Dudelsack, Kilt und Whisky
Schottland gehört zwar zu Großbritannien, doch das Land im Norden der britischen Inseln ist anders als England – und die Menschen sind es ebenfalls. Sie sind – so sagt man – ein bisschen wilder als ihre Landsleute im Süden.
Mehr als 80 Musiker ziehen über eine große Wiese – Dudelsack-Spieler und Trommler von vier Kapellen, die sich für diesen Auftritt zusammengetan haben. Es ist ein prächtiges Bild, wie sie da im Gleichschritt im Rhythmus der Musik über den Platz marschieren. Natürlich tragen alle einen Kilt, Federmützen, weiße Kniestrümpfe, schwarze, blank gewienerte Schuhe mit Gamaschen.
Mit dem Einzug der Dudelsack-Kapellen beginnen offiziell die Highland Games von Oldmeldrum, einem kleinen Ort nördlich von Aberdeen. Rund um den Festplatz sind Bänke für die Zuschauer aufgestellt, in Zelten und an Ständen gibt es Würstchen, Steaks und Getränke – es herrscht Volksfest-Atmosphäre. Nur das Wetter spielt nicht ganz mit – es weht ein kräftiger Wind, und auch ein paar Tropfen fallen vom Himmel. Aber dafür haben sich manche Schotten Angelzelte mitgebracht, sie bieten Schutz vor dem ungemütlichen Wetter.
Diese Hochland-Spiele haben eine lange Tradition und finden an vielen Orten der schottischen Highlands statt. Ihren Ursprung haben sie in alten Zeiten, als die Clan-Chefs auf der Suche nach kräftigen Männern waren. Peter Nichol ist einer der Kampfrichter:
"Früher haben die Gutsherren die schnellsten Läufer gesucht, um Nachrichten an andere Clans zu schicken. Und starke Männer wählten sie als Leibwächter, die dann gegeneinander antraten. Man nahm einen Stein aus dem Fluss, den sie dann weit werfen mussten. So fand man heraus, wer der Stärkste war. Derjenige durfte dann der persönliche Leibwächter werden."
Zu den besonderen Sportarten gehört das Werfen eines Gewichtes rückwärts über den Kopf über eine etwa drei Meter hohe Latte. Das ist auch deshalb schwierig, weil der Kilt beim Werfen im Weg ist – natürlich tragen bei diesen Wettbewerben alle Sportler einen "Schottenrock". Am schwierigsten aber ist "tossing the caber", bei dem ein Baumstamm – etwa so lang und dick wie ein Telegrafenmast – hochgehoben und mithilfe der Hände und der Schultern ausbalanciert und dann so geworfen werden muss, dass er sich einmal überschlägt und gerade – ausgerichtet auf die Zwölf – liegen bleibt.
Einer der beteiligten Sportler, groß und kräftig, sagt:
"Ich genieße diese Spiele. Auch wenn das Wetter nicht gut ist."
Der 20-Jährige trainiert zweimal die Woche und spielt auch noch Rugby: Sportarten für harte Männer eben.
Robbie Shepherd, pensionierter Moderator der BBC, präsentiert seit über 30 Jahren die Highland Games von Oldmeldrum.
"Sie sind ein sehr wichtiger Teil der schottischen Kultur. Die Highland Games sind zwar eine Touristenattraktion, aber sehr stark in die Tradition Schottlands eingebunden wie auch die schottische Musik und die schottischen Tänze. Das macht Schottland aus. Wir müssen die Tradition pflegen, wir müssen unsere eigene Identität in Schottland bewahren."
Im Laufe des Tages bessert sich das Wetter in Oldmeldrum. Mehrere Wettkämpfe, im Laufen und im Hochsprung, laufen parallel. Und die Zuschauer amüsieren sich bei Speis und Trank oder schauen bei der Vorführung schottischer Volkstänze zu.
