Die Landwirte bangen um ihre Existenz
Seit Monaten hat es in vielen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns kaum noch geregnet. Die Folge: massive Ernteausfälle und explodierende Preise für Futter. Viele Landwirte wissen nicht, wie sie ihre Tiere und Betriebe über die Runden bringen sollen.
Norbert Dähn und seine Kollegen stapfen über den Hof des Settiner Agrarbetriebes zum Feldrand, wo riesige Landmaschinen stehen. Gleich geht es weiter mit der Maisernte, hier auf den Äckern zwischen Settin und Sukow in Westmecklenburg. In diesem Jahr sind die Stängel nur halb so hoch wie üblich. Die Blätter hängen gelb und vertrocknet herunter. Die Kolben: klein und grünlich unausgereift, falls überhaupt vorhanden. Dies sei eine Noternte, sagt Norbert Dähn:
"Weil es vom Zeitpunkt her eigentlich noch viel zu früh ist und der Mais eigentlich noch im Wachstumsstadium wäre. Aber aufgrund der Trockenheit kommt da halt nichts mehr. Allein auf dieser Firma arbeite ich seit 25 Jahren, und davor habe ich 15 Jahre Erntetechnik auf der LPG gefahren. Aber solch einen langen trockenen Zeitraum habe ich auch noch nicht kennengelernt."
"Weil es vom Zeitpunkt her eigentlich noch viel zu früh ist und der Mais eigentlich noch im Wachstumsstadium wäre. Aber aufgrund der Trockenheit kommt da halt nichts mehr. Allein auf dieser Firma arbeite ich seit 25 Jahren, und davor habe ich 15 Jahre Erntetechnik auf der LPG gefahren. Aber solch einen langen trockenen Zeitraum habe ich auch noch nicht kennengelernt."
Norbert Dähn klettert auf seinen wuchtigen, mit Klimaanlage und Bordcomputer ausgerüsteten Häcksler. Der frisst sich schon bald mit seiner 7,50 Meter breiten Front aus robusten Schneidetellern durch den Maisbestand. In hohem Bogen fliegen die zerkleinerten Pflanzen auf den parallel mitfahrenden Traktoranhänger.
"Am Tag schaffen wir in etwa 30 Hektar. Die Hälfte habe ich in etwa weg."
"Ist der Mais auf diesen Schlägen vorzugsweise Futter oder wofür ist er eigentlich gedacht?"
"Also das, was wir momentan häckseln, ist hauptsächlich für die Biogasanlage gedacht, weil hier auch der Kolben nicht besonders gut entwickelt ist. Wir haben noch Mais auf anderen Standorten, wo der Kolben etwas besser entwickelt ist, und das wird dann als Futter für die Kühe gehäckselt."
"Hat der Betrieb ein Futtermittelproblem dadurch, dass der Mais so ist wie er ist dieses Jahr?"
"Es ist hier eigentlich auch ein Problem, dass nicht das runterkommt, was eingeplant ist, und es könnte auch eng werden mit dem Futter, weil der Grasschnitt im Vorfeld schon sehr dürftig ausgefallen ist. Also das fehlt auf jeden Fall. Und ob der Mais bei den Höhen, die wir hier haben, das wieder ausgleichen kann, das glaube ich nicht. Es wird da sicher zu einem Engpass kommen. Auf jeden Fall."
Zuerst nur Regen, dann kam die Dürre
In ganz Mecklenburg-Vorpommern fing dieses Erntejahr schon nicht gut an. Weil es von September bis April praktisch durchgeregnet hatte, standen zunächst viele Äcker derart stark unter Wasser, dass die Saat gar nicht oder erst sehr spät ausgebracht werden konnte.
Der erste Grünschnitt im Mai - auch in der Agrargenossenschaft Brunow ein ziemlicher Reinfall. In den Silos müssten jetzt eigentlich 3000 Tonnen Grünfutter-Silage vom ersten Schnitt lagern - gedacht für das eigene Milchvieh. Doch nun steht der geschäftsführende Landwirt Helge Dieckmann vor einem Silo mit viel Platz.
"Wir haben 60 Prozent von dem geerntet, was wir sonst die letzten Jahre geerntet haben. Und in der Regel ist der Silo voll mit dem ersten Schnitt. So, das ist das, was wir zur Verfügung haben, um die Winterfütterung anzugehen."
Der mecklenburgische Betrieb, der seine 280 Schweine und 450 Milchkühe samt Jungrindern weitgehend aus dem eigenen Feldanbau versorgt, muss nun Futter dazukaufen. Das wird täglich teurer.
"Rapsschrot kaufen wir zu als Eiweiß-Komponente. Da haben wir sonst 220 Euro für ausgegeben. Wir sind gegenwärtig bei 250 Euro die Tonne. Und Zuckerrübenschnitzel, die wir voriges Jahr für 14,50 Euro pro Dezitonne gekauft haben oder 145 Euro pro Tonne, die kosten jetzt 200 Euro."
