Duell ohne Sieger
In dieser Nacht, am Ende des Spanischen Bürgerkriegs, wird abgerechnet: Onetti folgt einem Verlierer des Krieges auf der Flucht. Parallel dazu beobachtet er den Verfolger des Verlierers. Beide haben Schuld aufgeladen, moralisch haben sie beide verloren.
Eigentlich sollte dieses Buch erst im November erscheinen, im Band 1 der Gesammelten Werke des Juan Carlos Onetti: Aber zum 100. Geburtstag dieses uruguayischen Ausnahmeschriftstellers, dieser grauen Eminenz der lateinamerikanischen Literatur, ist dieses Frühwerk – es ist sein dritter Roman gewesen – schon jetzt auf Deutsch zu lesen.
Onetti lesen ist ein besonderes Erlebnis - eine Lektüre, die ihren Lesern keinerlei Gefälligkeiten erweist, weder sprachlich, noch emotional, noch dramaturgisch. Eine argentinische Kritikerin sprach von "gewaltsamer Prosa" und Mario Vargas Llosa, der jüngere Kollege, schrieb, Onetti habe bereits mit seinem ersten Roman der "spanischsprachigen Prosa die Tür zur Moderne" geöffnet.
"Für diese Nacht" ist ein schwarzer, ein sehr schwarzer Roman, entstanden 1942 unter dem Eindruck des Spanischen Bürgerkriegs und der schweren innenpolitischen Krise Argentiniens, die den Diktator Perón an die Macht gebracht hatte.
Onetti lebte damals in Buenos Aires und diese Stadt spiegelt sich im Roman als Schauplatz eines schmutzigen, zu Ende gehenden Bürgerkriegs. Ossorio, die Hauptfigur, ist ein wichtiger Mann in der Partei und nun auf der Flucht; eine Nacht muss er unter falschem Namen und unerkannt überstehen, dann könnte er, vielleicht, auf einem Schiff entkommen. Sein Gegenspieler ist der Kommissar der politischen Polizei, ein ehemaliger Genosse, Folterer und Mörder.
Im Lauf dieser Nacht wird jede dieser beiden komplementären Gestalten mal Täter und mal Opfer. Einen Sieger, das ist deutlich, gibt es in diesem Krieg nicht – verloren, zumal moralisch, haben ihn alle.
Die einzige Figur, die so etwas wie Integrität verkörpert, ist ein Kind, Tochter eines Parteikaders, die Ossorio anvertraut wird.
Doch Ossorio hat den Tod ihres Vaters verschuldet und sein Verhältnis zu ihr ist zwiespältig wie fast alles an dieser Figur: Er ist zugewandt und gleichgültig, rücksichtslos und besonnen, mutig und feige zugleich, Inkarnation der korrumpierten Tugend. Für ihn gibt es nur das "kollektive Glück, weil das eigene Glück doch verloren, mit Füßen getreten, im Mahlwerk der Tage zerrieben worden war".
Dieser frühe Roman enthält bereits sehr vieles von dem, was später die große Meisterschaft Onettis ausmachte: mit seinen langen mäandernden Satzgebilden – denen, das muss leider gesagt werden, die Übersetzung nicht immer gewachsen ist -, mit seiner radikalen Desillusioniertheit und den ins Traumhafte changierenden Handlungselementen, entfaltet er die dunkle und suggestive Kraft, für die Onetti von seinen Lesern und zahlreichen Epigonen bewundert, gefürchtet und geliebt wird.
Besprochen von Katharina Döbler
Juan Carlos Onetti: Für diese Nacht
Aus dem Spanischen von Svenja Becker
Roman. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009
230 Seiten, € 22,80
Onetti lesen ist ein besonderes Erlebnis - eine Lektüre, die ihren Lesern keinerlei Gefälligkeiten erweist, weder sprachlich, noch emotional, noch dramaturgisch. Eine argentinische Kritikerin sprach von "gewaltsamer Prosa" und Mario Vargas Llosa, der jüngere Kollege, schrieb, Onetti habe bereits mit seinem ersten Roman der "spanischsprachigen Prosa die Tür zur Moderne" geöffnet.
"Für diese Nacht" ist ein schwarzer, ein sehr schwarzer Roman, entstanden 1942 unter dem Eindruck des Spanischen Bürgerkriegs und der schweren innenpolitischen Krise Argentiniens, die den Diktator Perón an die Macht gebracht hatte.
Onetti lebte damals in Buenos Aires und diese Stadt spiegelt sich im Roman als Schauplatz eines schmutzigen, zu Ende gehenden Bürgerkriegs. Ossorio, die Hauptfigur, ist ein wichtiger Mann in der Partei und nun auf der Flucht; eine Nacht muss er unter falschem Namen und unerkannt überstehen, dann könnte er, vielleicht, auf einem Schiff entkommen. Sein Gegenspieler ist der Kommissar der politischen Polizei, ein ehemaliger Genosse, Folterer und Mörder.
Im Lauf dieser Nacht wird jede dieser beiden komplementären Gestalten mal Täter und mal Opfer. Einen Sieger, das ist deutlich, gibt es in diesem Krieg nicht – verloren, zumal moralisch, haben ihn alle.
Die einzige Figur, die so etwas wie Integrität verkörpert, ist ein Kind, Tochter eines Parteikaders, die Ossorio anvertraut wird.
Doch Ossorio hat den Tod ihres Vaters verschuldet und sein Verhältnis zu ihr ist zwiespältig wie fast alles an dieser Figur: Er ist zugewandt und gleichgültig, rücksichtslos und besonnen, mutig und feige zugleich, Inkarnation der korrumpierten Tugend. Für ihn gibt es nur das "kollektive Glück, weil das eigene Glück doch verloren, mit Füßen getreten, im Mahlwerk der Tage zerrieben worden war".
Dieser frühe Roman enthält bereits sehr vieles von dem, was später die große Meisterschaft Onettis ausmachte: mit seinen langen mäandernden Satzgebilden – denen, das muss leider gesagt werden, die Übersetzung nicht immer gewachsen ist -, mit seiner radikalen Desillusioniertheit und den ins Traumhafte changierenden Handlungselementen, entfaltet er die dunkle und suggestive Kraft, für die Onetti von seinen Lesern und zahlreichen Epigonen bewundert, gefürchtet und geliebt wird.
Besprochen von Katharina Döbler
Juan Carlos Onetti: Für diese Nacht
Aus dem Spanischen von Svenja Becker
Roman. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009
230 Seiten, € 22,80