Drogen, Zuhälterei und Menschenhandel
Seit Wochen überschlagen sich die Feuilletons mit Lobeshymnen über die neue Krimiserie des Regisseurs Dominik Graf "Im Angesicht des Verbrechens", die nun auf Arte startet. Das deutsche Fernsehen betritt damit Neuland, denn die Krimiserie, bei der es um die Russenmafia geht, ist von der Machart her deutlich anders als die meisten anderen bisherigen Ausstrahlungen dieser Art.
"Großmutter hat gesagt: Jenetschka, Kindchen,unter Wasser siehst Du den Mann, den Du liebst, bei ihr war das so, bei Mama und bei mir wird es auch so sein, ..."
Mit einem mystisch-romantischen Bild, einer Anspielung auf eine künftige Liebesgeschichte, beginnt die 500-minütige Krimiserie "Im Angesicht des Verbrechens". Es wäre keine Krimiserie, wenn die Russenmafia nicht eine wesentliche Rolle spielen würde: Drogen, Zuhälterei, Menschenhandel – all das findet sich in Dominik Grafs Opus Magnum.
Hauptfiguren sind der Polizist Marek, gespielt vom jungen Max Riemelt und seine Schwester Stella, die Marie Bäumer verkörpert. Beide stammen aus einer lettisch-jüdischen Familie. Stella ist mit dem russischen Geschäftsmann Mischa verheiratet, der neben seinem offiziellen Geschäft, dem Restaurant "Odessa" allerlei illegale Nebengeschäfte betreibt.
Wie ein Schatten liegt über der Familiengeschichte der Tod von Mareks und Stellas Bruder Grischa - er wurde vor zehn Jahren auf offener Straße erschossen. Marek treibt dieser gewaltsame Tod noch immer um, er sinnt auf Rache und Vergeltung und kehrt immer wieder an den Ort des Geschehens zurück:
"Die Kreidezeichnung auf dem Pflaster war das Letzte, was ich von Grischa gesehen habe. Ich denke oft daran , was hätte er noch erleben können, mir noch zeigen können ..."
Der Konflikt zwischen Bruder und Schwester wird zum Dreh- und Angelpunkt der Serie. Denn die Aufklärung des Mordes, die Marek fast nebenbei zu seinem Polizeijob betreibt, führt direkt ins Herz der Russenmafia. Mareks Schwager Mischa ist einer der Paten der hiesigen Russenmafia in "Charlottengrad", jenem Stadtteil Charlottenburg in Berlin, in dem viele Russen leben. Die Verbindungen der Gangster reichen in die Ukraine, nach Polen, nach Russland - und vertickt wird alles, was Geld bringt: Frauen, Drogen, Waffen, gefälschte Zigaretten.
"Wir wollen eine Zigarettenfabrik in Deutschland aufmachen: Kannst du das abdecken? Definitiv ja, kann ick."
Doch bei diesem viel bemühten Thema, der Russenmafia bleibt es nicht aus, dass trotz aller Präzision Klischees bemüht werden. Die Russengangster entsprechen manchmal etwas zu sehr den Zuschauererwartungen, zu stark goldkettchenbegangen und dauerbesoffen - doch ist die Realität vielleicht einfach so, klischeehaft - und Fiktion und Realität vermischen sich.
"Im Angesicht des Verbrechens" verweigert sich über weite Strecken einem einfachen "Freund-Feind-Schema": Da Marek in ständigen Gewissensnöten steckt, in beiden Welten zu Hause ist, macht das die Identifikation mit ihm schwierig - ist er Polizist oder Familienmensch, der seinen Clan schützen will? Das geht im Laufe der Serie hin und her:
"Eigentlich bin ich nur bei der Polizei, um von meiner Familie und diesem ganzen Russenumfeld wegzukommen, ach so? Hm, wer weiß, vielleicht wäre ich ja auch wie meine Kumpels geworden, dann wärst du jetzt hinter mir her ... Aber Du hättest mich nie gekriegt ..."
Die Serie von Dominik Graf hält insgesamt eine erstaunliche Balance: Polizei und Gangsterwelt erscheinen fast gleichwertig. Interessant sind jene Szenen, in denen der Polizist Marek russisch spricht und die beiden Welten, die der Gangsterszene und die der Polizei auf eine Ebene gelangen. Als Marek vorab von einer Razzia im Lokal seines Schwagers erfährt, hat er alle Mühe, seiner Schwester Stella ins Gesicht zu sehen, Stella macht Marek Vorwürfe:
"Was ist aus Dir geworden? Du bist nicht koscher, Du hast keine jüdischen Freunde, Du sprichst zwar russisch, aber Du bist kein Russe. Du bist jetzt irgendwie nur noch deutsch. Du traust niemandem mehr. So weit ist es gekommen, Du lebst zwischen den Welten, Du gehörst nirgends mehr dazu."
Die vielen Haupt- und Nebenfiguren der Serie werden so manchen Zuschauer überfordern - wer wann auf welcher Seite steht, dieses Puzzle an Motiven und Personen machen aber auch den Reiz der Serie aus. Regisseur Dominik Graf sieht die Struktur der Serie so:
"Ich hatte immer das Gefühl, man muss dieses Drehbuch das der Rolf Basedow geschrieben hat, wie ein Baum begreifen, plötzlich verästelt sich dieser Baum in tausend verschiedene sozusagen kleine Zweige, um dann am Ende wieder in dieser Figur von dem Max Riemelt alle Gegensätze wieder zusammenzufassen."
