Verführerisch und gefährlich
Zucker versteckt sich in vielen Lebensmitteln, von denen man es nicht erwartet. Mehr als zehn Zuckerstücke können beispielsweise in einem Fruchtjoghurt enthalten sein. Zuviel Zucker macht krank, warnen Mediziner. Doch die Politik ziert sich, das Thema anzugehen.
Christoph Landmann holt eine bunte Getränkedose aus einem Kühlregal. Der 33-Jährige verkauft in seinem Düsseldorfer Ladengeschäft "No Sugar Land" zuckerfreie Säfte und Limonaden.
"Weil unserer Ansicht nach die Zeit einfach gekommen war. Der Trend geht seit etlichen Jahren dahin, dass es viele Leute gibt, die sagen, ich muss oder möchte aus gesundheitlichen Gründen auf zu viel Zucker verzichten."
"Weil unserer Ansicht nach die Zeit einfach gekommen war. Der Trend geht seit etlichen Jahren dahin, dass es viele Leute gibt, die sagen, ich muss oder möchte aus gesundheitlichen Gründen auf zu viel Zucker verzichten."
"Wacher und fitter" ohne Zucker
So wie er selbst. Landmann isst seit rund zwei Jahren gar keinen Zucker mehr. Seitdem fühle er sich deutlich besser.
"Man ist wesentlich wacher, fitter, agiler. Also das ist ein drastischer Unterschied zur vorherigen Ernährung."
Mit seiner Skepsis gegenüber Zucker ist Landmann nicht allein. Das zeigt etwa eine Umfrage der Betriebskrankenkasse mhplus unter 1000 Personen im April.
"Man ist wesentlich wacher, fitter, agiler. Also das ist ein drastischer Unterschied zur vorherigen Ernährung."
Mit seiner Skepsis gegenüber Zucker ist Landmann nicht allein. Das zeigt etwa eine Umfrage der Betriebskrankenkasse mhplus unter 1000 Personen im April.
Dabei sagten 64 Prozent der Befragten, dass sie ihren Zuckerkonsum so weit wie möglich senken wollen. Stephan Martin, Chefarzt am Westdeutschen Diabeteszentrum hält das für richtig.
Je mehr Zucker, desto mehr Hunger
"Es gibt überhaupt gar keine Frage, dass dieser Zucker schädlich ist. Für viele Menschen führt er dazu, dass die Menschen dick werden und dann Erkrankungen bekommen wie Diabetes oder auch Bluthochdruck."
Nimmt man Zucker zu sich, stoße der Körper Insulin aus – je dicker man ist, desto mehr. Und Insulin wiederum führe dazu, dass man mehr Hunger habe und weniger Fett verbrenne – also dick werde. Vereinfacht gesagt:
"Viel Zucker, wenig Bewegung, viel Insulin. Und Insulin führt dann zu einem Teufelskreis: Die Menschen essen immer mehr. Und irgendwann bricht dieser ganze Teufelskreis in sich zusammen und dann entstehen Erkrankungen."
Nimmt man Zucker zu sich, stoße der Körper Insulin aus – je dicker man ist, desto mehr. Und Insulin wiederum führe dazu, dass man mehr Hunger habe und weniger Fett verbrenne – also dick werde. Vereinfacht gesagt:
"Viel Zucker, wenig Bewegung, viel Insulin. Und Insulin führt dann zu einem Teufelskreis: Die Menschen essen immer mehr. Und irgendwann bricht dieser ganze Teufelskreis in sich zusammen und dann entstehen Erkrankungen."
Deutsche essen zu viel Zucker
Manche Lebensmittel wie Orangensaft enthalten von allein viel Zucker, in diesem Fall Fruchtzucker. Und auch Stärke, etwa aus Getreide, kann der Körper oft mit Leichtigkeit in Zucker umwandeln. Dazu kommt allerdings, dass vielen Produkten von den Herstellern weiterer Zucker beigemischt wird. Das macht Produkte nicht nur süßer, sondern auch haltbarer.