Dann aber dringen plötzlich ganz andere Laute über dem Platz:
Mit verzerrten Gesichtern und hochroten Köpfen ziehen 16 Männer an einem Seil – von zwei Seiten selbstverständlich, acht auf jeder Seite. Und die Trainer feuern sie an, brüllen so laut sie können.
Minuten lang zerren die beiden Mannschaften auf ihrer jeweiligen Seite an dem etwa 20 Meter langen Seil. Lange bewegt sich gar nichts, dann plötzlich bekommt ein Team die Überhand, zieht das Seil zentimeterweise wie in Zeitlupe auf seine Seite. Die andere Mannschaft stemmt sich dagegen, die Männer hängen in Schräglage knapp über dem Boden – aber es hilft nichts: Sie verlieren diesen Kampf.
Wenn in Schottland gefeiert wird, sind Bagpipe Bands immer dabei - der Dudelsack gehört einfach dazu. Pipe Major William Hapburon spielt das Instrument schon seit seiner Jugend und findet es nicht schwer:
"Wir legen einfach los und versuchen, so gut zu spielen, wie wir können. Das Ganze muss klingen, als würde nur ein Musiker spielen."
Das hört sich leichter an, als es ist. Denn beim Spielen eines Dudelsacks muss man drei Dinge gleichzeitig machen:
"Man bläst über das Anblasrohr in den Windsack und füllt ihn so mit Luft. Dann fließt die Luft von dem Sack durch das Rohrblatt in die Basspfeifen. Die Basspfeifen erzeugen einen Brummton. Die Luft strömt dann in die Melodiepfeife, über die man durch Öffnen und Schließen der Grifflöcher die Melodie spielt. Man muss dann die Basspfeifen auf die Melodiepfeife abstimmen, sodass alles harmonisch klingt."
Bei den Highland Games sind viele echte Schotten anzutreffen – kräftige Männer im Kilt, denen man ansieht, dass sie abends gern einen Whisky trinken. Zu dieser Sorte von Männern gehört Bill Barclay. Er spielt auch in einer Pipe-Band, er schlägt die Trommel. Außerdem hat er einen Job, den es wohl nur in Schottland gibt: Er ist Kilt-Schneider.
Der Kilt, von Deutschen auch Schottenrock genannt, ist seit Jahrhunderten die traditionelle Bekleidung der Schotten. Die typischen Karo-Muster werden Tartan genannt. Sie zeigen an, zu welchem Clan der Träger gehört. Clans waren früher Gruppen von Familien in einer bestimmten Region, die sich zusammengehörig fühlten und von einem Clan-Chef geführt wurden.
Bills Werkstatt befindet sich in einem kleinen Anbau seines Wohnhauses in Oldmeldrum. Ein großes Fenster bietet einen Blick in den blühenden Garten – hier lässt es sich gut arbeiten. Dabei trägt Bill Jeans!
"Der Schottenrock kann bei jeder Gelegenheit getragen werden. Beim Besuch von Fußball- und Rugby-Spielen oder am Sonntag. Freunde von mir tragen ihren Kilt sogar im Garten. Er ist bequem, sehr luftig, wie man sich vorstellen kann. Sie werden jetzt sehr häufig getragen. Mehr noch als vor ein paar Jahren."
Bill, Mitte fünfzig und nicht mehr ganz schlank, lobt ausführlich, wie bequem ein Kilt zu tragen ist, der über der Hüfte sitzt und bis zur Mitte der Knie reichen sollte. Bill ist ein typischer Schotte – freundlich, sehr gelassen, das Leben offensichtlich genießend. Und so charakterisiert er auch seine Landsleute:
"Es gibt einen typischen schottischen Charakter. Schotten sind gelassener. Man nimmt das Leben, wie es kommt, Tag für Tag, Woche für Woche und Monat für Monat. Schotten sind bodenständig. Sie sind unbekümmert, arbeiten hart und sind zuverlässig."
