Düzen Tekkal ist eine mehrfach preisgekrönte Filmemacherin, Journalistin, Buch-Autorin und Menschenrechtsaktivistin. Sie ist CDU-Mitglied und war 2016 im damaligen Schattenkabinett von Julia Klöckner, als diese CDU-Spitzenkandidatin für das Amt der Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz war. Düzen Tekkals kurdisch-jesidische Eltern waren aus der Türkei nach Deutschland geflohen. Die studierte Germanistin wirbt unter dem von ihr initiierten #GermanDream dafür, Erfolgsgeschichten von Menschen in Deutschland mit Migrationshintergrund zu verbreiten.
"Auf dem Weg zum German Dream"
Natürlich gibt es Benachteiligung für Migranten, sagt die Journalistin Düzen Tekkal. Und doch biete Deutschland Chancen für alle, die hier leben. Um ein positives Signal in der Integrationsdebatte zu setzen, hat Tekkal den Hashtag #GermanDream ins Leben gerufen.
Düzen Tekkal, Autorin des Buches "Deutschland ist bedroht - Warum wir unsere Werte verteidigen müssen", sieht eine zunehmende Radikalisierung unserer Gesellschaft. Die emotional aufgeheizte Debatte um den Rücktritt von Mesut Özil aus der deutschen Nationalmannschaft sei ein Indiz dafür.
Tekkal appelliert an Menschen mit Migrationshintergrund, sich weg von der "Opfer-Existenz hin zur Selbstverantwortung" zu bewegen. Trotz alltäglicher Diskriminierungserfahrungen sei es zu einfach, immer alles auf den Rassismus und die Herkunft zu reduzieren. Sie wolle Migranten Mut machen, sich ihre persönlichen Träume zu erfüllen.
Das Interview mit Düzen Tekkal im Wortlaut:
Deutschlandfunk Kultur: Frau Tekkal, Sie sind in Deutschland geboren, als Kind von kurdisch-jesidischen Eltern, die aus der Türkei nach Deutschland gekommen waren. Sie sagen von sich selbst, Sie sind Deutsche und kurdische Jesidin. Sie haben also "two me", zwei Ichs. Kommen die immer miteinander aus?
Düzen Tekkal: Meistens ja. Interessanterweise komme ich manchmal nicht mit dem Außen aus. Aber ich mit mir selber - das war immer eins.
Deutschlandfunk Kultur: Was heißt, nicht "mit dem Außen auskommen"?
Düzen Tekkal: Na ja, man besteht ja nicht nur aus sich selber sozusagen. Man lebt ja gemeinsam. Man lebt in der Mehrheitsgesellschaft. Man ist eine Frau. Man ist eine Migrantin. Man ist Journalistin. Und selbsterklärend stößt man da auch hin und wieder auf Herausforderungen und Konflikte, die für mich aber Leben ausmachen.
Deutschlandfunk Kultur: Auf diesen Migrationshintergrund immer wieder angesprochen werden - auch jetzt von mir hier in diesem Gespräch - empfinden Sie das als genau die Art von alltäglicher Diskriminierung, von der so viele Menschen jetzt sprechen, die vom Namen her, auch vom Aussehen her, von ihrer Sprache her erkennbar einen Migrationshintergrund haben?
Düzen Tekkal: Meistens ja. Interessanterweise komme ich manchmal nicht mit dem Außen aus. Aber ich mit mir selber - das war immer eins.
Deutschlandfunk Kultur: Was heißt, nicht "mit dem Außen auskommen"?
Düzen Tekkal: Na ja, man besteht ja nicht nur aus sich selber sozusagen. Man lebt ja gemeinsam. Man lebt in der Mehrheitsgesellschaft. Man ist eine Frau. Man ist eine Migrantin. Man ist Journalistin. Und selbsterklärend stößt man da auch hin und wieder auf Herausforderungen und Konflikte, die für mich aber Leben ausmachen.
Deutschlandfunk Kultur: Auf diesen Migrationshintergrund immer wieder angesprochen werden - auch jetzt von mir hier in diesem Gespräch - empfinden Sie das als genau die Art von alltäglicher Diskriminierung, von der so viele Menschen jetzt sprechen, die vom Namen her, auch vom Aussehen her, von ihrer Sprache her erkennbar einen Migrationshintergrund haben?
Nicht auf den Migrationshintergrund reduzieren
Düzen Tekkal: So weit würde ich nie gehen. Das hat mich nie gestört. Ich weiß, dass es viele Journalisten, Kolleginnen vor allem gibt, aber auch Kollegen, die Migrationshintergrund haben, die das stört. Aber ich habe mich eigentlich nie reduziert gefühlt auf diesen Migrationshintergrund, sondern ich hab' das immer so empfunden, dass da ein Interesse besteht, wo ich herkomme, wo meine Wurzeln sind, wie ich sozialisiert bin. Insofern hat es mich eigentlich selten gestört.
Kritisch wird’s, wenn es beispielsweise um Berufe geht, wenn es um Funktionen geht, wenn dann plötzlich der Migrationshintergrund eine so zentrale Rolle spielt, dass die Kompetenz in den Hintergrund rückt.
Deutschlandfunk Kultur: Also, Unterscheidung ist noch nicht Diskriminierung?
Düzen Tekkal: Nein.
Deutschlandfunk Kultur: Sie haben auf Twitter unter dem Hashtag #GermanDream eine Debatte ins Leben gerufen. Es geht Ihnen darum, dass auch mal Erfolgsgeschichten von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland verbreitet werden - Geschichten wie Ihre: Sie sind studierte Germanistin. Sie sind mehrfach ausgezeichnet worden für Ihre journalistische Arbeit. Sie wollen mit Ihrer persönlichen Erfolgsgeschichte aber nicht Feigenblatt sein für gelungene Integration. Wie lässt sich das verhindern?
Düzen Tekkal: Was ich damit meine, ist, dass ich gerade in den letzten Jahren häufig festgestellt habe, dass ich so Dinge aussprechen sollte, wo sich viele auch autochthone Deutsche nicht getraut haben, das Wort zu erheben. Bei mir ist es so: Ich habe dieses Naturell. Ich bin einfach sehr selbstkritisch und gesellschaftskritisch aufgewachsen. Das habe ich übrigens in Deutschland gelernt. Aber ich finde es schwierig, wenn man jetzt sagt: Die ist kritisch genug; die bringt das jetzt auf den Punkt und wir ziehen uns schön zurück.
Was ich mir eigentlich wünsche, ist, dass wir alle ein bisschen mutiger werden, dass wir uns alle einmischen und dass wir uns auch in Debatten einbringen, wie beispielsweise die gegenwärtige Migrationsdebatte, die uns ja schon einige Jahre umtreibt, die uns alle angeht, also auch autochthone Deutsche, genauso wie Deutsche mit Zuwanderungsgeschichte. Das ist eigentlich das, was ich damit zum Ausdruck bringen wollte.
Kritisch wird’s, wenn es beispielsweise um Berufe geht, wenn es um Funktionen geht, wenn dann plötzlich der Migrationshintergrund eine so zentrale Rolle spielt, dass die Kompetenz in den Hintergrund rückt.
Deutschlandfunk Kultur: Also, Unterscheidung ist noch nicht Diskriminierung?
Düzen Tekkal: Nein.
Deutschlandfunk Kultur: Sie haben auf Twitter unter dem Hashtag #GermanDream eine Debatte ins Leben gerufen. Es geht Ihnen darum, dass auch mal Erfolgsgeschichten von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland verbreitet werden - Geschichten wie Ihre: Sie sind studierte Germanistin. Sie sind mehrfach ausgezeichnet worden für Ihre journalistische Arbeit. Sie wollen mit Ihrer persönlichen Erfolgsgeschichte aber nicht Feigenblatt sein für gelungene Integration. Wie lässt sich das verhindern?