Die Folge: Nach Angaben des hessischen Verbraucherministerium verzehrt jeder Deutsche im Schnitt fast 100 Gramm Zucker pro Tag – doppelt so viel wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung als Höchstwert empfohlen.
Die Folge: Nach Angaben des hessischen Verbraucherministerium verzehrt jeder Deutsche im Schnitt fast 100 Gramm Zucker pro Tag – doppelt so viel wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung als Höchstwert empfohlen.
Und das Robert-Koch-Institut hat in einer Langzeitstudie von 2003 bis 2009 festgestellt, dass 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig sind: 50 Prozent mehr als noch in den 80er- und 90er-Jahren.
"Volksverarschung Nummer eins"
Ernährungswissenschaftler Stephan Martin ist überzeugt, dass das am Zucker liegt. Als Beispiel öffnet er ein Glas Fruchtjoghurt:
"Also das ist, um es mal ganz despektierlich zu sagen, Volksverarschung Nummer eins, weil: Wenn man sich anschaut, wie viele Zuckerstücke in so einem Joghurt drin sind, das wundert einen."
Bis zu 11,5 Stück Würfelzucker stecken laut der Verbraucherzentrale NRW in einem 250-Gramm-Becher. Dass das bei vielen Verbrauchern nicht gut ankommt, haben inzwischen auch Supermärkte gemerkt. Lidl etwa will bis 2025 den Salz- und Zuckergehalt in seinen Eigenmarken um 20 Prozent senken und auch Rewe wirbt offensiv für Produkte mit weniger Zucker:
"Wie viel Zucker brauchst du noch? Bei Rewe entscheidest du", heißt es in einem Werbespot. "Wähle dein Lieblingspudding aus vier Zuckerstufen. Rewe dein Markt für eine bewusste Ernährung."
"Also das ist, um es mal ganz despektierlich zu sagen, Volksverarschung Nummer eins, weil: Wenn man sich anschaut, wie viele Zuckerstücke in so einem Joghurt drin sind, das wundert einen."
Bis zu 11,5 Stück Würfelzucker stecken laut der Verbraucherzentrale NRW in einem 250-Gramm-Becher. Dass das bei vielen Verbrauchern nicht gut ankommt, haben inzwischen auch Supermärkte gemerkt. Lidl etwa will bis 2025 den Salz- und Zuckergehalt in seinen Eigenmarken um 20 Prozent senken und auch Rewe wirbt offensiv für Produkte mit weniger Zucker:
"Wie viel Zucker brauchst du noch? Bei Rewe entscheidest du", heißt es in einem Werbespot. "Wähle dein Lieblingspudding aus vier Zuckerstufen. Rewe dein Markt für eine bewusste Ernährung."
"Lieber Zucker, du bist so toll"
Günter Tissen hält solche Initiativen zur Zuckerreduktion für eine Fehlentwicklung. So könne es passieren, dass in Produkten zwar der Zucker reduziert, im Gegenzug aber etwa mehr Konservierungsstoffe verwendet würden. Tissen leitet die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker, vertritt also die deutschen Zuckerrübenbauern, die Zuckerverarbeiter und -händler. Im Flur seines Bonner Büros hängt ein Gedicht.
"Lieber Zucker, du bist so toll, für mich als Kuchen wundervoll. Ja, du machst mich natürlich süß. Und ohne dich fühl ich mich mies."
Günter Tissen selbst ist eine Botschaft besonders wichtig:
"Der zentrale Risikofaktor, zum Beispiel im Bereich Übergewicht, sind die Kalorien und die Kalorienbilanz und nicht der Zucker an sich."
Das betont er im Gespräch gleich mehr als ein halbes Dutzend Mal. Und auf die Nachfrage, ob Zucker wegen der Insulinproduktion dick mache, sagt er:
"Medizinische Zusammenhänge sind weitaus komplizierter. Es gibt viele hormonelle Steuerungsprozess, die eben Zuckerstoffwechsel, Fettstoffwechsel steuern."
