Berlin setzt auf mehr Polizeipräsenz im Görlitzer Park
10:22 Minuten
Der Görlitzer Park in Berlin ist vor allem bei jungen Touristen aus aller Welt bekannt. Denn dort kann man schnell und unkompliziert Gras und andere Drogen kaufen. Nun soll mehr Polizei die Dealer vertreiben.
In neongelber Polizeiweste läuft Hauptkommissar Boris Kostov durch den Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg. Hinter und neben ihm gehen seine Kollegen – auch sie in knallgelben Westen mit fettem "Polizei"-Aufdruck. Die elf Beamten gehören zur neuen Brennpunkt- und Präsenz-Einheit der Berliner Polizei.
Seit Anfang Januar sind Kostov und seine Kollegen jeden Tag im Görlitzer Park und den umliegenden Straßen "präsent". Ein Park, der seit Jahren weit über Berlins Stadtgrenze hinaus verschrien ist: als Dealer-Park.
Vor allem Geflüchtete und Migranten mit prekärem Aufenthaltsstatus verkaufen hier seit Jahren Drogen. Zum Teil sehr offen, oder besser gesagt: offensiv.
An diesem sonnigen Nachmittag lässt sich aber weit und breit kein Dealer sehen. Offenbar zu viel Polizei.
"Wenn die Händler sehen, dass wir vermehrt hier im Park sind, dann begeben die sich natürlich raus aus dem Park und zu den Örtlichkeiten hin, die für sie interessant sind, wo viel Publikumsverkehr ist – zum Beispiel zum Schlesischen Tor."
Auch sonst ist heute wenig los, ein Vater joggt - seinen Kinderwagen vor sich her schiebend - an uns vorbei. Auf einer Bank sitzt ein Mann mit zerzaustem weißen Haar, nippt an seinem Bierchen. Dann fährt ein Rennradfahrer an die Polizisten ran, bremst scharf und brüllt: "Unglaublich, was ihr hier abzieht, hier rennen Faschos frei rum."
"Wir haben nicht nur positive Reaktionen. Das darf man nicht immer persönlich nehmen, aber wir sind als Repräsentanten immer die, die als erste diesen Unmut zu hören zu bekommen."
Kreuzberger genervt von der Dealerei
Wir kommen an einem der seitlichen Eingänge des langgestreckten Parks vorbei, an manchen Sommertagen stehen hier 15, 20 junge Männer, bieten jedem Gras an.
"Wir hatten in der Anfangszeit - bevor wir die Maßnahmen intensiviert haben -, die Situation, dass gerade an den Zugängen zum Park sehr viele potenzielle Händler standen und es den Besuchern sehr schwer gemacht haben, den Park ungehindert zu betreten. Das hat sich aber dahingehend geändert, dass sie auch im Ansprechverhalten sehr viel defensiver geworden sind."
Viele Kreuzberger fühlten sich in den vergangenen Jahren nicht mehr wohl in ihrem Park – waren genervt von der Dealerei. Ein Paar Mitte 30 – sie in Glitzer-Shirt, er mit Hut und Retro-Bike – sieht das ganz anders.
"Für mich ist hier alles immer ganz fein, ich hatte noch nie ein Problem hier. Ich fahr' auch nachts als Frau allein mit dem Fahrrad hier durch."
Kostovs Leute schwärmen aus, suchen nach Drogenverstecken, den sogenannten Bunkern. Die Dealer verstecken Gras und andere Drogen in kleinen Tütchen unter Büschen, im Mauerwerk, verbuddeln es in der Erde. Erst wenn sie einen Abnehmer haben, holen sie die Ware.
"Es wird eigentlich alles genutzt, was der Park an Versteckmöglichkeiten so hergibt."
"... aber heute noch nichts gefunden?"
"Nee, heute noch nichts. Es gibt Tage, da findet man 'ne ganz Menge. Oder es gibt Tage, da findet man auch mal nichts."
Polizei-Präsenz vertreibt die Dealer
Die Strategie der Einheit, Präsenz zeigen, Dealer vertreiben - heute scheint sie voll aufzugehen.
"Wir merken, wenn wir hier sind, dass Leute, die wir aus vergangenen Einsätzen kennen, in unserer Anwesenheit den Park meiden. Das merken wir schon – na klar!"
Im vergangenen Jahr hat Berlins SPD-Innensenator Andreas Geisel die neue "Brennpunkt- und Präsenzeinheit" ins Leben gerufen. Seit Januar patrouillieren nun 65 Beamte an besonders kriminalitätsbelasteten Orten, an denen auch sonst viele Leute unterwegs sind. Am Alexanderplatz, an der Warschauer Brücke in Friedrichshain und eben hier, im und rund um den Görlitzer Park.
"Erhebliche Polizeipräsenz, klare Strafverfolgung, genau das war die Strategie der CDU in ihrer Regierungsverantwortung bis 2016."
Burkhard Dregger ist Fraktionsvorsitzender der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus. Er begrüßt die stärkere Polizei-Präsenz im Park. Zu lange hätten der rot-rot-grüne Senat und der grün-rot-rot geführte Bezirk die Probleme im "Görli" ignoriert, meint er.
"Man hat über Jahre die Dinge nicht konsequent strafverfolgt und deswegen haben sie sich dort verfestigt. Und wenn sich schlechte Zustände verfestigen, ist es umso aufwendiger, sie wieder zu beseitigen. Und deswegen war es ein Fehler, dass der rot-rot-grüne Senat nach Regierungsantritt 2016 unsere Null-Toleranz-Strategie beendet hat und drei Jahre lang geglaubt hat, durch eine Liberalisierungspolitik eine Verbesserung herbeizuführen."