Der erste Grünschnitt im Mai - auch in der Agrargenossenschaft Brunow ein ziemlicher Reinfall. In den Silos müssten jetzt eigentlich 3000 Tonnen Grünfutter-Silage vom ersten Schnitt lagern - gedacht für das eigene Milchvieh. Doch nun steht der geschäftsführende Landwirt Helge Dieckmann vor einem Silo mit viel Platz.
"Wir haben 60 Prozent von dem geerntet, was wir sonst die letzten Jahre geerntet haben. Und in der Regel ist der Silo voll mit dem ersten Schnitt. So, das ist das, was wir zur Verfügung haben, um die Winterfütterung anzugehen."
Der mecklenburgische Betrieb, der seine 280 Schweine und 450 Milchkühe samt Jungrindern weitgehend aus dem eigenen Feldanbau versorgt, muss nun Futter dazukaufen. Das wird täglich teurer.
"Rapsschrot kaufen wir zu als Eiweiß-Komponente. Da haben wir sonst 220 Euro für ausgegeben. Wir sind gegenwärtig bei 250 Euro die Tonne. Und Zuckerrübenschnitzel, die wir voriges Jahr für 14,50 Euro pro Dezitonne gekauft haben oder 145 Euro pro Tonne, die kosten jetzt 200 Euro."
Der Milchpreis deckt die Kosten nicht
Derzeit muss übrigens auch niemand versuchen, aus Stroh Gold zu spinnen; Stroh ist zumindest als Tierfutter und Einstreu bereits des Goldes wert. Die Preise gehen durch die Decke, zumal finanziell potente Marktteilnehmer derzeit alles aufkaufen, was die hiesigen Betriebe an Reserven vorrätig haben - sei es ein deutschlandweit bekannter Pferdezüchter für sein Gestüt Lewitz in Mecklenburg, seien es Agrarbetriebe und Bauern aus Skandinavien und Holland, wo die Regierungen bereits Dürrehilfen gezahlt haben.
Doch die eigentliche Ursache liegt in der desaströsen Getreideernte mit Ertragsausfällen zwischen 30 und 60 Prozent. Wenig Korn, wenig Stroh - auch in Brunow.
"Tja, wenn man 50 Mitarbeiter hat, denkt man natürlich darüber nach und nicht nur darüber nach, sondern weiß auch, dass man jeden Monat eine große Summe an Lohn zahlen muss. Wir sind ja mit der Getreideernte einen Monat früher fertig wie sonst. Warum gibt es in der Landwirtschaft keine Kurzarbeiterregelung wie in anderen Bereichen oder in anderen Betrieben oder in anderen Gewerken auch?"
Doch die eigentliche Ursache liegt in der desaströsen Getreideernte mit Ertragsausfällen zwischen 30 und 60 Prozent. Wenig Korn, wenig Stroh - auch in Brunow.
"Tja, wenn man 50 Mitarbeiter hat, denkt man natürlich darüber nach und nicht nur darüber nach, sondern weiß auch, dass man jeden Monat eine große Summe an Lohn zahlen muss. Wir sind ja mit der Getreideernte einen Monat früher fertig wie sonst. Warum gibt es in der Landwirtschaft keine Kurzarbeiterregelung wie in anderen Bereichen oder in anderen Betrieben oder in anderen Gewerken auch?"
Geschäftsführer Dieckmann blickt jedenfalls schon jetzt auf einen Einnahmeausfall von ca. 400.000 Euro. Die Gründe: Erst zu viel Wasser auf den Feldern. Dann keines. Und: Der von den großen Handelsketten und den Molkereien diktierte Erzeugerpreis von derzeit 34 Cent pro Liter Milch. Dabei können die deutschen Milchbauern erst bei 40 Cent pro Liter kostendeckend und zugleich im Sinne des Tierwohles wirtschaften.
Schon herrscht auch in Mecklenburg-Vorpommern Hochbetrieb bei den Schlachtern, weil zahlreiche Agrarbetriebe, darunter Öko- und Biohöfe, ihren Viehbestand verringern. Darauf macht auch der Schweriner Agrarminister Till Backhaus aufmerksam, als er am 15. August zur Ernte-Bilanz bittet:
"Dass die Getreideernte am 1. August abgeschlossen ist, hat es noch nicht gegeben. Und dass wir nach zwei schlechten Jahren ein drittes oben drauf bekommen, das noch schlechter ist, damit hat niemand gerechnet. Und selbstverständlich nehme ich auch wahr, dass es sehr unterschiedliche Haltungen zur Frage ‚Muss der Staat jetzt helfen?‘` in der allgemeinen Bevölkerung gibt. Und auf der anderen Seite, wenn ich Ihnen die Zahlen jetzt sage, dass unser Schaden insgesamt durch die Dürre bedingt bei 531 Millionen Euro liegt, das heißt über eine halbe Milliarde, dass man dann sagt: ‚Passt mal auf! Die Betriebe, die in Existenznot sind, dass man denen helfen muss, das liegt, glaube ich, auf der Hand.‘"
Wovon die Löhne zahlen?