Düzen Tekkal: Was ich damit meine, ist, dass ich gerade in den letzten Jahren häufig festgestellt habe, dass ich so Dinge aussprechen sollte, wo sich viele auch autochthone Deutsche nicht getraut haben, das Wort zu erheben. Bei mir ist es so: Ich habe dieses Naturell. Ich bin einfach sehr selbstkritisch und gesellschaftskritisch aufgewachsen. Das habe ich übrigens in Deutschland gelernt. Aber ich finde es schwierig, wenn man jetzt sagt: Die ist kritisch genug; die bringt das jetzt auf den Punkt und wir ziehen uns schön zurück.
Was ich mir eigentlich wünsche, ist, dass wir alle ein bisschen mutiger werden, dass wir uns alle einmischen und dass wir uns auch in Debatten einbringen, wie beispielsweise die gegenwärtige Migrationsdebatte, die uns ja schon einige Jahre umtreibt, die uns alle angeht, also auch autochthone Deutsche, genauso wie Deutsche mit Zuwanderungsgeschichte. Das ist eigentlich das, was ich damit zum Ausdruck bringen wollte.
Keine "Vorzeige-Migrantin"
Deutschlandfunk Kultur: Aber Sie werden natürlich teilweise kaum verhindern können, dass Sie tatsächlich als "Vorzeigemigrantin" instrumentalisiert werden.
Düzen Tekkal: Ja, aber das kennen wir ja alle, dass es immer bestimmte Erwartungshaltungen gibt. Wichtig ist, was man selber draus macht. Und bei mir war es schon häufig so - also gerade auch bei den Berufen, die ich ausgeübt habe - dass ich natürlich wusste, dass ich diesen Job wegen meinem Migrationshintergrund bekommen habe. Aber wichtig ist ja am Ende, was ich selber daraus mache. Das heißt, nur die Tatsache, dass jemand anderes einen vielleicht instrumentalisieren will, ist ja erstmal nur einseitig. It takes two to tango - und da war ich eigentlich immer sehr selbstbewusst und habe immer den richtigen Zeitpunkt abgewartet, bis ich vielleicht auch meine eigenen Ziele zum Ausdruck bringe.
Wenn Sie meine Erfolgsgeschichte ansprechen - dann will nur sagen, dass ich keine Ausnahme bin. Das wollte ich eigentlich sichtbar machen mit dem German Dream. Ich wollte denjenigen, die noch unsichtbar sind, aber schon Unfassbares, Unglaubliches geleistet haben, damit meinen Respekt zollen. German Dream ist nicht die Rolle des Bittstellers, der Migrantin – unter dem Motto: Danke Deutschland. Sondern es geht um eine Botschaft an die Mehrheitsgesellschaft, die uns gegenüber vielleicht auch Respekt aufbringen sollte und eine Dankbarkeit im Sinne von: Wahnsinnig beeindruckend, wie ihr das geschafft habt, obwohl ihr vielleicht nicht dieselben Bedingungen hattet.
Deutschlandfunk Kultur: Also, es geht ja auch darum, ein anderes Narrativ in den Mittelpunkt zu stellen - also Erfolgsgeschichten von Leuten, die sich ihren Traum in Deutschland erfüllen konnten. Die Botschaft ist: Wer den festen Willen hat, dazuzugehören, kann dazugehören?
Düzen Tekkal: Ganz genau.
Deutschlandfunk Kultur: Also umgekehrt, wer nicht dazu gehört - und viele Menschen empfinden es ja so - der hat einfach nicht genug Willen, dazu zu gehören?
Düzen Tekkal: Nein, das ist natürlich so einfach nicht. Natürlich gibt's die Diskriminierungserfahrung. Natürlich gibt es die gläsernen Decken. Natürlich gibt es Benachteiligung für Migranten, wo deren Zuwanderungsgeschichte sichtbar ist – sowohl auf dem Wohnungsmarkt, als auch bei der schlechteren Benotung in den Schulen. Das ist alles da. Und ich glaube, dass es auch ganz wichtig ist zu erkennen, dass auf dem Weg zum German Dream viele von uns einige MeTwo-Debatten hinter sich bringen mussten.
Düzen Tekkal: Ja, aber das kennen wir ja alle, dass es immer bestimmte Erwartungshaltungen gibt. Wichtig ist, was man selber draus macht. Und bei mir war es schon häufig so - also gerade auch bei den Berufen, die ich ausgeübt habe - dass ich natürlich wusste, dass ich diesen Job wegen meinem Migrationshintergrund bekommen habe. Aber wichtig ist ja am Ende, was ich selber daraus mache. Das heißt, nur die Tatsache, dass jemand anderes einen vielleicht instrumentalisieren will, ist ja erstmal nur einseitig. It takes two to tango - und da war ich eigentlich immer sehr selbstbewusst und habe immer den richtigen Zeitpunkt abgewartet, bis ich vielleicht auch meine eigenen Ziele zum Ausdruck bringe.
Wenn Sie meine Erfolgsgeschichte ansprechen - dann will nur sagen, dass ich keine Ausnahme bin. Das wollte ich eigentlich sichtbar machen mit dem German Dream. Ich wollte denjenigen, die noch unsichtbar sind, aber schon Unfassbares, Unglaubliches geleistet haben, damit meinen Respekt zollen. German Dream ist nicht die Rolle des Bittstellers, der Migrantin – unter dem Motto: Danke Deutschland. Sondern es geht um eine Botschaft an die Mehrheitsgesellschaft, die uns gegenüber vielleicht auch Respekt aufbringen sollte und eine Dankbarkeit im Sinne von: Wahnsinnig beeindruckend, wie ihr das geschafft habt, obwohl ihr vielleicht nicht dieselben Bedingungen hattet.
Deutschlandfunk Kultur: Also, es geht ja auch darum, ein anderes Narrativ in den Mittelpunkt zu stellen - also Erfolgsgeschichten von Leuten, die sich ihren Traum in Deutschland erfüllen konnten. Die Botschaft ist: Wer den festen Willen hat, dazuzugehören, kann dazugehören?
Düzen Tekkal: Ganz genau.
Deutschlandfunk Kultur: Also umgekehrt, wer nicht dazu gehört - und viele Menschen empfinden es ja so - der hat einfach nicht genug Willen, dazu zu gehören?
Düzen Tekkal: Nein, das ist natürlich so einfach nicht. Natürlich gibt's die Diskriminierungserfahrung. Natürlich gibt es die gläsernen Decken. Natürlich gibt es Benachteiligung für Migranten, wo deren Zuwanderungsgeschichte sichtbar ist – sowohl auf dem Wohnungsmarkt, als auch bei der schlechteren Benotung in den Schulen. Das ist alles da. Und ich glaube, dass es auch ganz wichtig ist zu erkennen, dass auf dem Weg zum German Dream viele von uns einige MeTwo-Debatten hinter sich bringen mussten.
Selbstverantwortung statt Opfer-Existenz
Deutschlandfunk Kultur: Sie meinen MeTwo - zwei Ich's, nicht zu verwechseln mit der MeToo-Debatte, wo es um sexuelle Diskriminierung geht. Sie appellieren, an Menschen, die einen Migrationshintergrund haben wie Sie selbst, wegzugehen von einer "Opferexistenz" hin zur Selbstverantwortung. Sie sagen: Es ist zu einfach, immer alles nur auf die Herkunft zu reduzieren. Sie werden sich mit so einer Haltung auch unbeliebt gemacht haben und sicherlich nicht nur Freunde dadurch gefunden haben.
Düzen Tekkal: Ganz genau. Aber so war das schon immer in meinem Leben. Also, mit dem, was ich tue, will ich mir keine Freunde machen, sondern versuche ich eigentlich einen gesellschaftlichen Diskurs mitzugestalten, mitzuprägen. Das ist das, was ich mir vor allem wünsche. Und was mich bei #MeTwo von Anfang an geärgert hat, war, dass es für mich persönlich zu einseitig war, dass viele Diskriminierungserfahrungen geschildert worden sind, die Migranten mit Deutschen haben. Für mich als Minderheit in der Minderheit, als kurdische Jesidin, muss ich ehrlich zugeben, dass meine heile Welt von beiden Seiten bedroht worden ist - also eben nicht nur von den autochthonen Deutschen.