Graf wird mit dieser Serie Maßstäbe setzen im Krimigenre - eines, das ob der Massenproduktion im Fernsehen allzu oft Konfektionsware ausspuckt. Noch umfangreicher und aufwendiger war allenfalls die italienische Serie "Allein gegen die Mafia". Am Schluss entzweit Graf die beiden Welten - die der Gangster- und die der Polizei wieder - das Leben ist wieder im Lot - nur in ihrem Ende ähnelt die Serie den typischen deutschen Fernsehkrimis.
Mit einem mystisch-romantischen Bild, einer Anspielung auf eine künftige Liebesgeschichte, beginnt die 500-minütige Krimiserie "Im Angesicht des Verbrechens". Es wäre keine Krimiserie, wenn die Russenmafia nicht eine wesentliche Rolle spielen würde: Drogen, Zuhälterei, Menschenhandel – all das findet sich in Dominik Grafs Opus Magnum.
Hauptfiguren sind der Polizist Marek, gespielt vom jungen Max Riemelt und seine Schwester Stella, die Marie Bäumer verkörpert. Beide stammen aus einer lettisch-jüdischen Familie. Stella ist mit dem russischen Geschäftsmann Mischa verheiratet, der neben seinem offiziellen Geschäft, dem Restaurant "Odessa" allerlei illegale Nebengeschäfte betreibt.
Wie ein Schatten liegt über der Familiengeschichte der Tod von Mareks und Stellas Bruder Grischa - er wurde vor zehn Jahren auf offener Straße erschossen. Marek treibt dieser gewaltsame Tod noch immer um, er sinnt auf Rache und Vergeltung und kehrt immer wieder an den Ort des Geschehens zurück:
"Die Kreidezeichnung auf dem Pflaster war das Letzte, was ich von Grischa gesehen habe. Ich denke oft daran , was hätte er noch erleben können, mir noch zeigen können ..."
Der Konflikt zwischen Bruder und Schwester wird zum Dreh- und Angelpunkt der Serie. Denn die Aufklärung des Mordes, die Marek fast nebenbei zu seinem Polizeijob betreibt, führt direkt ins Herz der Russenmafia. Mareks Schwager Mischa ist einer der Paten der hiesigen Russenmafia in "Charlottengrad", jenem Stadtteil Charlottenburg in Berlin, in dem viele Russen leben. Die Verbindungen der Gangster reichen in die Ukraine, nach Polen, nach Russland - und vertickt wird alles, was Geld bringt: Frauen, Drogen, Waffen, gefälschte Zigaretten.
"Wir wollen eine Zigarettenfabrik in Deutschland aufmachen: Kannst du das abdecken? Definitiv ja, kann ick."
Doch bei diesem viel bemühten Thema, der Russenmafia bleibt es nicht aus, dass trotz aller Präzision Klischees bemüht werden. Die Russengangster entsprechen manchmal etwas zu sehr den Zuschauererwartungen, zu stark goldkettchenbegangen und dauerbesoffen - doch ist die Realität vielleicht einfach so, klischeehaft - und Fiktion und Realität vermischen sich.
"Im Angesicht des Verbrechens" verweigert sich über weite Strecken einem einfachen "Freund-Feind-Schema": Da Marek in ständigen Gewissensnöten steckt, in beiden Welten zu Hause ist, macht das die Identifikation mit ihm schwierig - ist er Polizist oder Familienmensch, der seinen Clan schützen will? Das geht im Laufe der Serie hin und her:
"Eigentlich bin ich nur bei der Polizei, um von meiner Familie und diesem ganzen Russenumfeld wegzukommen, ach so? Hm, wer weiß, vielleicht wäre ich ja auch wie meine Kumpels geworden, dann wärst du jetzt hinter mir her ... Aber Du hättest mich nie gekriegt ..."
Die Serie von Dominik Graf hält insgesamt eine erstaunliche Balance: Polizei und Gangsterwelt erscheinen fast gleichwertig. Interessant sind jene Szenen, in denen der Polizist Marek russisch spricht und die beiden Welten, die der Gangsterszene und die der Polizei auf eine Ebene gelangen. Als Marek vorab von einer Razzia im Lokal seines Schwagers erfährt, hat er alle Mühe, seiner Schwester Stella ins Gesicht zu sehen, Stella macht Marek Vorwürfe:
"Was ist aus Dir geworden? Du bist nicht koscher, Du hast keine jüdischen Freunde, Du sprichst zwar russisch, aber Du bist kein Russe. Du bist jetzt irgendwie nur noch deutsch. Du traust niemandem mehr. So weit ist es gekommen, Du lebst zwischen den Welten, Du gehörst nirgends mehr dazu."
Die vielen Haupt- und Nebenfiguren der Serie werden so manchen Zuschauer überfordern - wer wann auf welcher Seite steht, dieses Puzzle an Motiven und Personen machen aber auch den Reiz der Serie aus. Regisseur Dominik Graf sieht die Struktur der Serie so:
"Ich hatte immer das Gefühl, man muss dieses Drehbuch das der Rolf Basedow geschrieben hat, wie ein Baum begreifen, plötzlich verästelt sich dieser Baum in tausend verschiedene sozusagen kleine Zweige, um dann am Ende wieder in dieser Figur von dem Max Riemelt alle Gegensätze wieder zusammenzufassen."
Graf wird mit dieser Serie Maßstäbe setzen im Krimigenre - eines, das ob der Massenproduktion im Fernsehen allzu oft Konfektionsware ausspuckt. Noch umfangreicher und aufwendiger war allenfalls die italienische Serie "Allein gegen die Mafia". Am Schluss entzweit Graf die beiden Welten - die der Gangster- und die der Polizei wieder - das Leben ist wieder im Lot - nur in ihrem Ende ähnelt die Serie den typischen deutschen Fernsehkrimis.