Dürre in Kalifornien

Golden State trocknet aus

Ein Blick aus einem Helikopter auf die Gegend von Los Altos Hills, Kalifornien
Die Dürre in Kalifornien ist gut sichtbar: Die ehemals grüne Landschaft in Los Altos Hills ist verdorrt. © AFP / Jewel Samad
Von Nicole Markwald |
Sonne satt, kaum Regen, ein Winter ohne nennenswerten Schnee - Kalifornien trocknet aus. Ganz unterschiedlich allerdings gehen die Gemeinden des Golden State mit dem Problem der Wasserknappheit um.
Mit einem freundlichen Hallo begrüßt Neal Christen seine Schüler. Keiner der rund 40 Teilnehmer ist freiwillig hier. Ihre Vergehen: Bei Claire war die Rasensprenger-Anlage kaputt, sie verbrauchte mehr Wasser, als ihr zustand. Marilyn hatte ein Wochenende sämtliche Kinder und Enkelkinder zu ihrem 80. Geburtstag zu Gast – auch sie verbrauchte mehr Wasser als erlaubt. Das sind in Santa Cruz rund 950 Liter pro Tag, pro Einfamilienhaus. Einmal im Monat kommen die Kontrolleure vorbei und lesen am Zähler ab, ob die Bewohner bei der vorgeschriebenen Wassermenge geblieben sind. Als die Rechnung kam, traute Marilyn ihren Augen kaum:
"Umgerechnet 740 Euro. Ich habe die angerufen und durchs Telefon gebrüllt. Ich habe noch nie in meinem ganzen Leben zu viel Wasser verbraucht, noch nie. Und man sollte doch meinen, dass sie bei einem Mal erst mal nachfragen – aber nein: 740 Euro. Ich bin an die Decke gegangen.“
Statt einfach nur die Strafgelder zu kassieren, bietet die Stadt Santa Cruz Nachhilfe an. Teilnehmern der so genannten "Water School‘ wird ein Großteil der Strafgebühr erlassen. Und Neal Christen und seine Kollegen nutzen die beiden Stunden für einen Parforceritt durch den Themenkomplex Wasser. Woher bezieht die Stadt das Wasser überhaupt? Wie viel darf jeder Haushalt verbrauchen? Welche Informationen geben Wasserzähler und Wasserrechnung preis? Und wie wirkt sich die aktuelle Dürre auf die kostbare Ressource aus?
"Folks is there any doubt that we’re in a drought?"
Besser vorbereitet als alle anderen
Santa Cruz sei besser auf die schwere Dürre vorbereitet gewesen als die meisten anderen Städte in Kalifornien, erzählt Eileen Cross von der Stadtverwaltung. Und das habe damit zu tun, dass die Stadt grundsätzlich wenig Wasser zur Verfügung habe:
"Während der Rest Kaliforniens jetzt erst angefangen hat, sich damit zu beschäftigen, machen wir das schon seit einer schweren Dürre in den 70ern. Es ist ein sehr präsentes Problem.“
Die Stadt hat einen fünfstufigen Wasser-Notfallplan verabschiedet. Zur Zeit sei Santa Cruz bei Stufe 3 – das Wasser wird rationiert.
Kaliforniens Gouverneur Jerry Brown ist dafür bekannt, ein Mann klarer Worte zu sein. Und so nahm er auch beim Interview mit der ABC-Sendung "This Week" im Frühjahr kein Blatt vor den Mund:
"I can tell you from California: climate change is not a hoax, we’re dealing with it and it’s damn serious.”
