"Solange gekauft wird, wird auch verkauft"
06:13 Minuten
Im Görlitzer Park in Berlin wechseln seit Jahren Drogen die Besitzer. Anwohner sagen, der Stoff habe sich verändert: Früher war es Gras, heute wird auch Heroin verkauft. Die grüne Bürgermeisterin ist dennoch von einer liberalen Politik überzeugt.
Samstagabend im Görli, süße Rauchschwaden liegen in der Luft. Am Eingang des wie ein langes Rechteck im Berliner Stadtteil Kreuzberg liegenden Parks stehen Jugendliche in blütenweißen T-Shirts und gebügelten Hosen, auf den ersten Blick als Nicht-Berliner zu erkennen. Gymnasiasten aus München, zum Drogenkauf in Berlin.
"Marihuana? How much? Five grams, 50 Euro."
"Marihuana? How much? Five grams, 50 Euro."
Ein Gramm Marihuana für zehn Euro, das ist der normale Preis im Görlitzer Park. Gedealt wird kaum versteckt auch in den Nebenstraßen und auf den U-Bahnhöfen Görlitzer Bahnhof und Kottbusser Tor, durchsichtige Plastiktütchen und Geldscheine wechseln den Besitzer.
Revierkämpfe um die beste Parkbank
Die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann erklärt die Lage im Park: "Hier wird relativ viel Geld gemacht. Also so ein Platz, den man hat, die sind zugewiesen, die sind ausdiskutiert. Wenn man hier durchgeht, denkt man, die stehen irgendwo, aber das ist nicht so. Nein, das sind starke Revierkämpfe, die manchmal mit Gewalt ausgefochten werden."
200 Drogendealer hat der Bezirk gezählt, die allermeisten junge Männer aus Schwarzafrika, viele von ihnen ohne Papiere. Sie lungern in kleinen Gruppen an den Eingängen zum Görli herum und in den Nebenstraßen, besetzen die Bänke im Park. Zuletzt ist die Zahl der Gewalttaten gestiegen, das hat auch den seit Jahren an- und abschwellenden Empörungspegel in Berlins Lokalmedien wieder ansteigen lassen.
200 Drogendealer hat der Bezirk gezählt, die allermeisten junge Männer aus Schwarzafrika, viele von ihnen ohne Papiere. Sie lungern in kleinen Gruppen an den Eingängen zum Görli herum und in den Nebenstraßen, besetzen die Bänke im Park. Zuletzt ist die Zahl der Gewalttaten gestiegen, das hat auch den seit Jahren an- und abschwellenden Empörungspegel in Berlins Lokalmedien wieder ansteigen lassen.
"Es wird anderes verkauft als früher"
"Nachts hört man häufig die Streitereien, sie nehmen zu. Und vor zehn Tagen bin ich morgens um sieben beim Bäcker, und das erste, was der Nachbarschaftstratsch berichtet, dass da nachts jemand niedergestochen wurde in der Straße", erzählt Holger Michel.
Seit 15 Jahren wohnt er in einer Dachwohnung mit Blick auf den Park, zunehmend genervt von den aufdringlichen Drogendealern, die schon morgens in seinem Hauseingang stehen, wenn er zur Arbeit will.
"Das hat sich verändert", sagt Michel. "Früher, wenn man vorbeiging, wurde immer gefragt, willst du was zu rauchen? Und heute wird man gefragt: Willst du was zu rauchen oder willst du Heroin, Kokain, Ecstasy und dann noch drei Drogen, die mir nichts sagen. Es hat sich verändert, es wird anderes verkauft als früher."
"Das hat sich verändert", sagt Michel. "Früher, wenn man vorbeiging, wurde immer gefragt, willst du was zu rauchen? Und heute wird man gefragt: Willst du was zu rauchen oder willst du Heroin, Kokain, Ecstasy und dann noch drei Drogen, die mir nichts sagen. Es hat sich verändert, es wird anderes verkauft als früher."
Spielende Kinder werden nicht aus den Augen gelassen
Wer unbeirrt und starren Blickes die Dealer ignoriert und weiter in den Görlitzer Park hineingeht, der trifft auf der Grillwiese türkische und libanesische Großfamilien. Hier wird Federball gespielt, dort jongliert jemand mit sechs roten Bällen. Kinder sausen eine breite Metallrutsche hinunter – allerdings immer unter genauer Beobachtung ihrer Eltern.