Seit dem vorigen Wochenende steht in Mecklenburg-Vorpommern die erste Aussaat für die Ernte des nächsten Jahres an. Eingehüllt in hohe Staubwolken bereiten derzeit schwere Landmaschinen mit ihren Grubbern und Eggen die zumeist hartgetrockneten Ackerböden für den Winterraps vor.
Doch auch Landwirt Karsten Schumeier aus dem vorpommerschen Friedland treibt die Sorge um: Wovon die Löhne zahlen? Wovon die 225.000 Euro für Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel, die für den Erntezyklus 2019 geplant hatte?
"Es ist ja so, dass wir unheimlich viele Kosten vor uns herschieben und auch immer gesagt haben: Wir schieben bis zur Ernte, und nach der Ernte kommen die Pachten, kommt alles, was man eigentlich bezahlen sollte, was in diesem Jahr durch die Mindererträge wegfällt, so dass wir in ein großes finanzielles Loch fallen und wir eigentlich nicht wissen, wie wir das bis Weihnachten ausgleichen sollen."
Doch auch Landwirt Karsten Schumeier aus dem vorpommerschen Friedland treibt die Sorge um: Wovon die Löhne zahlen? Wovon die 225.000 Euro für Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel, die für den Erntezyklus 2019 geplant hatte?
"Es ist ja so, dass wir unheimlich viele Kosten vor uns herschieben und auch immer gesagt haben: Wir schieben bis zur Ernte, und nach der Ernte kommen die Pachten, kommt alles, was man eigentlich bezahlen sollte, was in diesem Jahr durch die Mindererträge wegfällt, so dass wir in ein großes finanzielles Loch fallen und wir eigentlich nicht wissen, wie wir das bis Weihnachten ausgleichen sollen."
In diesem extremen Dürrejahr holten Schumeier und Kollegen ein Drittel weniger Weizen und Roggen als üblich von den Feldern. Macht für diesen Betrieb schon jetzt rund 280.000 Euro Jahresverlust, und da ist der Ausfall beim Mais noch nicht dabei.
"Normalerweise kann ich aus dem Mais nicht rausgucken, und in diesem Jahr - sieht man ja - geht er mir gerade bis zur Hüfte. Tja, eigentlich sind wir alle durch die Bank weg hier sehr verzweifelt. Wir leben mit der Natur, und ist es halt nur traurig."
Seit Wochen hört Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) Erfahrungsberichte wie diesen und reagierte darauf mit Hinweisen wie diesen: "Wer jetzt schon Liquiditätsprobleme hat, im August, der hat sie nicht nur wegen der Trockenheit."
Nothilfen von Bund und Land
Doch gestern erklärte Ministerin Klöckner die langanhaltende Trockenheit samt hochsommerlichen Temperaturen zu einem "Wetterereignis von nationalem Ausmaß". Das ist deshalb so wichtig, weil nur auf dieser Grundlage neben den Ländern auch der Bund Nothilfen an Landwirte zahlen darf. Bundesweit stehen nun bis zu 360 Millionen Euro an Dürrehilfen in Aussicht, wobei Bund und Länder je die Hälfte beisteuern.
Für diesen Fall hat die Schweriner Landesregierung vorgesorgt und bereits vorige Woche ein Nothilfeprogramm von 50 bis 60 Millionen Euro beschlossen. Es sind Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt zu werden brauchen, wobei jeder Betrieb mindestens ein Drittel der Schäden selbst zu tragen habe, heißt es aus Schwerin. Das geht in Ordnung, finden die Landwirte - ob in Settin, Friedland oder Brunow. Allerdings, so Helge Dieckmann:
"Ich sage mal, die arbeitsintensiven Betriebe, wo viel Personal beschäftigt ist, die brauchen natürlich als Erstes die Hilfe. Denn auch von der Ökonomie her kann man sich ja vorstellen: Da fehlt uns ein ganzer Haufen Geld dieses Jahr. Wir müssen sehen, dass wir über die Bühne kommen und Lohn ist ein großer Kostenfaktor. Und das Zweite: Wir bekommen wirklich mal andere Preise für Milch. Die 40 Cent pro Liter brauchen wir. Dann wäre uns schon geholfen."
Für diesen Fall hat die Schweriner Landesregierung vorgesorgt und bereits vorige Woche ein Nothilfeprogramm von 50 bis 60 Millionen Euro beschlossen. Es sind Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt zu werden brauchen, wobei jeder Betrieb mindestens ein Drittel der Schäden selbst zu tragen habe, heißt es aus Schwerin. Das geht in Ordnung, finden die Landwirte - ob in Settin, Friedland oder Brunow. Allerdings, so Helge Dieckmann:
"Ich sage mal, die arbeitsintensiven Betriebe, wo viel Personal beschäftigt ist, die brauchen natürlich als Erstes die Hilfe. Denn auch von der Ökonomie her kann man sich ja vorstellen: Da fehlt uns ein ganzer Haufen Geld dieses Jahr. Wir müssen sehen, dass wir über die Bühne kommen und Lohn ist ein großer Kostenfaktor. Und das Zweite: Wir bekommen wirklich mal andere Preise für Milch. Die 40 Cent pro Liter brauchen wir. Dann wäre uns schon geholfen."