Wir in Kalifornien wissen: Der Klimawandel ist kein Witz. Wir befassen uns damit und das ist eine verdammt ernste Sache, so Brown. Der Gouverneur wollte mit seinen alarmierenden Worten auch noch den letzten der 38.8 Millionen Bewohner Kaliforniens aufwecken. Der Bundesstaat steckt im vierten Jahr einer extremen Dürre und muss Wasser sparen, dringend. Noch im vergangenen Jahr hatte seine Regierung in Sacramento eine Empfehlung zum Wassersparen ausgesprochen. In diesem Jahr wurde nicht mehr empfohlen, sondern befohlen. Per Dekret veranlasste Brown, dass die Städte und Gemeinden ihren Wasserverbrauch um ein Viertel zu senken haben. Und das bedeutet, so Brown, dass sich Kalifornien verändern muss:
"People should realize, we’re in a new era, the idea of your nice little green grass getting lots of water every day, that’s gonna be a thing of the past.”
Die Menschen müssen realisieren, dass neue Zeiten angebrochen sind. Das Stückchen grüner Rasen, das jeder vorm Haus hat und täglich wässert – das gehört der Vergangenheit an, so der Gouverneur.
Wie schlimm es um Kalifornien steht, kann sich jeder mit ein paar Klicks vor Augen führen. Einfach in die Suchmaschine ‚Kalifornien‘ und ‚Dürremonitor‘ eintippen – und schon erscheint eine Karte des bevölkerungsreichsten US-Bundesstaates. Knapp die Hälfte ist von einem tiefen Dunkelrot bedeckt. Die Farbe steht für ‚außergewöhnliche Trockenheit‘, die höchste Stufe, die der Dürremonitor hergibt. Weitere 25 Prozent leuchten rot, hier herrscht ‚extreme Trockenheit‘. Und fast genauso groß ist das Gebiet, das in einer ‚schwere Dürre‘ steckt. Kurz gesagt: ganz Kalifornien leidet.
Das Thema Dürre ist überall präsent: im Radio, in den Abendnachrichten, auf den riesigen Anzeigetafeln an Highways. Kalifornien ist trockener als jemals zuvor seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1895. Außerdem ist es extrem heiß. Das Jahr 2014 übertraf das bisher wärmste Jahr um mehr als ein halbes Grad Celsius. Ein dauerhaftes Hoch sorgte dafür, dass es selbst im Winter kaum schneite. Normalerweise bezieht Kalifornien ein Drittel seines Wassers von den Bergen der Sierra Nevada. Doch das Schmelzwasser blieb aus, die Wasserpegel in den Reservoirs sinken weiter.
Wasser durch Entsalzung
Ende der 90er Jahre erlebte Santa Barbara schon einmal eine schwere Dürre. Der Küstenort rund zwei Autostunden nördlich von Los Angeles entschloss sich zum Bau einer Entsalzungsanlage – allen Bedenken zum Trotz, schließlich ist der Bau der Anlage teuer und der Betrieb frisst unheimlich Energie. Umweltschützer mahnen, dass die Salzlauge, die nach dem Entsalzen des Pazifikwassers übrig bleibt und ins Meer zurück fließt, das Ökosystem beeinträchtige.
Joshua Haggmark von der Wasserwirtschaft der Stadt, allerdings ist überzeugt von diesem Weg:
“Es macht uns unabhängiger. Inzwischen wirken die Kosten auch nicht mehr so abschreckend, weil andere Möglichkeiten, an Wasser zu kommen, sich in der Zwischenzeit so sehr verteuert haben.”
Auch wenn Santa Barbara malerisch am Meer gelegen ist - Wasser ist hier Mangelware.
"80 Prozent unseres Wassers kommt von der anderen Seite der Santa Ynes-Berge, die sind rund 1200 Meter hoch. Es gibt Tunnel, durch die das Wasser zu uns fließt."
Sollte ein schweres Erdbeben die Region erschüttern, würde das Trinkwasser in Santa Barbara ganz schnell knapp. Auch da könnte die Entsalzungsanlage helfen, wenn sie ein Beben übersteht. Im Moment ist die Anlage still gelegt, sie soll generalüberholt werden und dann gegebenenfalls wieder gestartet werden um der anhaltenden Dürre zu trotzen. Bürgermeisterin Helene Schneider sagt, kein Wasser wäre schlimmer als Wasser, das durch die Entsalzungsanlage gewonnen wird:
“For me no water is a worse option than desal water and so we’re very fortunate to have this as an option for us.”
