Schlagwerk in der klassischen Musik: Nur Nebendarsteller?
Das Drumset trete in der klassischen Musik dann auf, wenn es Berührungspunkte mit Stilen wie Jazz oder Pop gebe,
sagt Jochen Hubmacher, studierter Schlagzeuger und Musikredakteur
. Zudem sei es beliebig erweiterbar und so seien zeitgenössische Stücke auch als eine Art von Drumset zu sehen. Hubmacher erklärt auch, woher das Drumset eigentlich kommt.
Von 2raumwohnung bis Avantgarde: Daniel Eichholz am Drumset
Es gebe auch Percussion-Instrumente, auf die man nicht schlägt,
erklärt der Schlagzeuger Daniel Eichholz
. Er spielt unter anderem bei 2raumwohnung, Tocotronic, im Zafraan Ensemble für Neue Musik und lehrt an der Hanns-Eisler-Musikhochschule in Berlin. Zum Beispiel beim Waterphone streiche man an Metallstäben und bewege einen Korpus mit Wasser: „Dann gibt es so Walgeräusche.“ Ihn selbst begeistere es, ein Drumset zu erweitern, zum Beispiel um selbstgebaute Dinge oder Schrottinstrumente.
Power und Poesie: Die Jazzschlagzeugerin Eva Klesse
Eva Klesse gehörte zu den Kindern, die ständig irgendwo trommeln, mit den Fingern auf dem Tisch oder wo auch immer – und so kam sie zu ihrem Instrument, dem Drumset. Heute ist sie vielfach ausgezeichnete Jazzschlagzeugerin und die erste Professorin für Jazzschlagzeug in Deutschland. An weiblichen Vorbildern an den Drums mangele es zwar noch immer,
sagt Eva Klesse
– doch in ihrer Generation entschieden sich mehr Mädchen und Frauen für dieses Instrument. „Das finde ich toll.“
Drumset als Instrument des Jahres 2022
In der Musikgeschichte gibt es einige Virtuosinnen und Könner am Schlagzeug. Wir stellen ein paar davon vor. © Unsplash / Aliane Schwartzhaupt
Genies am Schlagzeug
Viola Clara Smith, eine der ersten professionellen Schlagzeugerinnen der Welt, Stewart Copeland von The Police und Makaya McCraven, aktuell für seine Kreativität gefeiert: Sie alle sind virtuos am Drumset, dem Instrument des Jahres 2022.
Mit dem Drumset wird zum ersten mal ein Schlaginstrument mit dem Titel Instrument des Jahres 2022 gekürt. Im vergangenen Jahr zum Beispiel war es die Orgel. Viele Streichinstrumente haben diesen Titel bereits getragen.
Das Drumset ist der „Motor“, die vorantreibende Kraft und das Grundgerüst für eine Band, ob im Pop, Rock oder Jazz. Obwohl es kein klassisches Orchesterinstrument ist, kommt es aber auch in der zeitgenössischen klassischen Musik vor – auch jenseits von Musical, Operette und Filmmusik.
Der Begriff „Schlagzeug“ umfasst alle Schlaginstrumente, zum Beispiel Triangel, Trommel, Gong oder Xylophon. Wenn man von Schlagzeug spricht, ist aber oftmals das Drumset gemeint. Es versammelt verschiedene Schlaginstrumente, die so angeordnet sind, dass sie von nur einer Person gespielt werden können.
In einer Serie präsentieren wir herausragende Drummerpersönlichkeiten aus Vergangenheit und Gegenwart, die stilistisch die Musik in ihrem Bereich weitergebracht haben – von Pop und Rock über Jazz bis hin zu Klassik und Neuer Musik.
