Juan Gabriel Vásquez: Das Geräusch der Dinge beim Fallen
Aus dem Spanischen übersetzt von Susanne Lange
Schöffling & Co., Frankfurt a.M. 2014
293 Seiten, 22.95 Euro
Angst und Schrecken in Kolumbien
Dieses Buch raubt dem Leser den Atem: Juan Gabriel Vásquez berichtet in seinem neuen Roman "Das Geräusch der Dinge beim Fallen" von seiner geschundenen Heimat Kolumbien und erzählt die rätselhafte Geschichte eines Drogenkuriers.
Der 41-jährige Schriftsteller Juan Gabriel Vásquez ist einer der großen Autoren Kolumbiens. Seit 2010 sein Roman "Die Informanten" erschien, auf den "Die geheime Geschichte Costaguanas" folgte, zählt Vásquez auch hier zu einer wichtigen Stimme aus einem vom Drogenhandel zermürbten lateinamerikanischen Land. Von Roman zu Roman erklärt er die Strategien von Geldgier und wachsender Brutalität, ausgelöst durch den Handel mit Marihuana, auf den Mitte der 70er-Jahre das Kokain folgte.
Der neue Roman "Das Geräusch der Dinge beim Fallen" entwickelt im ersten Absatz eine ahnungsvolle Stimmung aus Entsetzen und Angst, die während der Schreckensherrschaft des Drogenhändlers Pablo Escobar das Land bis zu dessen Ermordung 1993 in einen permanenten Ausnahmezustand versetzte. Und Juan Gabriel Vásquez, der - das ist interessant zu wissen - eine Biografie über Joseph Conrad verfasst hat, hält die Spannung bis zum letzten Satz.
"Fragen Sie nicht nach Einzelheiten"
Der Ich-Erzähler Antonio, ein junger Juraprofessor aus Bogotá, beginnt seine Erzählung mit Gedankenspielen über Sinn und Unsinn des Erinnerns und erzählt seine Geschichte über das Leben Ricardo Laverdes, dem er 1996 in einem der Billardsalons Bogotás begegnet ist. Damals war Escobar bereits seit drei Jahren tot, und Kolumbien bewegte sich sehr zögernd in Richtung auf eine relative Normalität. Ricardo Laverde, verwahrlost wie ein "verwaistes Grundstück", erregte das Interesse Antonios. Laverde war noch keine fünfzig Jahre alt und erst seit einiger Zeit nach 19-jähriger Gefängnishaft wieder in Freiheit.
Es war kurz vor Weihnachten, und Laverde wartete auf den Besuch seiner geliebten amerikanischen Frau Elena Fritts, die 1969 mit dem Peace Corps nach Bogotá gekommen war. Erst Jahre nach Laverdes Inhaftierung ging Elena nach Florida zurück. Dass Laverde vor seiner Inhaftierung nicht nur Pilot, sondern so etwas wie ein glücklicher Ehemann und Vater gewesen ist, berichtet er nur zögernd. Ricardo sagt auch, dass er Fehler begangen habe. Aber er warnt den jungen Professor, "fragen sie nicht nach Einzelheiten".
Ein Drogenboss, der die Politik außer Kraft setzt
Vásquez ist ein faszinierend einfallsreicher Erzähler, der über dramaturgisch raffinierte Techniken verfügt. Spannung ist beim ihm nie ein billiger Trick, sondern ein hochkomplexes Geflecht. Dazu gehört, dass Antonios Leben immer tiefer in den Bann von Ricardo Laverde gerät, er durch diese Zufallsbekanntschaft seine Ehe und sein eigenes Leben aufs Spiel setzt.
Unglückliche Umstände häufen sich: Das Flugzeug, mit dem Elena Fritts aus den USA nach Bogotá kommen wollte, um ihren Mann wiederzusehen, stürzt kurz vor der Landung wegen eines politischen Attentats ab, Laverde verliert bei einer Schießerei sein Leben, Antonio wird schwer verletzt. Als Antonio wieder einigermaßen genesen ist, kommt er von der Geschichte, die sein Leben verändert hat, nicht los und hofft, dass ihm Maya, Elenas und Ricardos Tochter, die rätselhafte Existenz des Piloten und Drogenkuriers Ricardo Laverde erklären kann.
"Das Geräusch der Dinge beim Fallen" ist ein Buch über Kolumbien, über korrupte Verhältnisse und über einen Drogenboss, der die Politik außer Kraft setzte mit der Folge, dass ungezählte Leben außer Kontrolle gerieten. Ein atemberaubend gut geschriebenes, aufklärerisch konzipiertes und mitreißend erzähltes Buch.