So froh man auch sei, sie zu haben, sagt Bürgermeisterin Schneider, eine Entsalzungsanlage sei nicht das Allheilmittel. Am besten sei in dieser Situation, so viel Wasser wie möglich zu sparen:
“Conservation is the big way to save water. The best water that you have available is the stuff you don’t use.”
Keine Alternative zum Wassersparen
Und im Wassersparen sind die Bürger von Santa Barbara inzwischen richtig gut. Das von Gouverneur Brown gesteckte Ziel, ihren Verbrauch um 25 Prozent zu senken, hat die Stadt schon erreicht. Dafür schickt die Stadtverwaltung Angestellte zu jedem interessierten Bürger nach Hause, die über Wassersparmöglichkeiten und Rabatt-Programme informiert werden. Bei einer Fahrt durch Santa Barbara sind in Vorgärten mit vergilbtem Rasen immer wieder Schilder zu sehen mit dem Slogan “Gold ist das neue grün”. Die sind übrigens sehr beliebt - Besitzer dieser Schilder erzählen, dass sie immer wieder geklaut werden.
Kaliforniens Beiname "The Golden State" bekommt im Moment eine ganz neue Bedeutung:
“A message from the State of California: Californians, we are in a historic drought. For the first time ever California has had to implement mandatory water reductions across the State.”
Wir stecken in einer historischen Dürreperiode, erstmals mussten in ganz Kalifornien Wassersparziele angeordnet werden, heißt es in diesem Fernsehspot. Und: "Dreht das Wasser einfach ab, lasst euren Rasen goldfarben verblassen, kalifornisches Gold.“
“Let your lawn fade to gold. Let it go California Gold”
Es muss einfach cool werden, seinen Rasen vertrocknen zu lassen, sagt Rachel Stich.
"You almost have to make it cool."
Stich arbeitet bei der gemeinnützigen Organisation LA Waterkeeper. Die kümmert sich um sämtliche Wasserthemen: die Verschmutzung des Meeres, Bewahrung von Wasserwegen und natürlich vor allem, wie sich weiter Wasser sparen lässt.
"Jedem muss klar sein, dass diese Dürre die neue Normalität ist. Wir leben in Los Angeles und müssen uns anpassen. Und wir müssen neue Wege finden um Wasser aufzufangen und zu recyceln."
Sparen durch bewusstes Schmutzigsein
Eine der populärsten Kampagnen der LA Waterkeeper funktioniert mit einem runden blauen Aufkleber, ungefähr so groß wie ein Bierdeckel. Darauf steht: "Go Dirty For The Drought“ – und er klebt auf Autos, auf schmutzigen Autos. Denn die Besitzer machen mit beim Dirtycarpledge – mit dem Aufkleber verpflichten sie sich, ihr Fahrzeug 60 Tage lang nicht zu waschen. In der Sonnenstadt Los Angeles fallen die staubigen Autos auf, hier gehört die regelmäßige Autowäsche genauso zum Alltag, wie die Fönfrisur für die Damen und der Fitnessstudiobesuch der Herren. Mit anderen Worten: auch bei Autos wird extrem viel Wert auf Äußeres gelegt. Doch selbst der Bürgermeister von Santa Monica Kevin McKeown macht mit beim Dirtycarpledge:
“Tonight, I parked my 14-year-old Prius about a block away, it is filthy and I’m proud of it!”