Der Kilt-Macher, der früher als Polizist gearbeitet hat, gehört zu den Befürwortern einer stärkeren Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien. Laut Umfragen sind etwa 30 Prozent der Schotten dafür – die Schottische Nationalpartei hat sich die Unabhängigkeit zum Ziel gesetzt, aber die Mehrheit der Schotten hat gegen die Union mit England nichts einzuwenden.
"Ich hätte gern ein unabhängiges Schottland. Aber ob die Lösung von London noch zu meiner Lebzeit geschieht, bleibt abzuwarten."
Als echter Schotte trinkt Bill Barclay natürlich gern Whisky. Wie gern, das hört man, wenn er schildert, wie er ihn am liebsten genießt:
"Man nimmt ein winziges Stück Eis in seinen Whisky. Ich lasse das Eis langsam im Glas schmelzen, schwenke das Glas sanft und senke dann die Nase ins Glas und atme tief ein. Dann entfalten sich alle Aromastoffe. Einfach schön. Man kann geradezu die Landschaft schmecken – oder riechen. Herrlich. Dann nimmt man einen kleinen Schluck und spürt, wie sich der Whisky auf der Zunge entfaltet und den Rachen herunterläuft. Einfach herrlich, wenn der Whisky die Kehle `runterläuft und den Brustkorb aufwärmt."
Zu Schottland gehören nicht nur der Whisky und die Highland Games, sondern natürlich auch Nessie, das Ungeheuer von Loch Ness. Der zweitgrößte schottische See ist die wahrscheinlich bekannteste Sehenswürdigkeit des Landes. 37 Kilometer lang, etwa eineinhalb Kilometer breit und bis zu 300 Meter tief ist der See. Dort lebt es angeblich: Nessie. Diesem Wesen ist das Loch Ness Exhibition Center gewidmet:
Nur wenige haben Nessie tatsächlich gesehen. Obwohl ernsthafte Forscher wie der Biologe Adrian Shine intensiv gesucht haben:
"Wir geben uns große Mühe, den See zu erforschen. Mehr als über 1.000 Menschen haben berichtet, dass sie so etwas wie ein großes Tier gesehen haben. Aber wir Wissenschaftler haben auch mit moderner Technik wie Unterwasserkameras im Loch Ness keine großen Lebewesen gefunden. Deshalb versuche ich herauszufinden, was das ist, was die Menschen gesehen haben."
Die Existenz eines Sauriers oder eines Riesenreptils schließt der Biologe also aus. Was aber kann es dann gewesen sein, was durchaus ernsthafte Menschen gesehen und zum Teil auch fotografiert haben? Shine sieht verschiedene Erklärungsmöglichkeiten:
"Von fahrenden Booten verursachte Wellen können wie eine Seeschlange aussehen. Wasservögel können seltsam wirken. Es gibt Situationen, in denen sich das Wasser auffällig verändert. Oder es sind Objekte an der Oberfläche, von denen man zunächst annimmt, es handelt sich um Müll, Holz oder Baumstümpfe, und wenn die sich dann im Wind bewegen, kann man sie fälschlicherweise für Lebewesen halten."
So bleibt das Mysterium ungelöst, was für die schottische Tourismus-Branche letztlich nur von Vorteil sein kann.
Zu den größten Attraktionen Schottlands gehören – neben der atemberaubenden Landschaft - die Burgen. Es gibt unzählige, jede ist anders – jede erzählt ihre eigene Geschichte. Manche sehen aus wie aus einem Märchen, einige wirken kitschig, als ob sie in Disneyland stünden. Ganz viele aber haben eine mystische Ausstrahlung. Zum Beispiel Dunnottar Castle, südlich von Aberdeen. Es liegt auf einer schroffen Felsnase direkt am Meer, auf drei Seiten fallen die Felsen senkrecht in die Nordsee, von der Landseite her muss man einen steilen Pfad hinauf. Die Überreste von elf Gebäuden stehen auf dem Gelände – die Atmosphäre ist je nach Wetterlage unheimlich bis geheimnisvoll – es fällt leicht, sich hier ins Mittelalter zurück zu versetzen.
