Düster, süß und schwer
Das Münchener Museum Villa Stuck zeigt eine Ausstellung mit 54 großen Werken von Franz von Stuck. Anlass ist der 80. Todestag des großen Malerfürsten, der ein wichtiger Wegbereiter der Moderne war und einen großen Einfluss auf die Kunst seiner Zeit hatte.
Wie süß und schwer, wie abgründig, verführerisch und geheimnisvoll muss sie gewesen sein, die Welt des Malerfürsten Franz von Stuck. Lustvoll balancierte er entlang der Grenze zu einer neuen Epoche und erschuf dabei mit den Mitteln altmeisterlicher Kunst neue, fremdartige Motive und Arrangements von nie gesehener Intensität. Da blickt die Sünde lasziv aus ihrem goldenen Rahmen heraus, da reitet der Krieg als anmutiger nackter Römerjüngling über ein Leichenfeld, und da öffnet sich das Inferno, in dem sich Gestalten des Wahnsinns und der Verzweiflung unter Qualen winden.
Franz von Stucks allegorische Darstellungen machten Schule. Ihn interessierten die ewig gültigen Archetypen der menschlichen Seele, und diesen ist auch die Ausstellung gewidmet.
Einer der Räume hat die großen Visionen des Untergangs zum Thema.
"Es gibt Darstellungen der Wilden Jagd, apokalyptischen Reiter, aber der ganz große Höhepunkt, mit dem Stuck großen Einfluss auch international erzielt hat, ist die Darstellung des Krieges von 1894 mit einer ganz großen spezifischen Eigenart: Stuck stellt den Krieg nicht als Schnitter dar, als reitenden Tod, als Sensenmann, sondern in einer ganz besonderen Art als Siegergenius. Das ist ein Bild, das, schreibt La Stampa 1909, als es auf der Biennale in Venedig gezeigt wird, das ist die große europäische Malerei, das ist eins der bedeutendsten Werke der deutschen Malerei, das wir kennen."
Margot Brandlhuber ist die Kuratorin der Ausstellung.
Die Schau in Stucks eigenem Haus, diesem düsteren Prunktempel, erleben zu können, verschafft zusätzliche Plastizität, denn hier hat er sich ganz groß selbst gefeiert, der geadelte Müllerssohn. Vergoldete Holztäfelungen rundum, kostbare Einlegearbeiten am Boden, hier schimmert eine Wand in Grün, drüben in Rot und an der Decke der nachtblaue Himmel, sternenübersät.
Der Speisesaal ist dem Thema Schönheit und Versuchung gewidmet, da ist die Allegorie des knospenden Frühlings und eine in arkadische Nachtlandschaft platzierte Sphinx mit ganz und gar weiblichem Leib - ein Bild, das vom hessischen Landesmuseum gerade als Dauerleihgabe an die Villa Stuck übergeben wurde. Eine andere, düstere Sphinx sitzt drohend auf ihrem Felsen, Auge in Auge dem Rätsel lösenden Ödipus gegenüber.
"Das ist die früheste Ausführung eines Sphinx-Bildes bei Franz von Stuck, ein ganz unbekanntes Werk. Das Bild ist im letzten Jahr im Londoner Kunsthandel aufgetaucht und war bis dahin nicht zugänglich und nicht bekannt, dass es überhaupt noch existiert, und wird heute zum ersten Mal hier präsentiert in dieser Ausstellung."
Die Leihgaben für die Ausstellung kommen aus den ersten Häusern Europas, dem Musèe d’Orsay in Paris, der Eremitage in St. Petersburg, der Nationalgalerie in Sofia, dem Museum der Bildenden Künste in Budapest, dem Belvedere in Wien, dem Ca’ Pesaro in Venedig sowie aus Beständen privater Sammler in Europa und Amerika.