Bei einer Veranstaltung der LA Waterkeeper erzählte er, dass er seinen 14-Jahre-alten Prius in der Nähe abgestellt habe, das Auto sei sehr dreckig und er stolz darauf. Die ganze Stadt ist bei der Aktion dabei – auch die Busse sind derzeit mit einer ordentlichen Schicht Schmutz unterwegs. Dafür wurde Santa Monica vor kurzem von LA Waterkeeper bei einer Gala ausgezeichnet, wie auch Google, das im Stadtteil Venice einen Standort hat. Das Unternehmen rüstete seine Küchen und Toiletten mit wassersparenden Einbauten um, außerdem musste der Rasen im Innenhof weichen, erzählt Google-Mitarbeiter Keith Rogers.
"We also recently swapped out our courtyard grass with artificial turf.“
Die Fläche ist nun mit Kunstrasen belegt und wurde sofort von seinen Kollegen in Beschlag genommen, so Rogers weiter. Mittlerweile veranstaltet Google darauf auch Kinoabende für seine Mitarbeiter.
"…now we have movie night and we don’t have to worry about it being bad, it’s great."
Natürlich ist es auch ein Imagegewinn für eine Firma, in diesen Zeiten einen Preis für vorbildliches Wassersparen zu erhalten. Noch mehr Aufmerksamkeit aber bekommen die, die wenig sorgsam mit der Ressource umgehen. Tony Corcoran ist sich bewußt, dass er manchmal ziemlich fies ist:
"I have to be mean, I’m doing something that no one else wants to do.”
Er müsse gemein sein, sagt er, schließlich tue er etwas, was niemand sonst tun möchte. Corcoran stellt Leute bloß – er ist in Los Angeles unterwegs, zu Fuß oder mit dem Rad, auf der Suche nach Pfützen oder Rinnsalen.
"When I see this I follow it to the source. If there are people there I accost them and ask them questions.”
Wenn ich so etwas entdecke, verfolge ich es bis zur Quelle und wenn da Leute sind, spreche ich sie an und stelle Fragen, erzählt Corcoran. Oder er dreht ein kurzes Video und lädt es mit Angabe der Adresse auf seinen Youtube-Kanal ‚Western Water Luv‘ hoch.
Der Wasser-Kreuzritter mit dem Bloßstellungsschwert
Der selbst-ernannte Wasser-Kreuzritter stellt Wasserverschwender bloß – dabei gehe es ihm aber primär nicht um die Bloßstellung, sondern darum, ein Umdenken anzuregen. Seine Aktion hat auch einen Namen: ‚Drought Shaming‘. Und er ist nicht allein: inzwischen gibt es sogar verschiedene Apps, auf denen man leichte, mittlere oder schwere Fälle von Wasserverschwendung melden kann. Darauf haben selbst die örtlichen Wasserwerke Zugriff. Sie versuchen selbst mit Werbespots zu einem bewussteren Umgang mit Wasser anzuregen:
“Let’s all take a turn...”
Ein Umdenken ist nötig, das länger anhält als bis zum nächsten Regenschauer. Und genau darum geht es letztlich auch Neal Christen, der den Unterricht in der ‚water school‘ in Santa Cruz abhält. Es gebe ihm die Gelegenheit, ausführlich darüber zu sprechen, wie jeder langfristig seinen Wasserverbrauch senken kann.
"It’s an opportunity to really get in detail about conservation and help educating people about using less."
Am Ende der ‘Water School’ müssen die Teilnehmer eine kleine schriftliche Prüfung ablegen.
"Das war gut,“
sagte Claire am Ende
"Das hat alles Sinn gemacht. Ich wünschte, sie hätten noch mehr darüber erzählt, wie wir Wasser sparen können, und weniger, wie unsere Rechnung aufgeschlüsselt ist, aber ansonsten war es gut.“
Auch Lehrer Neal Christen ist zufrieden.
“Wir sehen wirklich eine Veränderung. Viele kommen etwas mürrisch an, aber bedanken sich für unsere Arbeit und schütteln unsere Hand, wenn sie gehen. Das bedeutet mir viel.”
In einer Woche steht er mit seinen Kollegen wieder hier, wenn die nächsten Wasserverschwender von Santa Cruz nachsitzen müssen.
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