Deutschlandfunk Kultur: Das Wort "autochthon" taucht jetzt zum wiederholten Mal. Wir sollten es übersetzen. Man könnte es "Bio-Deutsche" nennen.
Düzen Tekkal: Ganz genau. Aber so war das schon immer in meinem Leben. Also, mit dem, was ich tue, will ich mir keine Freunde machen, sondern versuche ich eigentlich einen gesellschaftlichen Diskurs mitzugestalten, mitzuprägen. Das ist das, was ich mir vor allem wünsche. Und was mich bei #MeTwo von Anfang an geärgert hat, war, dass es für mich persönlich zu einseitig war, dass viele Diskriminierungserfahrungen geschildert worden sind, die Migranten mit Deutschen haben. Für mich als Minderheit in der Minderheit, als kurdische Jesidin, muss ich ehrlich zugeben, dass meine heile Welt von beiden Seiten bedroht worden ist - also eben nicht nur von den autochthonen Deutschen.
Deutschlandfunk Kultur: Das Wort "autochthon" taucht jetzt zum wiederholten Mal. Wir sollten es übersetzen. Man könnte es "Bio-Deutsche" nennen.
Düzen Tekkal: Ganz genau. Biodeutsch ist halt immer so ein bisschen abwertend. Es kommt auch auf die Begriffe an, deswegen muss man immer überlegen. Was mich an der Debatte so gestört hat, war, dass sozusagen so eine bestimmte Klientel sich das Hoheitsrecht rausgenommen hat, laut zu sagen, was Ihrer Meinung nach Realität ist. Im Sinne von: Wir werden nur diskriminiert. Aber ohne dass es einen Lösungsansatz gäbe. Da habe ich einfach angefangen mitzumischen und habe gesagt: Dann sollen sie erst mal zuhören, dann erzähle ich jetzt auch mal von meinen Diskriminierungserfahrungen. Und dann habe ich zwei geschildert, die ich mit Deutschen erlebt habe, und zwei, die ich mit Migranten erlebt habe. Diese Ehrlichkeit, die ist einfach verdammt wichtig.
Was ich damit sagen wollte, war eigentlich von Anfang an: Ja, es gibt Rassismus. Ja, es gibt Nationalismus. Aber er macht keinen Halt vor jeglicher Religion. Den gibt es weltweit. Den gibt es überall. Und selbsterklärend gibt's den auch in Deutschland. Was hier aber neu ist, finde ich persönlich, ist, dass wir jetzt endlich anfangen darüber zu sprechen und zu diskutieren.
Was ich damit sagen wollte, war eigentlich von Anfang an: Ja, es gibt Rassismus. Ja, es gibt Nationalismus. Aber er macht keinen Halt vor jeglicher Religion. Den gibt es weltweit. Den gibt es überall. Und selbsterklärend gibt's den auch in Deutschland. Was hier aber neu ist, finde ich persönlich, ist, dass wir jetzt endlich anfangen darüber zu sprechen und zu diskutieren.
Auch Migranten diskriminieren
Deutschlandfunk Kultur: Diskutieren wäre ja noch freundlich. Aber Sie sind ja sogar bedroht worden. Man hat Sie als "Islam-Hasserin", als "Identitäre" diffamiert. Das ging ja schon grob zu.
Düzen Tekkal: Ganz genau. Das zeigt auch, wie empfindlich es geworden ist, wenn man Meinungsvielfalt anbringen möchte, wenn man nicht mit dem Mainstream schwimmen will, wenn man eigene Erfahrungswerte mitteilt, die anderer Natur sind. Aber genau das ist die Diskussion, die wir trotzdem eingehen müssen. Es ist eine gesellschaftliche Debatte, wie wir sie ja gerade sehen, die derzeit sehr stark emotional von zwei extremen Seiten geführt wird.
Mein Ziel ist eigentlich, da die Vernunft zurückzugeben, gemeinsam mit vielen anderen zu zeigen, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, in diesem Land seine Chance zu suchen, sie zu finden und sie auch zu nutzen und zu belegen, dass dieses Leistungsversprechen für jeden gilt, der es in dieser Gesellschaft schaffen will.
Jetzt weiß ich, dass das so gar nicht immer stattfindet. Das heißt, es hat nichts damit zu tun, dass ich realitätsfern bin. Das ist ein Wunsch. Ich würde gerne dazu beitragen, den zu erfüllen. Und dazu gehört auch, dass wir alle Probleme ansprechen müssen.
Deutschlandfunk Kultur: Das bringt Ihnen aber den Vorwurf ein, dass Sie den Alltagsrassismus, den Sie ja auch benennen, damit aber ein Stück relativieren.
Düzen Tekkal: Dem würde ich natürlich gar nicht zustimmen, einfach auch aufgrund der Tatsache, wie ich sozialisiert bin. Und wenn wir uns jetzt mal den Begriff German Dream vergegenwärtigen - für mich war das kein Hashtag, den ich aus dem Ärmel geschüttelt habe als Antwort auf MeTwo. Über diesen Begriff habe ich seit 2016 in meinem Buch "Deutschland ist bedroht" nachgedacht. Da gibt es ein Kapitel "German Dream statt German Angst". Und das ist für mich als Lösungskonzept gedacht. Was also tun mit MeTwo? Wie geht es weiter? Ich war sehr dankbar, als auch der Initiator von MeTwo, Ali Can, in der Debatte genau diesen Begriff aufgenommen hat als ein Lösungskonzept, und dass wir da jetzt in den Austausch gegangen sind und jetzt gemeinsam überlegen: Wie können wir aus diesem Hashtag eine echte Debatte und eine echte Veränderung machen? Genau so ist es gemeint. Es geht um zwei Seiten der Medaille. Und ich lasse mir da von niemandem einreden, dass ich da sozusagen was relativieren will.
Düzen Tekkal: Ganz genau. Das zeigt auch, wie empfindlich es geworden ist, wenn man Meinungsvielfalt anbringen möchte, wenn man nicht mit dem Mainstream schwimmen will, wenn man eigene Erfahrungswerte mitteilt, die anderer Natur sind. Aber genau das ist die Diskussion, die wir trotzdem eingehen müssen. Es ist eine gesellschaftliche Debatte, wie wir sie ja gerade sehen, die derzeit sehr stark emotional von zwei extremen Seiten geführt wird.
Mein Ziel ist eigentlich, da die Vernunft zurückzugeben, gemeinsam mit vielen anderen zu zeigen, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, in diesem Land seine Chance zu suchen, sie zu finden und sie auch zu nutzen und zu belegen, dass dieses Leistungsversprechen für jeden gilt, der es in dieser Gesellschaft schaffen will.
Jetzt weiß ich, dass das so gar nicht immer stattfindet. Das heißt, es hat nichts damit zu tun, dass ich realitätsfern bin. Das ist ein Wunsch. Ich würde gerne dazu beitragen, den zu erfüllen. Und dazu gehört auch, dass wir alle Probleme ansprechen müssen.
Deutschlandfunk Kultur: Das bringt Ihnen aber den Vorwurf ein, dass Sie den Alltagsrassismus, den Sie ja auch benennen, damit aber ein Stück relativieren.