Es gibt aber auch Schlösser, die noch heute bewohnt sind. Inveraray Castle war eines der ersten, das seine noblen Pforten für die Öffentlichkeit öffnete. Das war schon 1953.
"Willkommen in Inveraray Castle, das die Heimat des 13. Herzogs und der Herzogin von Argyll ist. Er ist nicht nur der 13. Herzog, sondern auch der 27. Chef des Campbell-Clans. Er ist verheiratet mit Eleanor, geborene Cadbury."
Inveraray Castle stammt nicht aus dem Mittelalter. Mit dem Bau wurde erst 1746 begonnen. 40 Jahre dauerte es bis zur Fertigstellung. Es hat auch wenig Ähnlichkeit mit den deutlich älteren Trutzburgen in den Highlands, es war nie eine Verteidigungsanlage, sondern ist eher dem Vorbild französischer Schlösser gefolgt. Von Weitem sieht es mit seinen vier runden Türmen an den Ecken ein bisschen wie ein Märchenschloss aus.
Das Schloss macht einen äußerst gepflegten Eindruck. Immer wieder stößt man auf Absperrungen und Schilder, auf denen steht: privat. Denn der Duke of Argyll lebt hier mit seiner Familie. Nervt ihn das nicht, in einem Schloss zu wohnen, durch das täglich Hunderte Besucher strömen?
"Ich bin damit aufgewachsen. Daher ist es für mich kein großes Problem. In der Hochsaison im Juli und August haben wir manchmal 1.000 bis 1.500 Besucher am Tag. Und da fühlt man sich manchmal wie ein Goldfisch im Glas, wenn die Leute einen anstarren. Aber ich bin daran gewöhnt."
Der Herzog von Argyll räumt ein, dass auch finanzielle Aspekte eine Rolle spielen. Der Unterhalt des Schlosses und der Ländereien kostet viel Geld, öffentliche Zuschüsse gibt es nicht. Da helfen die Einnahmen aus den Eintrittsgebühren, der Gastronomie und dem Verkauf von Souvenirs. Auch wenn der Duke die Sommermonate lieber in London verbringt, sieht er seinen Lebensmittelpunkt eindeutig in Schottland:
"Meine Hauptarbeit und mein Büro sind in Schottland. Daher verbringe ich eine beträchtliche Zeit im Schloss. Ich würde sagen, drei Viertel des Jahres bin ich in Schottland. Das ist der Platz, den ich liebe. Schottland ist meine Leidenschaft. Daher verbringe ich dort so viel Zeit wie möglich. Mein Herz liegt in Schottland."
Der Herzog von Argyll, der beruflich auch in Sachen Whisky viel in der Welt herumreist, ist auch Oberhaupt des Clans der Campbells. Die Clans spielen heute politisch keine Rolle mehr, aber für den Zusammenhalt der Familie ist er trotzdem noch wichtig:
"Es gibt Campbells in der ganzen Welt. Es gibt viele Millionen. Und im gewissen Sinn bin ich das Oberhaupt einer sehr großen Familie. Die Menschen sind sehr interessiert daran herauszufinden, woher sie kommen, woher ihre Familien stammen. Es gibt in der Welt viele Clan Campbell-Gesellschaften. Und die wünschen sich, dass ich mit ihnen regelmäßig zusammenkomme, aber das ist schwierig. Ich versuche natürlich, so viel Zeit wie möglich mit Campbells zu verbringen. Wenn Campbells in das Schloss kommen, dann rufen sie oft meinen Sekretär an und sagen, ich bin ein Campbell, wir kommen bei ihnen vorbei, können wir den Herzog treffen? Und wenn ich da bin, dann tue ich mein Bestes, ich treffe sie gerne."
