des schleswig-holsteinischen DRK-Landesverbandes, Paul Herholz, in einem Bildband mit Kinderfotos – hinter jedem steckt ein Schicksal.
„…und zwar ist das ein Kind gewesen, am 07.10.1944 ist es geboren, Ende Oktober/November 1944 wurde es gefunden und zwar vermutlich in Trempen / Ostpreußen mit aufgeschnittenen Pulsadern im Straßengraben. Offensichtlich hat jemand versucht, das Kind umzubringen und es dann einfach im Straßengraben zurück gelassen.“
Ein paar Seiten weiter ein anderer Fall…
„Familienname unbekannt, Vorname unbekannt – vielleicht Siegfried? Fundort: Frühjahr 1945 auf einem Bahnhof im Osten, Personenbeschreibung: hellbraune Augen, brünettes Haar, erinnert sich an zwei Schwestern. Weiß nicht wer er ist, wie er heißt, woher er kommt, wer seine Eltern sind.“
Noch Jahrzehnte später hatte Gudrun Fritz mit ähnlichen Fällen zu tun. Von 1986 bis 2006 war sie beim Kieler Kreisverband des DRK beschäftigt, immer wieder habe sie solche Situationen erlebt, berichtet sie.
"Du bist nicht mein Kind"
„Es standen Menschen mittlerer Generation vor mir und sagten: Ich weiß nicht, was ich machen soll, ich habe das Testament meiner Mutter oder meines Vaters gefunden – und da steht drin: Du bist nicht mein Kind! Wir haben dich … als Beispiel, weiß ich ganz genau … in Stettin, in einer Straße, da flogen die Bomben, du standest ganz allein – wir haben noch geguckt, dann haben wir dich mitgenommen.“
Dieser und vergleichbare Fälle wurden weiter nach Hamburg gemeldet – der Kindersuchdienst gehört zu den erfolgreichsten Sparten des Suchdienstes, nur wenige tausend Fälle sind bis heute ungeklärt geblieben. Überwiegend beschäftigte die heute 72jährige Gudrun Fritz sich aber mit der Zusammenführung von Familien, die durch Flucht und Vertreibung aus dem Osten in den Nachkriegsjahren getrennt worden waren. Auf ihrem Schreibtisch landeten z.B. Anträge für …
„Besuchsreisen aus Polen, aus der Sowjetunion mit Wysows – Wysow ist russisch, heißt Einladung, dann waren da ganz viele Spätaussiedler, die hier ein Aufnahmeverfahren betrieben, und dann haben wir noch mit der Bundesregierung Deutschen geholfen in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion mit Paketen und medizinischen Hilfsmitteln.“
Bis heute ist das ein aktueller Schwerpunkt der Arbeit des DRK-Suchdienstes in Hamburg – nach jüngsten Änderungen im Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz wurden zahlreiche Antragsverfahren von Spätaussiedlern wieder neu aufgerollt, entsprechend groß ist der Beratungsbedarf. Genaue Zahlen hat Katrin Blankenburg nicht, aber einige hundert Fälle pro Jahr werden derzeit in Hamburg bearbeitet, schätzt sie.
„Das sind so – ich sage mal Größenordnung so um die 500 Fälle im Jahr, bei der Familienzusammenführungsberatung. Aber es gibt dann gleichzeitig im letzten Jahr, wenn man das so grob rechnet – ich habe die Statistik noch nicht ganz fertig – aber das sind über 6.000 Anrufe und Beratungen, wo jetzt ohne Namen zu erfassen am Telefon Beratung erfolgt und Beratung von den verschiedenen Kreis- und Landesverbänden, die sich an uns wenden – das ist schon eine ganze Menge.“
Auf der Ebene der DRK-Landes- bzw. Kreisverbände ist auch der Suchdienst organisiert, der nach schweren Unglücksfällen oder Katastrophen im Inland aktiviert wird. In Schleswig-Holstein ist Matthias Balke für diesen Bereich zuständig. Bei Bedarf kann sich das DRK auf ein bundesweites Netz von ehrenamtlichen Helfern stützen, die in sogenannten Kreisauskunftsbüros z.B. Fragen nach vermissten Angehörigen beantworten. Matthias Balke erinnert an die Massenpanik bei der Love-Parade 2010 in Duisburg, bei der es 21 Tote und mehr als 500 Verletzte gab.
„Es gab auch eine große Anzahl, eine viel, viel größere Anzahl v on Menschen, die einfach nicht nach Hause gekommen sind, weil ja der ganze Nahverkehr, der ganze Personenverkehr dadurch zusammengebrochen ist, dass mit einem Schlag alle nach Hause wollten. Und das hat einfach zu Suchanfragen geführt, die dann auch an das Rote Kreuz herangetragen wurden, die im sechsstelligen Bereich lagen, und die mussten auch bearbeitet werden.“
Um auf solche Situationen einigermaßen vorbereitet zu sein, nutzt das DRK in Schleswig-Holstein regelmäßig das größte Heavy Metal-Festival der Welt – eine gute Gelegenheit, immer wieder bestimmte Abläufe für vergleichbare Szenarien zu üben.
Regelmäßige Übungen auf dem Heavy-Metal-Festival
„Da könnte man natürlich sehr aufwendig Übungen gestalten – oder man kann auch einfach den Nutzen und den Sinn der Übung mit einem echten Nutzen zusammenbringen. Wir haben jedes Jahr hier in Schleswig-Holstein die Veranstaltung „Wacken Open Air“, bei der ja um die 100.000 Menschen, wenn man alle Beteiligten zusammenzählt, auf einem kleinen Fleck zusammen sind. Und da kommt es natürlich auch dazu, dass auf diesem riesen Veranstaltungsgelände sich Leute suchen, und die werden durch ein Kreisauskunftsbüro, was da vor Ort in einem Zelt eingerichtet wird, dann abgearbeitet.“
Ein weiterer zentraler Aufgabenbereich des DRK-Suchdienstes, angesiedelt in der Münchener Außenstelle, ist heute die Hilfe für Menschen, die durch Flucht vor Kriegen und bewaffneten Konflikten voneinander getrennt wurden, durch Naturkatastrophen, durch Nahrungs- und Wasserknappheit – weltweit werden Jahr für Jahr auf diese Weise tausende Familien auseinander gerissen. Die Arbeit des DRK-Suchdienstes ist 70 Jahre nach den Anfängen in Flensburg noch längst nicht erledigt – nicht nur, weil viele Fragen im Zusammenhang mit Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg noch unbeantwortet sind, betont der schleswig-holsteinische DRK-Landesvorsitzende Torsten Geerdts.
„Allein aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges sind 1,3 Millionen deutsche Schicksale ungeklärt. Das heißt die Menschen werden fragen: Wie sieht eigentlich unsere Familie aus, was ist aus ihr geworden? Das bleibt eine aktuelle Aufgabe des Deutschen Roten Kreuzes, aber es kommen neue Aufgaben dazu. Da muss man sich im Moment nur die aktuelle Nachrichtenlage anschauen und man muss sich anschauen, wie viele Flüchtlinge Tag ein Tag aus zu uns in die Bundesrepublik Deutschland kommen. Sie kommen zum Teil alleine, nicht immer im Familienverband – und auch die haben einen Anspruch darauf zu erfahren, wo sind ihre Angehörigen geblieben, leben sie noch, und gibt es eine Chance auf Familienzusammenführung – denn das ist und bleibt ein Grundrecht.“

DRK-Suchdienst
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20357 Hamburg
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