Hassan Yoma zieht an einer Wasserpfeife und seufzt. Die Dealer gehen auch ihm und seiner Frau auf die Nerven: "Also wirklich sehr schlecht, der Umgang, wegen der Kinder, nicht schön. Meine Tochter habe ich extra zuhause gelassen. Ich finde das traurig, dass ich die Kinder nicht aus den Augen lassen kann. Kann ich nicht. Ich habe die ganze Zeit Angst. Am besten wäre eine Polizeiwache hier, die lassen sich nicht abschrecken, nicht vertreiben."
Die Dealer haben ihre Drogen gebunkert – in einem Erdloch, im Mülleimer, auf dem Vorderreifen eines parkenden Autos. Wenn die Polizei kontrolliert, haben sie meist nur wenige Gramm dabei. In Berlin gelten bis zu 15 Gramm Marihuana als Eigenbedarf - von einer Strafverfolgung kann abgesehen werden. 15 Gramm – das ist bundesweit der höchste Wert. In Bayern liegt die Grenze bei 6 Gramm.
"Mit 15 Gramm Cannabis kann man nach meinen Informationen 45 Joints drehen", erklärt Burkhardt Dregger, Innenpolitiker und Fraktionsvorsitzender der oppositionellen CDU im Abgeordnetenhaus.
CDU fordert Null-Toleranz-Strategie
"Die Polizei leistet dort Immenses, aber sie wird frustriert, weil sie letztlich keine Erfolge erzielt, weil sie die schlechte Situation nicht verbessern kann. Wir brauchen also eine Null-Toleranz-Strategie, die vorsieht, dass im Görlitzer Park Drogenbesitz vollständig strafbar ist, ein Eigenbedarf nicht zulässig ist", sagt Dregger.
Die von der CDU geforderte Null-Toleranz-Strategie für den Görlitzer Park gab es schon einmal, unter dem letzten christdemokratischen Innensenator. Mit wenig Erfolg, sagt die grüne Bezirksbürgermeisterin Hermann bestimmt, das sei totaler Quatsch gewesen:
"Man muss sich das so vorstellen: Von einer Seite kam die Polizei, auf der anderen Seite rannten die Dealer raus. Die Polizei war nach einer Viertelstunde weg, dann waren die Dealer wieder da."
"Man muss sich das so vorstellen: Von einer Seite kam die Polizei, auf der anderen Seite rannten die Dealer raus. Die Polizei war nach einer Viertelstunde weg, dann waren die Dealer wieder da."
Höhere Toleranz entlastet Justiz
Auch der jetzige SPD-Innensenator Andreas Geisel hält nichts von einer Null-Toleranz-Strategie im Görlitzer Park. Die 15-Gramm-Grenze für Cannabis sei sinnvoll, sie entlaste die Justiz.
"Es ist eine Sisyphusarbeit an der Stelle. Wir bilden uns nicht ein, Kriminalität zu beseitigen. Für uns ist wichtig, dass die Begleitkriminalität, die mit dem Drogenhandel verbunden ist, also Raubüberfälle, Gewalttaten, die Frage der Sicherheit in den Parks vor allem von der Polizei gewährleistet wird."
Der grün regierte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat einen Parkmanager eingesetzt, die Stadtreinigung sammelt täglich leere Pizzakartons, gammelige Matratzen und Heroinspritzen ein. Die Dealer bleiben. Das Geschäft läuft super, weiß Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann:
"Es ist eine Sisyphusarbeit an der Stelle. Wir bilden uns nicht ein, Kriminalität zu beseitigen. Für uns ist wichtig, dass die Begleitkriminalität, die mit dem Drogenhandel verbunden ist, also Raubüberfälle, Gewalttaten, die Frage der Sicherheit in den Parks vor allem von der Polizei gewährleistet wird."
Der grün regierte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat einen Parkmanager eingesetzt, die Stadtreinigung sammelt täglich leere Pizzakartons, gammelige Matratzen und Heroinspritzen ein. Die Dealer bleiben. Das Geschäft läuft super, weiß Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann:
"Wir reden immer über die Dealer. Wir leben aber in einem schnöden kapitalistischen System. Solange gekauft wird, wird auch verkauft. Jeder, der hier kauft, stabilisiert die Situation."