Und was hält ein schottischer Adeliger von einem unabhängigen Schottland?
"Ich bin Brite, ein Bürger des Vereinigten Königreichs. Ich bin auch sehr stolz darauf, ein Schotte zu sein. Aber letztlich bin ich Brite, ich bin überzeugt vom Vereinigten Königreich."
Mit dem Einzug der Dudelsack-Kapellen beginnen offiziell die Highland Games von Oldmeldrum, einem kleinen Ort nördlich von Aberdeen. Rund um den Festplatz sind Bänke für die Zuschauer aufgestellt, in Zelten und an Ständen gibt es Würstchen, Steaks und Getränke – es herrscht Volksfest-Atmosphäre. Nur das Wetter spielt nicht ganz mit – es weht ein kräftiger Wind, und auch ein paar Tropfen fallen vom Himmel. Aber dafür haben sich manche Schotten Angelzelte mitgebracht, sie bieten Schutz vor dem ungemütlichen Wetter.
Diese Hochland-Spiele haben eine lange Tradition und finden an vielen Orten der schottischen Highlands statt. Ihren Ursprung haben sie in alten Zeiten, als die Clan-Chefs auf der Suche nach kräftigen Männern waren. Peter Nichol ist einer der Kampfrichter:
"Früher haben die Gutsherren die schnellsten Läufer gesucht, um Nachrichten an andere Clans zu schicken. Und starke Männer wählten sie als Leibwächter, die dann gegeneinander antraten. Man nahm einen Stein aus dem Fluss, den sie dann weit werfen mussten. So fand man heraus, wer der Stärkste war. Derjenige durfte dann der persönliche Leibwächter werden."
Zu den besonderen Sportarten gehört das Werfen eines Gewichtes rückwärts über den Kopf über eine etwa drei Meter hohe Latte. Das ist auch deshalb schwierig, weil der Kilt beim Werfen im Weg ist – natürlich tragen bei diesen Wettbewerben alle Sportler einen "Schottenrock". Am schwierigsten aber ist "tossing the caber", bei dem ein Baumstamm – etwa so lang und dick wie ein Telegrafenmast – hochgehoben und mithilfe der Hände und der Schultern ausbalanciert und dann so geworfen werden muss, dass er sich einmal überschlägt und gerade – ausgerichtet auf die Zwölf – liegen bleibt.
Einer der beteiligten Sportler, groß und kräftig, sagt:
"Ich genieße diese Spiele. Auch wenn das Wetter nicht gut ist."
Der 20-Jährige trainiert zweimal die Woche und spielt auch noch Rugby: Sportarten für harte Männer eben.
Robbie Shepherd, pensionierter Moderator der BBC, präsentiert seit über 30 Jahren die Highland Games von Oldmeldrum.
"Sie sind ein sehr wichtiger Teil der schottischen Kultur. Die Highland Games sind zwar eine Touristenattraktion, aber sehr stark in die Tradition Schottlands eingebunden wie auch die schottische Musik und die schottischen Tänze. Das macht Schottland aus. Wir müssen die Tradition pflegen, wir müssen unsere eigene Identität in Schottland bewahren."
Im Laufe des Tages bessert sich das Wetter in Oldmeldrum. Mehrere Wettkämpfe, im Laufen und im Hochsprung, laufen parallel. Und die Zuschauer amüsieren sich bei Speis und Trank oder schauen bei der Vorführung schottischer Volkstänze zu.
Dann aber dringen plötzlich ganz andere Laute über dem Platz:
Mit verzerrten Gesichtern und hochroten Köpfen ziehen 16 Männer an einem Seil – von zwei Seiten selbstverständlich, acht auf jeder Seite. Und die Trainer feuern sie an, brüllen so laut sie können.