Düzen Tekkal: Dem würde ich natürlich gar nicht zustimmen, einfach auch aufgrund der Tatsache, wie ich sozialisiert bin. Und wenn wir uns jetzt mal den Begriff German Dream vergegenwärtigen - für mich war das kein Hashtag, den ich aus dem Ärmel geschüttelt habe als Antwort auf MeTwo. Über diesen Begriff habe ich seit 2016 in meinem Buch "Deutschland ist bedroht" nachgedacht. Da gibt es ein Kapitel "German Dream statt German Angst". Und das ist für mich als Lösungskonzept gedacht. Was also tun mit MeTwo? Wie geht es weiter? Ich war sehr dankbar, als auch der Initiator von MeTwo, Ali Can, in der Debatte genau diesen Begriff aufgenommen hat als ein Lösungskonzept, und dass wir da jetzt in den Austausch gegangen sind und jetzt gemeinsam überlegen: Wie können wir aus diesem Hashtag eine echte Debatte und eine echte Veränderung machen? Genau so ist es gemeint. Es geht um zwei Seiten der Medaille. Und ich lasse mir da von niemandem einreden, dass ich da sozusagen was relativieren will.
"Böse Zwillinge": Rechtspopulisten und muslimische Extremisten
Deutschlandfunk Kultur: Journalistenkollege Dirk Schümer von der "Welt" hat gesagt: "Wenn man Deutschland als rassistisch bezeichnet, ist das selbst rassistisch." Rassismus heißt ja im Grunde, dass man sich nicht mit dem Einzelnen auseinandersetzt, sondern mit einer Gruppe. Würden Sie das unterschreiben können?
Düzen Tekkal: Ja. Im Grunde genommen sind wir noch relativ in den Kinderschuhen, was den Rassismus-Begriff bei uns angeht. Wir merken, dass er tabuisiert ist, dass die Diskussion von vielen als defizitär empfunden wird. Natürlich gehört zur Wahrheit dazu, dass das auch vor allem ganz viel mit unserem German Trauma zu tun hat - nämlich mit der deutschen Geschichte. Die deutsche Geschichte, für die, aus meiner Sicht, eben nicht nur die Deutsch-Deutschen Verantwortung übernehmen sollten, sondern alle, die in diesem Land leben. Da halte ich es mit Freya Klier: "Du sollst dich erinnern". Diese Erinnerungs- und Gedächtniskultur steht für sich und muss noch viel vehementer betrieben werden, gerade in den Schulen. Das machen Freya Klier und ich ja auch.
Auf der anderen Seite finde ich es ganz wichtig auch, dass wir als Deutsche ein Selbstverständnis entwickeln darüber, wer wir sind, woher wir kommen, wo wir hin wollen, was unsere Errungenschaften sind, worauf wir möglicherweise stolz sind – ja, ich sage ganz bewusst "stolz". Denn es geht darum, auch ein Narrativ zu entwickeln in Richtung eines stolzen Verfassungspatriotismus. Denn wichtig ist zu erkennen, dass, wenn wir das als Vernünftige, als Mehrheit der Gesellschaft nicht tun, genau diese Räume, wie wir es gegenwärtig erleben, besetzt werden, von den "bösen Zwillingen" - von den Rechtsextremisten und von den religiösen Extremisten, Nationalisten, Islamisten.
Das heißt, es ist unsere Pflicht, in die Offensive zu gehen und der Frage auf den Grund zu gehen: Wie konnte das passieren? Wie können wir es künftig verhindern? Aber auch: Wie können wir uns definieren? Wenn wir zum Beispiel von Identitätskonflikten reden, erscheinen mir nicht als erstes die Deutschen mit Zuwanderungsgeschichten, sondern es sind oft meine deutsch-deutschen Freunde, wo ich mir die Frage stelle: Wie stehst du zu dir selber und zu deinem Land?
Deutschlandfunk Kultur: Ich möchte nochmal den Kollegen Schümer zitieren. Er schreibt in dem gleichen Artikel: "Wenn Migranten von Küche bis Kirche ihr Anderssein leben, ist es multikulturelle Vielfalt. Wenn die anderen das wahrnehmen und thematisieren, ist es Rassismus." – Also, da bewegen wir uns genau in diesem Bereich, dass 'Unterscheidung' gleichzusetzen mit 'Diskriminierung' oder gar 'Rassismus' in der Debatte in die Irre führt, oder?
Düzen Tekkal: Ja, und zwar deshalb, weil das natürlich ein schwerwiegender Begriff ist.
Düzen Tekkal: Ja. Im Grunde genommen sind wir noch relativ in den Kinderschuhen, was den Rassismus-Begriff bei uns angeht. Wir merken, dass er tabuisiert ist, dass die Diskussion von vielen als defizitär empfunden wird. Natürlich gehört zur Wahrheit dazu, dass das auch vor allem ganz viel mit unserem German Trauma zu tun hat - nämlich mit der deutschen Geschichte. Die deutsche Geschichte, für die, aus meiner Sicht, eben nicht nur die Deutsch-Deutschen Verantwortung übernehmen sollten, sondern alle, die in diesem Land leben. Da halte ich es mit Freya Klier: "Du sollst dich erinnern". Diese Erinnerungs- und Gedächtniskultur steht für sich und muss noch viel vehementer betrieben werden, gerade in den Schulen. Das machen Freya Klier und ich ja auch.
Auf der anderen Seite finde ich es ganz wichtig auch, dass wir als Deutsche ein Selbstverständnis entwickeln darüber, wer wir sind, woher wir kommen, wo wir hin wollen, was unsere Errungenschaften sind, worauf wir möglicherweise stolz sind – ja, ich sage ganz bewusst "stolz". Denn es geht darum, auch ein Narrativ zu entwickeln in Richtung eines stolzen Verfassungspatriotismus. Denn wichtig ist zu erkennen, dass, wenn wir das als Vernünftige, als Mehrheit der Gesellschaft nicht tun, genau diese Räume, wie wir es gegenwärtig erleben, besetzt werden, von den "bösen Zwillingen" - von den Rechtsextremisten und von den religiösen Extremisten, Nationalisten, Islamisten.
Das heißt, es ist unsere Pflicht, in die Offensive zu gehen und der Frage auf den Grund zu gehen: Wie konnte das passieren? Wie können wir es künftig verhindern? Aber auch: Wie können wir uns definieren? Wenn wir zum Beispiel von Identitätskonflikten reden, erscheinen mir nicht als erstes die Deutschen mit Zuwanderungsgeschichten, sondern es sind oft meine deutsch-deutschen Freunde, wo ich mir die Frage stelle: Wie stehst du zu dir selber und zu deinem Land?
Deutschlandfunk Kultur: Ich möchte nochmal den Kollegen Schümer zitieren. Er schreibt in dem gleichen Artikel: "Wenn Migranten von Küche bis Kirche ihr Anderssein leben, ist es multikulturelle Vielfalt. Wenn die anderen das wahrnehmen und thematisieren, ist es Rassismus." – Also, da bewegen wir uns genau in diesem Bereich, dass 'Unterscheidung' gleichzusetzen mit 'Diskriminierung' oder gar 'Rassismus' in der Debatte in die Irre führt, oder?
Düzen Tekkal: Ja, und zwar deshalb, weil das natürlich ein schwerwiegender Begriff ist.
Totschlagargument Rassismus-Vorwurf
Deutschlandfunk Kultur: Ein Totschlagargument.
Düzen Tekkal: Das ist ein Totschlagargument, ganz genau. Und in dem Moment, wo Rassismus passiert, müssen wir alle aufstehen, müssen wir uns alle solidarisieren und müssen nach vorne gehen. Aber wir dürfen diesen Begriff nicht missbrauchen. Dafür ist er einfach zu wichtig. Ich habe als Journalistin in meiner journalistischen Laufbahn viele Filme gemacht, beispielsweise einen Beitrag, der fällt mir gerade ein, mit Polizisten in der Berliner Hauptstadt, wo ich sowohl auf Deutsche als auch auf Ägypter gestoßen bin, die gesagt haben: Wenn sie unterwegs sind im Streifendienst und wenn sie dann zufälligerweise jemanden mit Migrationshintergrund haben, wo sie was ahnden müssen, dann wird sofort die Rassismus-Karte gezogen. Gerade deutsch-deutsche Polizisten kennen das und sind damit auch immer wieder konfrontiert worden, weil es ein Totschlagargument ist.