Sheila E.: "Queen of Percussion"
Sheila E. gehört zu einer sehr seltenen Spezies in der Schlagzeug-Landschaft: Sie ist eine der wenigen Frauen, die am Schlagzeug bekannt geworden sind. Ihre größten Erfolge feierte Sheila E. in den 80er-Jahren, als sie mit Prince zusammenarbeitete. Er hatte sie überzeugt, eine Solokarriere unter dem verkürzten Namen Sheila E. zu starten und selbst zu singen. Und er produzierte ihre erste Alben, auf denen sich auch ihre größten Hits finden – darunter „The Glamourous Life“, ihre erste Single aus dem Jahr 1984.
Auch vor und nach der gemeinsamen Zeit mit Prince arbeitete Sheila E. mit großen Musikerinnen und Musikern zusammen und veröffentlicht auch heute noch Musik. Zuletzt wurde sie im November 2021 zusammen mit ihrem Vater, dem Percussionisten Pete Escovedo, mit einem Latin Grammy für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.
Sheila E. stammt aus einer berühmten Percussionisten-Familie und wird auch "Queen of Percussion" genannt. Bis heute ist ihr Markenzeichen der virtuose Einsatz dieser Instrumente aus Lateinamerika.
Musikjournalist Norman Müller über Sheila E.
03.01.2022
08:06 Minuten
Viola Clara Smith: Schnellste Drummerin der Welt
Viola Schmitz, wie Viola Smith ursprünglich heißt, wurde 1912 im US-Bundesstaat Wisconsin geboren. Im Kreis ihrer Familie mit neun Geschwistern begann ihre Drum-Karriere. Mit dem Schmitz Sisters Orchestra bekam sie ihr erstes Engagement im Orchester des Radio-Talentshow-Moderators Major Bowles. Zu ihrem Markenzeichen entwickelte sich ihr großes und ungewöhnlich bestücktes Drumset.
Ende der 1930er-Jahre war Viola Smith bereits viele Jahre mit Bands durch die Lande getourt, ihr Talent war nicht mehr zu ignorieren. Der Herablassung der Männerwelt nicht nur im Jazz begegnete sie selbstbewusst: Als die Presse auf sie aufmerksam wurde und sie als weibliche Ausgabe von Drum-Koryphäe Gene Krupa bezeichnet wurde, konterte Smith: „Krupa ist die männliche Ausgabe von Viola Smith.“
Die reinen Frauenorchester, in denen Smith auch später noch trommelte, waren vor allem eine Notlösung, denn die führenden Big Bands heuerten keine Frauen an. Viola Clara Smith spielte unter anderen mit Ella Fitzgerald und Chick Webb, in diversen Hollywood-Filmen und wirkte bei der originalen Broadwayproduktion des Musicals „Cabaret“ mit. 2020 starb Viola Clara Smith, die auch als schnellste Drummerin der Welt bezeichnet wird, mit 107 Jahren.
Beitrag von Goetz Steeger über Viola Clara Smith
04.01.2022
06:31 Minuten
Phil Rudd: Die Quintessenz des Rock-Grooves
Der Schlagzeuger von AC/DC steht für totalen Minimalismus. Phil Rudd hat den Mut, bei „Let There Be Rock“ – ein sehr schneller Song – live fast zehn Minuten immer dasselbe zu trommeln: Bumm-Batsch auf Bass und Snare, und die Hihat läuft dazu durch.
Logischerweise spielt er ein kleines Set, so etwas wie zwei Bass-Drums braucht der Mann nicht. Kein Schlag zu viel, nicht mal besonders viel auf den Becken, das Gegenteil von dem, was Nu Rock oder Nu Metal so nervig machte, dass nämlich alle Viertel oder Achtel im Refrain auf ein großes Crash-Becken geknallt werden.
Er spielt sogar ganz oft kein Becken da, wo man es absolut erwarten würde. So simpel dann übrigens auch nicht, er kann schon auch Breaks, versetzte Takte, Verzögerungen, Wirbel – aber er setzt das eben alles mit traumwandlerischer Genauigkeit und Wirtschaftlichkeit ein.
