DSO Berlin / Rundfunkchor mit Vladimir Ashkenazy

Feuerdieb Prometheus bei Skrjabin

Der Titan Prometheus erschafft mit dem gestohlenen Feuer den ersten Menschen - nachkolorierter französischer Stich aus dem 17. Jahrhundert
Der Titan Prometheus erschafft mit dem gestohlenen Feuer den ersten Menschen - nachkolorierter französischer Stich aus dem 17. Jahrhundert © imago images/KHARBINE-TAPABOR
Moderation: Volker Michael |
Alexander Skrjabin eröffnete sein sinfonisches Schaffen mit einem Werk in ähnlich großer Musikersträke wie Beethovens Neunte: Orchester, Solisten und Chor. Ähnlich groß besetzt, dem Stoff angemessen, sein "Prometheus", der das Publikum regelrecht entflammte.
Mit dieser Sendung endet unsere aktuelle Reihe mit Musik im XXL Format – Sinfonien und Oden mit großem Orchester, Solisten und Chören. Es ist Musik, die derzeit nach den neuen Gesetzen der Pandemie nicht aufführbar scheint. Wir haben in unsere Archive geschaut und viele interessante Aufnahmen gefunden.

Skrjabins Hang zur Größe

Die sechste Folge ist allein dem russischen Komponisten Alexander Skrjabin gewidmet. Er gilt als großer Mystiker und individueller Neuerer der Musikwelt. Im Juni 1994 spielte das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin unter Leitung seines damaligen Chefdirigenten Vladimir Ashkenazy.
Normalerweise tritt dieses Orchester in der Philharmonie Berlin auf, doch im Jahr 1994 wurde das Haus im Bezirk Tiergarten renoviert. Deshalb gestaltete das Orchester seinen reinen Skrjabin-Abend im Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Mit dabei waren der Rundfunkchor Berlin und zwei Vokalsolisten und ein Instrumentalsolist. Auf dem Programm standen die erste Sinfonie und die Dichtung "Prometheus" des Moskauer Komponisten.
Der 1963 ausgebürgerte russische Pianist, Kammermusiker und Dirigent Vladimir Ashkenazy dirigiert 1999 das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin im Forum Leverkusen.
Der 1963 ausgebürgerte russische Pianist, Kammermusiker und Dirigent Vladimir Ashkenazy dirigiert 1999 das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin im Forum Leverkusen.© picture alliance / dpa / Hermann Wöstmann
Alexander Skrjabin hatte einen Drang ins Weite und Große beim Komponieren. Eigentlich war er aber ein komponierender Pianist wie so viele Künstler Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts. Bei der Musik Frédéric Chopins hatte seine Reise begonnen, also eher bescheiden, was die Zahl der Mitwirkenden und die Länge der Werke angeht.
Die meisten der russischen Komponisten ließ Skrjabin links liegen - als junger Mann soll er Peter Tschaikowskys Musik verachtet haben. Und auch die akademischen Lehrmeinungen, die einen russischen Sonderweg propagierten, reizten ihn nicht wirklich. An Richard Wagner interessierten ihn nur die lebendig-jugendlichen Aspekte.

Ganz im Stile Beethovens

Passend fürs Jubiläumsjahr 2020 ist allerdings das Vorbild, das sich Skrjabin für seinen sinfonischen Erstling gewählt hatte – Ludwig van Beethoven mit seiner Neunten Sinfonie mit einem Vokalfinale mit Soli und Chor. 1899 komponierte Alexander Skrjabin im zarten Alter von 28 eine Sinfonie mit sechs Sätzen für großes Orchester, mit Sopran und Tenor und Chor.
Im Kern ist das eine ziemlich traditionelle Sinfonie, besonders ist vor allem der letzte Satz. Hierin singen die beiden Solisten und der Chor ein Loblied auf die Kunst. Die Worte stammen vom Komponisten selbst. "O Wunderbares Bild der Gottheit / Der Harmonien reine Kunst / Dir bringen wir in Freundschaft / Das Lob des begeisterten Gefühls" – am Ende steht allerdings eine kunstvoll-majestätische Chorfuge - ganz wie in einem Oratorium des Barock oder auch der Klassik.

Prometheus entflammt das Publikum

Neue Klangwelten zu erschließen gelingt einfacher, wenn man das ganz Große und Kraftvolle besingt, sei es auch ohne Worte wie in Skrjabins Dichtung "Prometheus". Der russische Komponist gab diesem Schöpfungsmythos in seinem symphonischen Werk den Untertitel "le poème du feu / Gedicht des Feuers".
Ein wenig hat Skrjabin wohl damit auch sich selbst charakterisiert. Er wollte seine Zuhörer mit seiner Musik erleuchtenund entflammen. Deshalb wählte er eine überwältigende Klangsprache, der aber alles Tradtionelle diesmal fremd ist. "Prometheus ist ein Symbol", so der Meister selbst, "das in allen alten Lehren begegnet. Da ist die aktive Energie des Universums, das schöpferische Prinzip, es ist Feuer, Licht, Leben, Kampf, Kräftigung, Gedanke." Die Mittel, die Skrjabin für sein sinfonisches Feuergedicht wählt, sind gewaltig: Ein riesiges Orchester inklusive Orgel und Glocken, ein Soloklavier und ein Chor. Das Publikum ist ob der Gewaltigkeit der Musik erschrocken bis fasziniert.
Konzerthaus Berlin
Aufzeichnung vom 3. Juni 1994
Alexander Skrjabin
Sinfonie Nr. 1 E-Dur für zwei Solostimmen, gemischten Chor und Orchester op. 26
"Prometheus" für Orchester, Chor und Klavier

Brigitte Balleys, Mezzosopran
Sergej Larin, Tenor
Peter Jablonski, Klavier
Bernhard Hartog, Violine
Rundfunkchor Berlin
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Vladimir Ashkenazy

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