"Lieber Zucker, du bist so toll, für mich als Kuchen wundervoll. Ja, du machst mich natürlich süß. Und ohne dich fühl ich mich mies."
Günter Tissen selbst ist eine Botschaft besonders wichtig:
"Der zentrale Risikofaktor, zum Beispiel im Bereich Übergewicht, sind die Kalorien und die Kalorienbilanz und nicht der Zucker an sich."
Das betont er im Gespräch gleich mehr als ein halbes Dutzend Mal. Und auf die Nachfrage, ob Zucker wegen der Insulinproduktion dick mache, sagt er:
"Medizinische Zusammenhänge sind weitaus komplizierter. Es gibt viele hormonelle Steuerungsprozess, die eben Zuckerstoffwechsel, Fettstoffwechsel steuern."
Keine Zuckersteuer und keine Lebensmittelampel geplant
Dass es viele übergewichtige Menschen gebe, liege nicht allein am Zucker, sondern habe verschiedene Gründe – etwa Bewegungsmangel. Ähnlich klingt das auch bei Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung. Sie schreibt auf Anfrage des Deutschlandfunks:
"Ich halte ausgewogene Ernährung für komplexer, als dass man sie nur auf das Thema Zucker beschränken könnte. Fehl- und Überernährung hat vielfältige Gründe."
Unter anderem deswegen sei sie gegen eine sogenannte Lebensmittel-Ampel, wie sie der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert. Dabei sollen Lebensmittel je nach Zucker-, Fett- und Salzgehalt rot, gelb oder grün markiert werden. Auch eine Zuckersteuer, also einen höheren Steuersatz für stark zuckerhaltige Produkte, lehnt Klöckner ab.
"Ich halte ausgewogene Ernährung für komplexer, als dass man sie nur auf das Thema Zucker beschränken könnte. Fehl- und Überernährung hat vielfältige Gründe."
Unter anderem deswegen sei sie gegen eine sogenannte Lebensmittel-Ampel, wie sie der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert. Dabei sollen Lebensmittel je nach Zucker-, Fett- und Salzgehalt rot, gelb oder grün markiert werden. Auch eine Zuckersteuer, also einen höheren Steuersatz für stark zuckerhaltige Produkte, lehnt Klöckner ab.
Mehr Ernährungsbildung soll helfen
Stattdessen will sie sich für realistische Portionsgrößen auf Verpackungen sowie eine bessere Ernährungsbildung einsetzen. Und sie will bis Ende des Jahres ein Konzept vorlegen, wie Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln reduziert werden können. Mediziner Stephan Martin hofft, dass dabei nicht nur auf freiwillige Ziele der Hersteller gesetzt wird, sondern "dass wir die Hersteller verpflichten, ganz systematisch den Zucker zu reduzieren und die Menschen kriegen das dann gar nicht mit".
So könne die Politik Hersteller zwingen, den Zuckergehalt in ihren Produkten Jahr für Jahr um einen bestimmten Prozentsatz zu senken.
Für Jungunternehmer Christoph Landmannn, den Gründer des Düsseldorfer Ladens "No Sugar Land" ist klar: Die Nachfrage nach zuckerfreien oder -reduzierten Produkten wird weiter wachsen. Er plant daher schon die Eröffnung weiterer Läden.
So könne die Politik Hersteller zwingen, den Zuckergehalt in ihren Produkten Jahr für Jahr um einen bestimmten Prozentsatz zu senken.
Für Jungunternehmer Christoph Landmannn, den Gründer des Düsseldorfer Ladens "No Sugar Land" ist klar: Die Nachfrage nach zuckerfreien oder -reduzierten Produkten wird weiter wachsen. Er plant daher schon die Eröffnung weiterer Läden.