Dann ist man so weit gegangen in Berlin, dass man teilweise nur noch gemischte Teams rausgeschickt hat: einer davon beispielsweise ein Deutscher mit ägyptischer Zuwanderungsgeschichte, der dann bestätigt, dass es kein Rassismus war. Das zeigt doch, wie sehr wir diese Sache ad absurdum führen, wenn wir nicht endlich anfangen, darüber realistisch zu reden.
Deutschlandfunk Kultur: Denn auf der anderen Seite muss man ja schon auch konstatieren, dass es rassistische Menschen im gesamten Umfeld gibt - im Zweifel auch bei der Polizei, und dass es Momente gibt, wo tatsächlich mit einer rassistischen Herangehensweise an Menschen mit Migrationshintergrund von Einzelnen reagiert wird.
Düzen Tekkal: Ganz genau. Und auch da ist es wichtig, die Dialektik hervorzuheben und dass es auch nicht einseitig ist und dass wir uns da auch künftig perspektivisch nicht erpressbar machen dürfen. Ich glaube, das hat ganz viel mit unserem Selbstbewusstsein zu tun, mit unserem Selbstverständnis. Und ich glaube auch, dass wir dazu verpflichtet sind. Denn eine Gesellschaft wie die hiesige, die sich mehr und mehr ethnisch, kulturell, religiös pluralisiert, die verlangt auch nach Antworten.
Das ist zum Beispiel etwas, was vor allem hier richtig angekommene Migranten verlangen. Also, die Trennlinien verlaufen hier nicht zwischen deutsch und migrantisch - auch wenn das Leute immer versuchen wollen von draußen. Sondern es geht wirklich um die Angekommenen, um die Demokraten auf der einen Seite und um die Hardliner und "bösen Zwillinge", die den Konflikt brauchen, auf der anderen. Da bitte ich um mehr Selbstbewusstsein.
Düzen Tekkal: Das ist ein Totschlagargument, ganz genau. Und in dem Moment, wo Rassismus passiert, müssen wir alle aufstehen, müssen wir uns alle solidarisieren und müssen nach vorne gehen. Aber wir dürfen diesen Begriff nicht missbrauchen. Dafür ist er einfach zu wichtig. Ich habe als Journalistin in meiner journalistischen Laufbahn viele Filme gemacht, beispielsweise einen Beitrag, der fällt mir gerade ein, mit Polizisten in der Berliner Hauptstadt, wo ich sowohl auf Deutsche als auch auf Ägypter gestoßen bin, die gesagt haben: Wenn sie unterwegs sind im Streifendienst und wenn sie dann zufälligerweise jemanden mit Migrationshintergrund haben, wo sie was ahnden müssen, dann wird sofort die Rassismus-Karte gezogen. Gerade deutsch-deutsche Polizisten kennen das und sind damit auch immer wieder konfrontiert worden, weil es ein Totschlagargument ist.
Dann ist man so weit gegangen in Berlin, dass man teilweise nur noch gemischte Teams rausgeschickt hat: einer davon beispielsweise ein Deutscher mit ägyptischer Zuwanderungsgeschichte, der dann bestätigt, dass es kein Rassismus war. Das zeigt doch, wie sehr wir diese Sache ad absurdum führen, wenn wir nicht endlich anfangen, darüber realistisch zu reden.
Deutschlandfunk Kultur: Denn auf der anderen Seite muss man ja schon auch konstatieren, dass es rassistische Menschen im gesamten Umfeld gibt - im Zweifel auch bei der Polizei, und dass es Momente gibt, wo tatsächlich mit einer rassistischen Herangehensweise an Menschen mit Migrationshintergrund von Einzelnen reagiert wird.
Düzen Tekkal: Ganz genau. Und auch da ist es wichtig, die Dialektik hervorzuheben und dass es auch nicht einseitig ist und dass wir uns da auch künftig perspektivisch nicht erpressbar machen dürfen. Ich glaube, das hat ganz viel mit unserem Selbstbewusstsein zu tun, mit unserem Selbstverständnis. Und ich glaube auch, dass wir dazu verpflichtet sind. Denn eine Gesellschaft wie die hiesige, die sich mehr und mehr ethnisch, kulturell, religiös pluralisiert, die verlangt auch nach Antworten.
Das ist zum Beispiel etwas, was vor allem hier richtig angekommene Migranten verlangen. Also, die Trennlinien verlaufen hier nicht zwischen deutsch und migrantisch - auch wenn das Leute immer versuchen wollen von draußen. Sondern es geht wirklich um die Angekommenen, um die Demokraten auf der einen Seite und um die Hardliner und "bösen Zwillinge", die den Konflikt brauchen, auf der anderen. Da bitte ich um mehr Selbstbewusstsein.
Integration realistisch betreiben
Deutschlandfunk Kultur: Auch Sie sagen, und man kann ja gar nicht die Augen davor verschließen, dass Integration nicht immer gelingt. Sie sagen, dass Menschen unterschiedlicher religiöser Prägung, kultureller Prägung natürlich Probleme haben können, sich zu integrieren. Warum misslingt Integration so oft?
Düzen Tekkal: Ich glaube, das hat auch ganz viel damit zu tun, wie realistisch wir das Ganze betreiben. Tatsache hier in Deutschland ist ja, dass im Zuge der Gastarbeitergeneration - also meiner Elterngeneration - etwa keine Sprachprogramme angeboten wurden, als die ersten vor über fünfzig, sechzig Jahren hierher kamen. Es wurde aber im Gegenzug erwartet, dass sie perfekt Deutsch sprechen. Ich weiß auch, dass das natürlich zur Integrationsleistung hinzugezogen wird. Integriert ist, wer deutsch spricht. Und das sehe ich halt ein bisschen anders. Es reicht nicht. Wir sehen ja gerade bei denjenigen, die den türkischen Präsidenten Erdogan so vehement verteidigen, dass sie das teilweise in Talkshows in einem perfekten Deutsch machen.
Deutschlandfunk Kultur: Eben, die zweite oder dritte Generation der Einwanderer, also Ihre Generation oder schon die nächstfolgende, scheint sich ja teilweise mit dem Herkunftsland der Eltern mehr zu identifizieren - gerade im Falle der Türkei - als mit Deutschland.
Düzen Tekkal: Genau. Die sind hier nie angekommen, obwohl sie hier leben.
Deutschlandfunk Kultur: Aber warum nicht?
Düzen Tekkal: Das hat auch ganz viel zu tun mit unserer Art, wie wir Politik machen. Das hat ganz mit der mangelnden Diskussionsfähigkeit unsererseits zu tun. Es hat ganz konkret was damit zu tun - wenn Sie jetzt beispielsweise den Deutsch-Türken ansprechen - dass wir das religiöse Leben der Jugendlichen in die Hände von Verbänden gelegt haben, wie beispielsweise DITIB, wo wir gar nicht beobachtet haben, was dort genau gelehrt wird, was dort passiert. Das war nicht transparent genug.
Jetzt heißt das für mich nicht, dass ich das alles unter Verdacht stellen will, aber erwiesenermaßen wissen wir, dass dort vereinzelt auch antisemitische Äußerungen getätigt worden sind, dass beispielsweise Politik gemacht wird statt Religion. Das kann Jugendliche schon durcheinander bringen. Das heißt, sie wurden im Grunde genommen in ihrem Türkischsein geprägt und erzogen. Und dann gehen wir her und sagen: Wie konnte das passieren? – Also, bitte! Das finde ich dann fast schon bigott.