Minuten lang zerren die beiden Mannschaften auf ihrer jeweiligen Seite an dem etwa 20 Meter langen Seil. Lange bewegt sich gar nichts, dann plötzlich bekommt ein Team die Überhand, zieht das Seil zentimeterweise wie in Zeitlupe auf seine Seite. Die andere Mannschaft stemmt sich dagegen, die Männer hängen in Schräglage knapp über dem Boden – aber es hilft nichts: Sie verlieren diesen Kampf.
Wenn in Schottland gefeiert wird, sind Bagpipe Bands immer dabei - der Dudelsack gehört einfach dazu. Pipe Major William Hapburon spielt das Instrument schon seit seiner Jugend und findet es nicht schwer:
"Wir legen einfach los und versuchen, so gut zu spielen, wie wir können. Das Ganze muss klingen, als würde nur ein Musiker spielen."
Das hört sich leichter an, als es ist. Denn beim Spielen eines Dudelsacks muss man drei Dinge gleichzeitig machen:
"Man bläst über das Anblasrohr in den Windsack und füllt ihn so mit Luft. Dann fließt die Luft von dem Sack durch das Rohrblatt in die Basspfeifen. Die Basspfeifen erzeugen einen Brummton. Die Luft strömt dann in die Melodiepfeife, über die man durch Öffnen und Schließen der Grifflöcher die Melodie spielt. Man muss dann die Basspfeifen auf die Melodiepfeife abstimmen, sodass alles harmonisch klingt."
Bei den Highland Games sind viele echte Schotten anzutreffen – kräftige Männer im Kilt, denen man ansieht, dass sie abends gern einen Whisky trinken. Zu dieser Sorte von Männern gehört Bill Barclay. Er spielt auch in einer Pipe-Band, er schlägt die Trommel. Außerdem hat er einen Job, den es wohl nur in Schottland gibt: Er ist Kilt-Schneider.
Der Kilt, von Deutschen auch Schottenrock genannt, ist seit Jahrhunderten die traditionelle Bekleidung der Schotten. Die typischen Karo-Muster werden Tartan genannt. Sie zeigen an, zu welchem Clan der Träger gehört. Clans waren früher Gruppen von Familien in einer bestimmten Region, die sich zusammengehörig fühlten und von einem Clan-Chef geführt wurden.
Bills Werkstatt befindet sich in einem kleinen Anbau seines Wohnhauses in Oldmeldrum. Ein großes Fenster bietet einen Blick in den blühenden Garten – hier lässt es sich gut arbeiten. Dabei trägt Bill Jeans!
"Der Schottenrock kann bei jeder Gelegenheit getragen werden. Beim Besuch von Fußball- und Rugby-Spielen oder am Sonntag. Freunde von mir tragen ihren Kilt sogar im Garten. Er ist bequem, sehr luftig, wie man sich vorstellen kann. Sie werden jetzt sehr häufig getragen. Mehr noch als vor ein paar Jahren."
Bill, Mitte fünfzig und nicht mehr ganz schlank, lobt ausführlich, wie bequem ein Kilt zu tragen ist, der über der Hüfte sitzt und bis zur Mitte der Knie reichen sollte. Bill ist ein typischer Schotte – freundlich, sehr gelassen, das Leben offensichtlich genießend. Und so charakterisiert er auch seine Landsleute:
"Es gibt einen typischen schottischen Charakter. Schotten sind gelassener. Man nimmt das Leben, wie es kommt, Tag für Tag, Woche für Woche und Monat für Monat. Schotten sind bodenständig. Sie sind unbekümmert, arbeiten hart und sind zuverlässig."
Der Kilt-Macher, der früher als Polizist gearbeitet hat, gehört zu den Befürwortern einer stärkeren Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien. Laut Umfragen sind etwa 30 Prozent der Schotten dafür – die Schottische Nationalpartei hat sich die Unabhängigkeit zum Ziel gesetzt, aber die Mehrheit der Schotten hat gegen die Union mit England nichts einzuwenden.