Nach der Station "Sünde und Verführung" wird der Besucher vom "Wächter des Paradieses" empfangen. Es ist jenes Bild, mit dem Stuck 1889 in einer Ausstellung im Glaspalast seine Karriere als Maler begründete, ein leuchtendes Selbstporträt. Stuck, der Engel mit dem Flammenschwert, golden umweht, in sinnlich transparenter Robe, tritt kraftvoll vor die Welt, um zu verkünden: Hier bin ich!
"Ein großer Gewinn ist die Ausstellung hier des Luzifers von 1890, der ein Jahr nach dem ‚Wächter des Paradieses’ quasi als Pendant von Stuck wiedergegeben wird. Ein ganz berühmtes Motiv, das Stuck hier ausprägt, ist dieser phosphoreszierende Blick des Luzifers, der bis in die Plakatkunst der 1920er Jahre immer wieder auftaucht. Das ist ein Werk, das der König Ferdinand von Bulgarien hier in München in einer Ausstellung 1890 direkt von der Staffelei weg von Stuck erwirbt."
Stuck ergötzt sich an Sünde und Verführung, lässt Kentauren gegen Amazonen kämpfen, feiert im Stil der Prärafaeliten den Sieg Amors über die Welt und stellt, inspiriert von Nietzsche, das Apollinische dem Dionysischen gegenüber. Inmitten dieser rauschhaften Parade findet er auch noch Raum für die Religion, die jedoch weniger mit dem Anspruch auf Hingabe an geistliche Inhalte daherkommt, denn als Abbildung menschlichen Leids. Die "Kreuzigung Christi" aus dem Jahr 1913 ist ein Werk, das mit seiner kühnen Komposition und mit seinem malerischen Gestus den Blick in bis dahin ungeahnte Weiten, die Tür zur Moderne öffnet.
"Hier Stuck, der mit ganz großem expressivem Pinsel arbeitet, mit enormer Sicherheit die große Leinwand füllt und in einer ganz ungewöhnlichen Figurenkomposition, wie man sie noch nicht gesehen hat: hier die großen schwarzen Kreuze, die er hier aus dem Bild, von rückwärts gesehen, fast aus dem Bild herausfallen lässt, also etwas, was man nie in dieser Art in der religiösen Malerei gesehen hat."
Der "kolossale Franz von Stuck", wie ihn ein prominenter italienischer Kritiker nannte, löste eine Lawine aus: Scharen von Kunststudenten pilgerten nach München, um bei ihm zu lernen und auf seinen Spuren neue Kunstexperimente zu wagen.
Service:
Die Ausstellung "Franz von Stuck. Meisterwerke der Malerei" ist bis zum 15. März 2009 in der Villa Stuck in München zu sehen.
Franz von Stucks allegorische Darstellungen machten Schule. Ihn interessierten die ewig gültigen Archetypen der menschlichen Seele, und diesen ist auch die Ausstellung gewidmet.
Einer der Räume hat die großen Visionen des Untergangs zum Thema.
"Es gibt Darstellungen der Wilden Jagd, apokalyptischen Reiter, aber der ganz große Höhepunkt, mit dem Stuck großen Einfluss auch international erzielt hat, ist die Darstellung des Krieges von 1894 mit einer ganz großen spezifischen Eigenart: Stuck stellt den Krieg nicht als Schnitter dar, als reitenden Tod, als Sensenmann, sondern in einer ganz besonderen Art als Siegergenius. Das ist ein Bild, das, schreibt La Stampa 1909, als es auf der Biennale in Venedig gezeigt wird, das ist die große europäische Malerei, das ist eins der bedeutendsten Werke der deutschen Malerei, das wir kennen."
Margot Brandlhuber ist die Kuratorin der Ausstellung.
Die Schau in Stucks eigenem Haus, diesem düsteren Prunktempel, erleben zu können, verschafft zusätzliche Plastizität, denn hier hat er sich ganz groß selbst gefeiert, der geadelte Müllerssohn. Vergoldete Holztäfelungen rundum, kostbare Einlegearbeiten am Boden, hier schimmert eine Wand in Grün, drüben in Rot und an der Decke der nachtblaue Himmel, sternenübersät.