Düzen Tekkal: Ich glaube, das hat auch ganz viel damit zu tun, wie realistisch wir das Ganze betreiben. Tatsache hier in Deutschland ist ja, dass im Zuge der Gastarbeitergeneration - also meiner Elterngeneration - etwa keine Sprachprogramme angeboten wurden, als die ersten vor über fünfzig, sechzig Jahren hierher kamen. Es wurde aber im Gegenzug erwartet, dass sie perfekt Deutsch sprechen. Ich weiß auch, dass das natürlich zur Integrationsleistung hinzugezogen wird. Integriert ist, wer deutsch spricht. Und das sehe ich halt ein bisschen anders. Es reicht nicht. Wir sehen ja gerade bei denjenigen, die den türkischen Präsidenten Erdogan so vehement verteidigen, dass sie das teilweise in Talkshows in einem perfekten Deutsch machen.
Deutschlandfunk Kultur: Eben, die zweite oder dritte Generation der Einwanderer, also Ihre Generation oder schon die nächstfolgende, scheint sich ja teilweise mit dem Herkunftsland der Eltern mehr zu identifizieren - gerade im Falle der Türkei - als mit Deutschland.
Düzen Tekkal: Genau. Die sind hier nie angekommen, obwohl sie hier leben.
Deutschlandfunk Kultur: Aber warum nicht?
Düzen Tekkal: Das hat auch ganz viel zu tun mit unserer Art, wie wir Politik machen. Das hat ganz mit der mangelnden Diskussionsfähigkeit unsererseits zu tun. Es hat ganz konkret was damit zu tun - wenn Sie jetzt beispielsweise den Deutsch-Türken ansprechen - dass wir das religiöse Leben der Jugendlichen in die Hände von Verbänden gelegt haben, wie beispielsweise DITIB, wo wir gar nicht beobachtet haben, was dort genau gelehrt wird, was dort passiert. Das war nicht transparent genug.
Jetzt heißt das für mich nicht, dass ich das alles unter Verdacht stellen will, aber erwiesenermaßen wissen wir, dass dort vereinzelt auch antisemitische Äußerungen getätigt worden sind, dass beispielsweise Politik gemacht wird statt Religion. Das kann Jugendliche schon durcheinander bringen. Das heißt, sie wurden im Grunde genommen in ihrem Türkischsein geprägt und erzogen. Und dann gehen wir her und sagen: Wie konnte das passieren? – Also, bitte! Das finde ich dann fast schon bigott.
Unsere Werte vernünftig unterrichten
Deutschlandfunk Kultur: Muss man der Mehrheitsgesellschaft oder derjenigen, die wie Sie sagen, dass Sie ihren deutschen Traum hier leben können, vorwerfen, dass sie die Werte nicht offensiv genug vertreten?
Düzen Tekkal: Wir haben bis heute die Werte nicht vernünftig unterrichtet.
Deutschlandfunk Kultur: Kennen wir sie überhaupt. Wissen wir, was unsere Werte sind?
Düzen Tekkal: Wir müssen sie formulieren! Ich habe unsere Werte kennengelernt im Irak, als diese Werte bei anderen Menschen bedroht waren. Niemals wäre dieses Buch "Deutschland ist bedroht" ohne meine Erfahrung während dieses Völkermords entstanden, weil ich da auch nochmal ganz anders auf mein Deutschland zurückgeblickt habe. Und das waren für mich die klassischen Errungenschaften, wie beispielsweise Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, Unversehrtheit des Menschen, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit. All das sind Errungenschaften, für die wir so beliebt geworden sind, für die Menschen sich auf den Weg zu uns machen wollen, Gründe, warum Menschen das Mittelmeer überqueren und hier leben wollen.
Und ich glaube, was man dadurch deutlich erkennen kann - weil Sie ja gerade die Frage angesprochen haben, warum sind die Menschen nicht angekommen - ist, dass wir unsere Werte von Anfang an nicht vernünftig unterrichtet haben. Es geht nicht nur um die Unterrichtung von Bildung, sondern auch um Werte, und zwar dialektisch.
Wenn das nicht gelingt, dann suchen sich die Menschen Rückzugsräume. Denn es geht letztlich ja auch um Identitätsbildung. Und wenn ich kein stolzer Deutscher sein darf, mit dem Verfassungspatriotismus beispielsweise, mit all dem, was mich ausmacht - morgens aufzustehen und frei zu sein, das zu sagen, was ich denke, was ich fühle…
Deutschlandfunk Kultur: Aber das darf man ja alles, und Menschen entscheiden sich trotzdem, es nicht zu tun.
Düzen Tekkal: Genau. Die, die es nicht tun, die müssen wir dafür auch herausfordern. Da müssen wir der Frage nachgehen: Wie konnte es so weit kommen? Denn es ist zu Versäumnissen gekommen. Und das, was wir jetzt machen, ist ja eigentlich nur noch reagieren. Das Problem, was ich nur sehe, ist: Wir lernen nichts daraus. Das heißt, wir machen die ganze Zeit weiter.
Und die grundsätzliche Frage, die wir uns auch politisch stellen müssen, ist wirklich: Was ist wichtiger - Wirtschaftsinteressen, geopolitische Interessen oder Einhaltung von Menschenrechten und Religionsfreiheit und unsere Werte? Ich glaube, diese Frage verdichtet sich immer mehr, wird immer wichtiger in dieser Gesellschaft, in der wir leben, wo Menschen natürlich auch viel mehr mitbekommen, als es früher der Fall war – gerade durch die Digitalisierung, soziale Medien.
Deutschlandfunk Kultur: Sie warnen vor dem wachsenden Radikalismus in Deutschland, und zwar - Sie haben den Begriff schon erwähnt - vor den "bösen Zwillingen". Will heißen: wir haben eine Radikalisierung auf der einen Seite bei sehr konservativen, fast fundamentalistischen Muslimen und auf der anderen Seite bei Rechtspopulisten. Sie nennen das sicherlich deshalb die bösen Zwillinge, unterstelle ich, weil sie sozusagen gemeinsam das Licht der Welt erblickt haben beziehungsweise wachsen, blühen und gedeihen. Bewirkt das eine das andere?
Deutschlandfunk Kultur: Kennen wir sie überhaupt. Wissen wir, was unsere Werte sind?
Düzen Tekkal: Wir müssen sie formulieren! Ich habe unsere Werte kennengelernt im Irak, als diese Werte bei anderen Menschen bedroht waren. Niemals wäre dieses Buch "Deutschland ist bedroht" ohne meine Erfahrung während dieses Völkermords entstanden, weil ich da auch nochmal ganz anders auf mein Deutschland zurückgeblickt habe. Und das waren für mich die klassischen Errungenschaften, wie beispielsweise Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, Unversehrtheit des Menschen, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit. All das sind Errungenschaften, für die wir so beliebt geworden sind, für die Menschen sich auf den Weg zu uns machen wollen, Gründe, warum Menschen das Mittelmeer überqueren und hier leben wollen.
Und ich glaube, was man dadurch deutlich erkennen kann - weil Sie ja gerade die Frage angesprochen haben, warum sind die Menschen nicht angekommen - ist, dass wir unsere Werte von Anfang an nicht vernünftig unterrichtet haben. Es geht nicht nur um die Unterrichtung von Bildung, sondern auch um Werte, und zwar dialektisch.
Wenn das nicht gelingt, dann suchen sich die Menschen Rückzugsräume. Denn es geht letztlich ja auch um Identitätsbildung. Und wenn ich kein stolzer Deutscher sein darf, mit dem Verfassungspatriotismus beispielsweise, mit all dem, was mich ausmacht - morgens aufzustehen und frei zu sein, das zu sagen, was ich denke, was ich fühle…
Deutschlandfunk Kultur: Aber das darf man ja alles, und Menschen entscheiden sich trotzdem, es nicht zu tun.