"Ich hätte gern ein unabhängiges Schottland. Aber ob die Lösung von London noch zu meiner Lebzeit geschieht, bleibt abzuwarten."
Als echter Schotte trinkt Bill Barclay natürlich gern Whisky. Wie gern, das hört man, wenn er schildert, wie er ihn am liebsten genießt:
"Man nimmt ein winziges Stück Eis in seinen Whisky. Ich lasse das Eis langsam im Glas schmelzen, schwenke das Glas sanft und senke dann die Nase ins Glas und atme tief ein. Dann entfalten sich alle Aromastoffe. Einfach schön. Man kann geradezu die Landschaft schmecken – oder riechen. Herrlich. Dann nimmt man einen kleinen Schluck und spürt, wie sich der Whisky auf der Zunge entfaltet und den Rachen herunterläuft. Einfach herrlich, wenn der Whisky die Kehle `runterläuft und den Brustkorb aufwärmt."
Zu Schottland gehören nicht nur der Whisky und die Highland Games, sondern natürlich auch Nessie, das Ungeheuer von Loch Ness. Der zweitgrößte schottische See ist die wahrscheinlich bekannteste Sehenswürdigkeit des Landes. 37 Kilometer lang, etwa eineinhalb Kilometer breit und bis zu 300 Meter tief ist der See. Dort lebt es angeblich: Nessie. Diesem Wesen ist das Loch Ness Exhibition Center gewidmet:
Nur wenige haben Nessie tatsächlich gesehen. Obwohl ernsthafte Forscher wie der Biologe Adrian Shine intensiv gesucht haben:
"Wir geben uns große Mühe, den See zu erforschen. Mehr als über 1.000 Menschen haben berichtet, dass sie so etwas wie ein großes Tier gesehen haben. Aber wir Wissenschaftler haben auch mit moderner Technik wie Unterwasserkameras im Loch Ness keine großen Lebewesen gefunden. Deshalb versuche ich herauszufinden, was das ist, was die Menschen gesehen haben."
Die Existenz eines Sauriers oder eines Riesenreptils schließt der Biologe also aus. Was aber kann es dann gewesen sein, was durchaus ernsthafte Menschen gesehen und zum Teil auch fotografiert haben? Shine sieht verschiedene Erklärungsmöglichkeiten:
"Von fahrenden Booten verursachte Wellen können wie eine Seeschlange aussehen. Wasservögel können seltsam wirken. Es gibt Situationen, in denen sich das Wasser auffällig verändert. Oder es sind Objekte an der Oberfläche, von denen man zunächst annimmt, es handelt sich um Müll, Holz oder Baumstümpfe, und wenn die sich dann im Wind bewegen, kann man sie fälschlicherweise für Lebewesen halten."
So bleibt das Mysterium ungelöst, was für die schottische Tourismus-Branche letztlich nur von Vorteil sein kann.
Zu den größten Attraktionen Schottlands gehören – neben der atemberaubenden Landschaft - die Burgen. Es gibt unzählige, jede ist anders – jede erzählt ihre eigene Geschichte. Manche sehen aus wie aus einem Märchen, einige wirken kitschig, als ob sie in Disneyland stünden. Ganz viele aber haben eine mystische Ausstrahlung. Zum Beispiel Dunnottar Castle, südlich von Aberdeen. Es liegt auf einer schroffen Felsnase direkt am Meer, auf drei Seiten fallen die Felsen senkrecht in die Nordsee, von der Landseite her muss man einen steilen Pfad hinauf. Die Überreste von elf Gebäuden stehen auf dem Gelände – die Atmosphäre ist je nach Wetterlage unheimlich bis geheimnisvoll – es fällt leicht, sich hier ins Mittelalter zurück zu versetzen.
Es gibt aber auch Schlösser, die noch heute bewohnt sind. Inveraray Castle war eines der ersten, das seine noblen Pforten für die Öffentlichkeit öffnete. Das war schon 1953.