Außerdem verfügt Rudd über ein untrügliches Taktgefühl. Er braucht kein Metronom, er ist eines. Er hat das, was man unter Schlagzeugern „Mikrotime“ nennt. Jeder Schlagzeuger hat seine eigene Mikrotime, aber bei Phil Rudd ist sie immer gleich: leicht hinter dem Beat, aber wahnsinnig präzise.
Musikjournalist Fabian Elsäßer über Phil Rudd
05.01.2022
09:08 Minuten
Stewart Copeland: Rebellion gegen den 4/4-Takt
Ende der 70er-Jahre trommelte Stewart Copeland, Schlagzeuger von The Police, mit seinem Drumset gegen die gängigen Klischees der Rockmusik an: vor allem gegen aufgemotzten Glamrock. Er habe den dicken, dumpfen Sound und die Haltung dahinter gehasst, sagt Copeland heute. „Meine Snare Drum ist sehr hoch gestimmt. Ich wollte einen wütenden, hellen Sound.“
Der gebürtige Amerikaner Stewart Copeland gilt als einer der besten Drummer der Welt. Mit der britischen Popband The Police entstanden fünf Alben – bis sich die mehrfach mit dem Grammy ausgezeichnete Band 1986 trennte. Er machte solo weiter und schrieb unter anderem Soundtracks für Hollywood.
Eine Platte mit Reggaemusik von Bob Marley veränderte sein Leben, wie Copeland sagt. Der Reggae werfe das Konzept des damals gängigen 4/4-Takts komplett um. „Der Schlag kommt auf der Drei. Und die Eins wird gar nicht betont.“ Diese Platte habe ihn dazu gebracht, "wie ein Verrückter“ zu üben.
Offbeat und Groove sind Stewart Copelands Markenzeichen. Seine Spielweise ist minimalistisch und linear – und nah an dem, was einen heutigen Hip-Hop-Beat ausmacht. Der 69-Jährige hat Spaß an dieser Musik. Andere fragten: „Was ist das für Musik ohne richtiges Drumset?“ Für ihn aber breche eine neue Zeit an, so Stewart Copeland.
Musikredakteurin Juliane Reil über Stewart Copeland
06.01.2022
06:59 Minuten
Makaya McCraven: Das Schlagzeug neu denken
Makaya McCraven ist ein Trommler, der das Schlagzeug auf eine neue Ebene gehoben hat. In den vergangenen zwei, drei Jahren wurde er, auch hierzulande, geradezu gefeiert. Er ist Teil der sehr kreativen Szene in Chicago, die – besonders durch das International Anthem Label – auch bei uns für Begeisterung sorgt.
Eher selten bei Drummern: dass sie Bandleader sind. McCraven hat nicht nur eine Band, sie erweitert sich auch oft um andere Musiker. Fast alle seine Alben sind bearbeitete Live-Mitschnitte, entstanden mit Leuten etwa aus Los Angeles, Paris und London.
Makaya McCraven bezeichnet sich als "Beat Scientist". Er schneidet seine Shows mit und bearbeitet das Material am Computer, teilweise werden Dinge hinzugefügt. Die Band lernt diese Stücke und improvisiert wiederum damit. Dieser Prozess geht immer weiter. In seinen neueren Produktionen ist kaum mehr auszumachen, was live ist, was post-produziert oder schlicht gesampelt wurde.
Was Makaya McCraven macht, ist bedeutend für die aktuelle Entwicklung im Jazz. Die Postproduktion wird eigentlich genau so wichtig wie die Beherrschung des Instruments. Und: Die Postproduktion liegt in den Händen der Musikerinnen und Musiker. Da ist ein neues Virtuosentum entstanden. Dieses Aufbrechen von Strukturen und Grenzen war und ist nötig – und der Erfolg gibt dem recht.
Musikjournalist Andreas Müller über Makaya McCraven
07.01.2022
08:23 Minuten
Das Drumset jenseits von Rock & Pop
Onlinetexte: abr/leg