Düzen Tekkal: Genau. Die, die es nicht tun, die müssen wir dafür auch herausfordern. Da müssen wir der Frage nachgehen: Wie konnte es so weit kommen? Denn es ist zu Versäumnissen gekommen. Und das, was wir jetzt machen, ist ja eigentlich nur noch reagieren. Das Problem, was ich nur sehe, ist: Wir lernen nichts daraus. Das heißt, wir machen die ganze Zeit weiter.
Und die grundsätzliche Frage, die wir uns auch politisch stellen müssen, ist wirklich: Was ist wichtiger - Wirtschaftsinteressen, geopolitische Interessen oder Einhaltung von Menschenrechten und Religionsfreiheit und unsere Werte? Ich glaube, diese Frage verdichtet sich immer mehr, wird immer wichtiger in dieser Gesellschaft, in der wir leben, wo Menschen natürlich auch viel mehr mitbekommen, als es früher der Fall war – gerade durch die Digitalisierung, soziale Medien.
Deutschlandfunk Kultur: Sie warnen vor dem wachsenden Radikalismus in Deutschland, und zwar - Sie haben den Begriff schon erwähnt - vor den "bösen Zwillingen". Will heißen: wir haben eine Radikalisierung auf der einen Seite bei sehr konservativen, fast fundamentalistischen Muslimen und auf der anderen Seite bei Rechtspopulisten. Sie nennen das sicherlich deshalb die bösen Zwillinge, unterstelle ich, weil sie sozusagen gemeinsam das Licht der Welt erblickt haben beziehungsweise wachsen, blühen und gedeihen. Bewirkt das eine das andere?
Suhlen in der kollektiven Opferrolle
Düzen Tekkal: Ja. Ich möchte es mal ganz konkret machen: In dem Moment, wo ich einen Zustand beschreibe, der beispielsweise zufällig mit muslimischen Mitmenschen zu tun hat, und ich dafür als Islamfeindin tituliert werde, degradiert werde geradezu, dann löst das etwas aus auf der anderen Seite. Das heißt, auch da werden dann vernünftige "konservative Knochen" dazu neigen zu sagen: Wie kann das denn sein? Wieso kann man denn nicht sagen, was ist, ohne dafür in irgendeine Ecke gedrängt zu werden? Und dann wird auch deren Extremismus zunehmen. Und umgekehrt ist es letztlich genauso.
Das heißt, wenn wir merken, dass gläserne Decken nicht zu durchbrechen sind, dass Rassismus passiert, ohne dass er geahndet wird, dann nimmt natürlich auch die Radikalisierung auf der anderen Seite zu. Und was beide Zwillinge gemeinsam haben, ist, dass sie herrschen wollen. Opfer wollen herrschen. Deswegen betreiben ja beide diese kollektive Aneignung der Opferrolle, in der sie sich suhlen wollen. Dazu versuche ich Nein mit dem German Dream nein zu sagen.
Deutschlandfunk Kultur: Ist ein Indiz dafür, dass diese Radikalisierung stattfindet, die extrem emotional aufgeheizte Debatte um Mesut Özil? Wir erinnern uns: ein Foto mit dem türkischen Präsidenten, ein Riesenaufschrei, Özils Rücktritt aus der Nationalmannschaft. Ist das alles tatsächlich ein Indiz für das, was Sie analysieren?
Düzen Tekkal: Vieles von dem, was ich jetzt sage, sage ich schon lange. Ich habe nur das Gefühl, dass es jetzt anders wahrgenommen und gehört wird. Und ich glaube schon, dass Özil im Grunde genommen damit einen sichtbaren Beweis geliefert hat, dass wir irgendwie alle so ein bisschen versagt haben. Und das fängt an damit, dass wir von jemandem sprechen, der sich durch Leistung sozusagen, in die deutsche Nationalmannschaft gespielt hat.
Deutschlandfunk Kultur: Sich seinen German Dream erfüllt hat.
Düzen Tekkal: Genau, der sich seinen German Dream erfüllt hat, aber letztlich uns auch ganz klar gezeigt hat, dass er unsere Werte nicht teilt. Und das tut weh.
Deutschlandfunk Kultur: Woraus schließen Sie das? Man kann das doch auch so sehen: Dieses Foto mit Erdogan, von dem man jetzt halten kann, was man will, war letztendlich ein Signal von Özil an seine vielen Fans, die er hat. Die Hälfte seiner Fans, zumindest was Follower in den sozialen Medien angeht, sind Muslime, die ihn ausgepfiffen haben, als er sich damals entschieden hat, für die deutsche Mannschaft zu spielen. Vielleicht war das Foto einfach gedacht, als eine Geste der Versöhnung an diese Menschen, einschließlich seiner Eltern und Großeltern.
Düzen Tekkal: Ich sehe das ein bisschen anders, weil ich schon der festen Überzeugung bin, dass dieses Foto auch politisch zu sehen ist.
Das heißt, wenn wir merken, dass gläserne Decken nicht zu durchbrechen sind, dass Rassismus passiert, ohne dass er geahndet wird, dann nimmt natürlich auch die Radikalisierung auf der anderen Seite zu. Und was beide Zwillinge gemeinsam haben, ist, dass sie herrschen wollen. Opfer wollen herrschen. Deswegen betreiben ja beide diese kollektive Aneignung der Opferrolle, in der sie sich suhlen wollen. Dazu versuche ich Nein mit dem German Dream nein zu sagen.
Deutschlandfunk Kultur: Ist ein Indiz dafür, dass diese Radikalisierung stattfindet, die extrem emotional aufgeheizte Debatte um Mesut Özil? Wir erinnern uns: ein Foto mit dem türkischen Präsidenten, ein Riesenaufschrei, Özils Rücktritt aus der Nationalmannschaft. Ist das alles tatsächlich ein Indiz für das, was Sie analysieren?
Düzen Tekkal: Vieles von dem, was ich jetzt sage, sage ich schon lange. Ich habe nur das Gefühl, dass es jetzt anders wahrgenommen und gehört wird. Und ich glaube schon, dass Özil im Grunde genommen damit einen sichtbaren Beweis geliefert hat, dass wir irgendwie alle so ein bisschen versagt haben. Und das fängt an damit, dass wir von jemandem sprechen, der sich durch Leistung sozusagen, in die deutsche Nationalmannschaft gespielt hat.
Deutschlandfunk Kultur: Sich seinen German Dream erfüllt hat.
Düzen Tekkal: Genau, der sich seinen German Dream erfüllt hat, aber letztlich uns auch ganz klar gezeigt hat, dass er unsere Werte nicht teilt. Und das tut weh.
Deutschlandfunk Kultur: Woraus schließen Sie das? Man kann das doch auch so sehen: Dieses Foto mit Erdogan, von dem man jetzt halten kann, was man will, war letztendlich ein Signal von Özil an seine vielen Fans, die er hat. Die Hälfte seiner Fans, zumindest was Follower in den sozialen Medien angeht, sind Muslime, die ihn ausgepfiffen haben, als er sich damals entschieden hat, für die deutsche Mannschaft zu spielen. Vielleicht war das Foto einfach gedacht, als eine Geste der Versöhnung an diese Menschen, einschließlich seiner Eltern und Großeltern.
Düzen Tekkal: Ich sehe das ein bisschen anders, weil ich schon der festen Überzeugung bin, dass dieses Foto auch politisch zu sehen ist.
Özil zum "Intergrationsmaskottchen" gemacht
Deutschlandfunk Kultur: Ja, dass Erdogan das politisch instrumentalisiert hat, ist klar – aber Özil?