"Willkommen in Inveraray Castle, das die Heimat des 13. Herzogs und der Herzogin von Argyll ist. Er ist nicht nur der 13. Herzog, sondern auch der 27. Chef des Campbell-Clans. Er ist verheiratet mit Eleanor, geborene Cadbury."
Inveraray Castle stammt nicht aus dem Mittelalter. Mit dem Bau wurde erst 1746 begonnen. 40 Jahre dauerte es bis zur Fertigstellung. Es hat auch wenig Ähnlichkeit mit den deutlich älteren Trutzburgen in den Highlands, es war nie eine Verteidigungsanlage, sondern ist eher dem Vorbild französischer Schlösser gefolgt. Von Weitem sieht es mit seinen vier runden Türmen an den Ecken ein bisschen wie ein Märchenschloss aus.
Das Schloss macht einen äußerst gepflegten Eindruck. Immer wieder stößt man auf Absperrungen und Schilder, auf denen steht: privat. Denn der Duke of Argyll lebt hier mit seiner Familie. Nervt ihn das nicht, in einem Schloss zu wohnen, durch das täglich Hunderte Besucher strömen?
"Ich bin damit aufgewachsen. Daher ist es für mich kein großes Problem. In der Hochsaison im Juli und August haben wir manchmal 1.000 bis 1.500 Besucher am Tag. Und da fühlt man sich manchmal wie ein Goldfisch im Glas, wenn die Leute einen anstarren. Aber ich bin daran gewöhnt."
Der Herzog von Argyll räumt ein, dass auch finanzielle Aspekte eine Rolle spielen. Der Unterhalt des Schlosses und der Ländereien kostet viel Geld, öffentliche Zuschüsse gibt es nicht. Da helfen die Einnahmen aus den Eintrittsgebühren, der Gastronomie und dem Verkauf von Souvenirs. Auch wenn der Duke die Sommermonate lieber in London verbringt, sieht er seinen Lebensmittelpunkt eindeutig in Schottland:
"Meine Hauptarbeit und mein Büro sind in Schottland. Daher verbringe ich eine beträchtliche Zeit im Schloss. Ich würde sagen, drei Viertel des Jahres bin ich in Schottland. Das ist der Platz, den ich liebe. Schottland ist meine Leidenschaft. Daher verbringe ich dort so viel Zeit wie möglich. Mein Herz liegt in Schottland."
Der Herzog von Argyll, der beruflich auch in Sachen Whisky viel in der Welt herumreist, ist auch Oberhaupt des Clans der Campbells. Die Clans spielen heute politisch keine Rolle mehr, aber für den Zusammenhalt der Familie ist er trotzdem noch wichtig:
"Es gibt Campbells in der ganzen Welt. Es gibt viele Millionen. Und im gewissen Sinn bin ich das Oberhaupt einer sehr großen Familie. Die Menschen sind sehr interessiert daran herauszufinden, woher sie kommen, woher ihre Familien stammen. Es gibt in der Welt viele Clan Campbell-Gesellschaften. Und die wünschen sich, dass ich mit ihnen regelmäßig zusammenkomme, aber das ist schwierig. Ich versuche natürlich, so viel Zeit wie möglich mit Campbells zu verbringen. Wenn Campbells in das Schloss kommen, dann rufen sie oft meinen Sekretär an und sagen, ich bin ein Campbell, wir kommen bei ihnen vorbei, können wir den Herzog treffen? Und wenn ich da bin, dann tue ich mein Bestes, ich treffe sie gerne."
Und was hält ein schottischer Adeliger von einem unabhängigen Schottland?
"Ich bin Brite, ein Bürger des Vereinigten Königreichs. Ich bin auch sehr stolz darauf, ein Schotte zu sein. Aber letztlich bin ich Brite, ich bin überzeugt vom Vereinigten Königreich."