Der Speisesaal ist dem Thema Schönheit und Versuchung gewidmet, da ist die Allegorie des knospenden Frühlings und eine in arkadische Nachtlandschaft platzierte Sphinx mit ganz und gar weiblichem Leib - ein Bild, das vom hessischen Landesmuseum gerade als Dauerleihgabe an die Villa Stuck übergeben wurde. Eine andere, düstere Sphinx sitzt drohend auf ihrem Felsen, Auge in Auge dem Rätsel lösenden Ödipus gegenüber.
"Das ist die früheste Ausführung eines Sphinx-Bildes bei Franz von Stuck, ein ganz unbekanntes Werk. Das Bild ist im letzten Jahr im Londoner Kunsthandel aufgetaucht und war bis dahin nicht zugänglich und nicht bekannt, dass es überhaupt noch existiert, und wird heute zum ersten Mal hier präsentiert in dieser Ausstellung."
Die Leihgaben für die Ausstellung kommen aus den ersten Häusern Europas, dem Musèe d’Orsay in Paris, der Eremitage in St. Petersburg, der Nationalgalerie in Sofia, dem Museum der Bildenden Künste in Budapest, dem Belvedere in Wien, dem Ca’ Pesaro in Venedig sowie aus Beständen privater Sammler in Europa und Amerika.
Nach der Station "Sünde und Verführung" wird der Besucher vom "Wächter des Paradieses" empfangen. Es ist jenes Bild, mit dem Stuck 1889 in einer Ausstellung im Glaspalast seine Karriere als Maler begründete, ein leuchtendes Selbstporträt. Stuck, der Engel mit dem Flammenschwert, golden umweht, in sinnlich transparenter Robe, tritt kraftvoll vor die Welt, um zu verkünden: Hier bin ich!
"Ein großer Gewinn ist die Ausstellung hier des Luzifers von 1890, der ein Jahr nach dem ‚Wächter des Paradieses’ quasi als Pendant von Stuck wiedergegeben wird. Ein ganz berühmtes Motiv, das Stuck hier ausprägt, ist dieser phosphoreszierende Blick des Luzifers, der bis in die Plakatkunst der 1920er Jahre immer wieder auftaucht. Das ist ein Werk, das der König Ferdinand von Bulgarien hier in München in einer Ausstellung 1890 direkt von der Staffelei weg von Stuck erwirbt."
Stuck ergötzt sich an Sünde und Verführung, lässt Kentauren gegen Amazonen kämpfen, feiert im Stil der Prärafaeliten den Sieg Amors über die Welt und stellt, inspiriert von Nietzsche, das Apollinische dem Dionysischen gegenüber. Inmitten dieser rauschhaften Parade findet er auch noch Raum für die Religion, die jedoch weniger mit dem Anspruch auf Hingabe an geistliche Inhalte daherkommt, denn als Abbildung menschlichen Leids. Die "Kreuzigung Christi" aus dem Jahr 1913 ist ein Werk, das mit seiner kühnen Komposition und mit seinem malerischen Gestus den Blick in bis dahin ungeahnte Weiten, die Tür zur Moderne öffnet.
"Hier Stuck, der mit ganz großem expressivem Pinsel arbeitet, mit enormer Sicherheit die große Leinwand füllt und in einer ganz ungewöhnlichen Figurenkomposition, wie man sie noch nicht gesehen hat: hier die großen schwarzen Kreuze, die er hier aus dem Bild, von rückwärts gesehen, fast aus dem Bild herausfallen lässt, also etwas, was man nie in dieser Art in der religiösen Malerei gesehen hat."
Der "kolossale Franz von Stuck", wie ihn ein prominenter italienischer Kritiker nannte, löste eine Lawine aus: Scharen von Kunststudenten pilgerten nach München, um bei ihm zu lernen und auf seinen Spuren neue Kunstexperimente zu wagen.
Service:
Die Ausstellung "Franz von Stuck. Meisterwerke der Malerei" ist bis zum 15. März 2009 in der Villa Stuck in München zu sehen.