Dregger führt schon mal gerne medienwirksam Politiker aus der Provinz wie den grünen Oberbürgermeister aus Tübingen durch den Görli. Letztlich um das vermeintliche Scheitern der Berliner Sicherheitspolitik zu veranschaulichen. Dass nun Rot-Rot-Grün mehr Polizei in die Brennpunkte schickt – Dregger fühlt sich dadurch nur bestätigt.
"Das wurde damals von den Grünen bekämpft, und jetzt ist es das, was die Grünen offenbar auch fordern und erkannt haben."
Monika Herrmann, die grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, hält all diese Vorwürfe für haltlos. Sie sei nie gegen mehr Polizei im Park gewesen, im Gegenteil, teilt sie auf Anfrage schriftlich mit.
"Die CDU lenkt davon ab, dass unter ihrem Innensenator die Situation sich immer mehr verschärfte. Viele Unterstützungsanfragen von mir wurden jahrelang ignoriert. Letztendlich ist die CDU im Görli, am Kotti, im Wrangelkiez, auf dem RAW-Gelände, auf der Warschauer Brücke und in der Revaler Straße krachend gescheitert. Dass nun ausgerechnet die CDU 'Gäste' durch den Görli führt, um auf schlimme Zustände hinzuweisen, ist blanker Hohn."
Mehr Law und Order
So deutlich wie in den vergangenen Wochen hat die Grünen-Politikern das allerdings nie gesagt. In der Vergangenheit wollte Herrmann die Probleme im Park eher mit Sozialarbeitern – den sogenannten Parkläufern – lösen.
Die machten dann unter anderem mit Drogen-Verkaufszonen Schlagzeilen. Sie wiesen den Dealern mit Kreide bestimmte Verkaufs-Bereiche zu. Mit Herrmann und ihrem Bezirksamt war das allerdings nicht abgesprochen, beteuert die Bürgermeisterin. Jetzt also mehr Law and Order.
"Ich war nie gegen den Einsatz von Polizei im Görli. Es ging mir aber immer um einen zielführenden Einsatz. Razzien, die der CDU-Innensenator jahrelang praktizierte, waren nicht erfolgreich. Eine ständige Präsenz der Polizei im Park und in der Wohnumgebung des Parks macht Kauf und Verkauf unattraktiv. Wir reden hier von schwerer Kriminalität, von sehr viel illegalem Geld und organisierten kriminellen Strukturen. Der Dealer vor Ort ist zwar sichtbar, steht aber erst am Ende einer langen Kette."
Kostov und seine Kollegen haben den Görli inzwischen halb umrundet – stehen am zweiten Eingang des Parks. Ein junger Vater, das Baby auf die Brust geschnürt, will wissen, was genau die Idee, die Strategie der Einheit ist. Er wohnt direkt hier am Park.
"Ich persönlich finde es angenehm, dass mehr Polizei hier ist, aber wenn man es im Gesamten betrachtet, bringt das gar nichts. Das verlagert sich nur. Und dann haben andere das Problem, was wir halt jetzt haben. Deshalb ist das überhaupt keine Lösung. Warum es gemacht, wird, vermute ich: um das Symbol Görlitzer Park drogenfrei zu bekommen. Eine Lösung würde sein: Man gibt den Dealern eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung - und man legalisiert die Drogen."
Nach drei Stunden Patrouille steigen die Polizisten in den Mannschaftswagen, ein paar Dealer wollen sie heute doch noch schnappen. Sie fahren ein paar 100 Meter weiter zum Görlitzer Bahnhof. Dann geht es ganz schnell. Hauptkommissar Kostov läuft mit drei Kollegen hoch zum Gleis – sie setzen einen jungen Mann fest.
"Ich komme aus Afrika, okay. Ich hab' nur meinen Tabak da rein gemacht."
Kostov durchsucht seine Taschen, er findet ein kleines Drogenplastiktütchen. Es ist leer. Wieder nichts.
"Ich bin Opfer."
"Okay."
Obwohl der junge Mann keine Drogen dabei hat, erteilt ihm der Hauptkommissar für einen Tag einen Platzverweis.
"Görlitzer Park, Görlitzer Bahnhof - bis morgen nicht mehr."
Aus dem Gefängnis in den Park
Kurz vor vier ist Boris Kostovs Präsenz-Schicht für heute beendet. Die Beamten steigen in ihre Mannschaftswagen. Ich mache mich auf den Weg zurück zum Park, um mein Rad zu holen. Nun steht wieder an jeder Ecke ein Dealer. Zwei sprechen mich direkt an, was ich kaufen will.
Der dritte nennt sich Amadou. Er ist genervt von der vielen Polizei hier im Park.
"So viel Polizei. Kontrolle, Kontrolle. Die Leute wollen arbeiten, wenn die Leute Arbeit haben, kommen sie nicht in den Park, Drogen verkaufen."
Der junge Mann mit Käppi und grauem Parka kommt aus Sierra Leone. Seit sieben Jahren lebt er in Deutschland, geduldet, kein Job. Ein bisschen Angst, erwischt zu werden, hat er inzwischen schon, sagt er. Schließlich saß er bis vor kurzem über ein Jahr im Gefängnis – wegen Dealens. Er macht trotzdem weiter.
"Ich will nicht klauen, ich will ein bisschen Geld für Essen. Wenn ich 20, 30 Euro am Tag bekomme, ist es okay für mich. Jetzt suche ich Arbeit, keine Arbeit."
"Du willst eigentlich 'ne normale Arbeit?"
"Normale Arbeit, ja."