Düzen Tekkal: Er hat sich schon auch instrumentalisieren lassen. Und ich würde schon auch einem Fußballer gesunden Menschenverstand attestieren, zu entscheiden darüber, was jemand will und was nicht. In dem Zusammenhang war ja auch Emre Can eingeladen, auch ein Fußballspieler mit türkischen Wurzeln, der sich dagegen entschieden hat. Also, es geht um die Entscheidungsfreiheit. Und ich weigere mich so zu tun, als wenn Özil Opfer gewesen wäre, also Opfer Erdogans oder seines Presseteams. Denn auch er ist mündig. Und auch er ist erwachsen. Und ich denke, dass er weiß, was er tut. Und ich finde es schwierig, Özil heranzuziehen als gelungenes Integrationsbeispiel. Das ist eigentlich eher mein Punkt, also dass wir jemanden wie Özil mit dem Preis Integrations-Bambi ausgezeichnet haben beispielsweise, dass wir ihn zum "Integrationsmaskottchen" teilweise gemacht haben. Das war, glaube ich, auch unser Fehler.
Ich sage es nochmal - und auch das Beispiel zeigt es: Leistung auf der einen Seite, aber Wertevermittlung, wenn die nicht gelingt, dann ist für mich jemand auch kein Vorbild.
Deutschlandfunk Kultur: Aber wir haben Özil vielleicht auch ein wenig überhöht.
Düzen Tekkal: Genau.
Deutschlandfunk Kultur: Ist es nicht wirklich schlichtweg zu viel verlangt von jemandem, dessen Eltern und Großeltern trotz ihres Lebens in Deutschland patriotische Türken geblieben sind, zu verlangen, dass er Erdogan - den wir als Autokraten, als Nichtdemokraten zunehmend wahrnehmen - genauso sieht wie wir? Warum soll er sich nicht mit Erdogan treffen, wenn wir doch - Ende September wird es der Fall sein - mit allen militärischen Ehren und Staatsbankett in Deutschland auf Staatsbesuch empfangen?
Düzen Tekkal: Er hat sich schon auch instrumentalisieren lassen. Und ich würde schon auch einem Fußballer gesunden Menschenverstand attestieren, zu entscheiden darüber, was jemand will und was nicht. In dem Zusammenhang war ja auch Emre Can eingeladen, auch ein Fußballspieler mit türkischen Wurzeln, der sich dagegen entschieden hat. Also, es geht um die Entscheidungsfreiheit. Und ich weigere mich so zu tun, als wenn Özil Opfer gewesen wäre, also Opfer Erdogans oder seines Presseteams. Denn auch er ist mündig. Und auch er ist erwachsen. Und ich denke, dass er weiß, was er tut. Und ich finde es schwierig, Özil heranzuziehen als gelungenes Integrationsbeispiel. Das ist eigentlich eher mein Punkt, also dass wir jemanden wie Özil mit dem Preis Integrations-Bambi ausgezeichnet haben beispielsweise, dass wir ihn zum "Integrationsmaskottchen" teilweise gemacht haben. Das war, glaube ich, auch unser Fehler.
Ich sage es nochmal - und auch das Beispiel zeigt es: Leistung auf der einen Seite, aber Wertevermittlung, wenn die nicht gelingt, dann ist für mich jemand auch kein Vorbild.
Deutschlandfunk Kultur: Aber wir haben Özil vielleicht auch ein wenig überhöht.
Düzen Tekkal: Genau.
Deutschlandfunk Kultur: Ist es nicht wirklich schlichtweg zu viel verlangt von jemandem, dessen Eltern und Großeltern trotz ihres Lebens in Deutschland patriotische Türken geblieben sind, zu verlangen, dass er Erdogan - den wir als Autokraten, als Nichtdemokraten zunehmend wahrnehmen - genauso sieht wie wir? Warum soll er sich nicht mit Erdogan treffen, wenn wir doch - Ende September wird es der Fall sein - mit allen militärischen Ehren und Staatsbankett in Deutschland auf Staatsbesuch empfangen?
Staatsbankett für Erdogan - bigott!
Düzen Tekkal: Die Tatsache, dass wir Erdogan mit Staatsbankett hier empfangen und auf der anderen Seite das Foto von Özil und Erdogan kritisieren, ist bigott. Das kann man auch keinem türkischen Jugendlichen da draußen erklären. Und das ist sozusagen das Problem. Das hat verheerende Konsequenzen.
Was ich uns da selber vorwerfe, ist, dass wir einfach nicht aus alten Fehlern lernen. Ich hätte beispielsweise kein Staatsbankett gemacht. Aber es ist jetzt anders entschieden worden. Und insofern ist das natürlich ein Problem und sorgt wieder für Identitätskonflikte.
Deutschlandfunk Kultur: Aber hätte das nicht auch genau dann passieren können, wenn man gesagt hat: wir laden ihn nicht ein oder wir laden ihn "halbseiden" ein - ohne militärische Ehren, kein Staatsbankett? Das hätte doch genauso auch den Vorwurf genährt: Ihr behandelt Erdogan wie einen Präsidenten zweiter Klasse.
Düzen Tekkal: Letztlich geht's ja darum, dass diese gegenseitigen Fehler schon viel eher begonnen haben - nämlich damit, dass wir dieses Verhalten viel zu lange geduldet haben und dass wir jetzt von einem Präsidenten sprechen, der tagtäglich Menschenrechtsverletzungen begeht, der Journalisten ins Gefängnis packt, Menschenrechtsaktivisten, der kurdische Dörfer teilweise ausgerottet hat.
Das heißt, ich möchte diese Frage beantworten mit einem Fußballer aus der Türkei mit kurdischen Wurzeln, Deniz Naki, der zu Özil gesagt: "Der Mensch, neben dem du heute stehst, der sorgt für den Rassismus in der Türkei. Der sorgt dafür, dass ich vom Spielerverband ausgeschlossen bin. Der sorgt dafür, dass Mordanschläge auf mich verübt werden. Wie stehst du denn dazu, Mesut Özil?" Und das ist genau das, was ich meine, dass, wenn er auf der einen Seite den Rassismus in Deutschland beklagt, er nicht die Augen zumachen darf in der Türkei.
Deutschlandfunk Kultur: Sind denn diese Rassismus-Vorwürfe von Özil im Zuge seines Rücktritts aus der Fußballnationalmannschaft in gewisser Weise nützlich - im Sinne von "heilsamer Schock"?
Deutschlandfunk Kultur: Aber hätte das nicht auch genau dann passieren können, wenn man gesagt hat: wir laden ihn nicht ein oder wir laden ihn "halbseiden" ein - ohne militärische Ehren, kein Staatsbankett? Das hätte doch genauso auch den Vorwurf genährt: Ihr behandelt Erdogan wie einen Präsidenten zweiter Klasse.
Düzen Tekkal: Letztlich geht's ja darum, dass diese gegenseitigen Fehler schon viel eher begonnen haben - nämlich damit, dass wir dieses Verhalten viel zu lange geduldet haben und dass wir jetzt von einem Präsidenten sprechen, der tagtäglich Menschenrechtsverletzungen begeht, der Journalisten ins Gefängnis packt, Menschenrechtsaktivisten, der kurdische Dörfer teilweise ausgerottet hat.
Das heißt, ich möchte diese Frage beantworten mit einem Fußballer aus der Türkei mit kurdischen Wurzeln, Deniz Naki, der zu Özil gesagt: "Der Mensch, neben dem du heute stehst, der sorgt für den Rassismus in der Türkei. Der sorgt dafür, dass ich vom Spielerverband ausgeschlossen bin. Der sorgt dafür, dass Mordanschläge auf mich verübt werden. Wie stehst du denn dazu, Mesut Özil?" Und das ist genau das, was ich meine, dass, wenn er auf der einen Seite den Rassismus in Deutschland beklagt, er nicht die Augen zumachen darf in der Türkei.
Deutschlandfunk Kultur: Sind denn diese Rassismus-Vorwürfe von Özil im Zuge seines Rücktritts aus der Fußballnationalmannschaft in gewisser Weise nützlich - im Sinne von "heilsamer Schock"?
Manchmal fehlt die Herzenswärme
Düzen Tekkal: Unbedingt. Ich glaube, dass viele gerade sagen: Na endlich! Endlich haben wir mal die Gelegenheit, wirklich Tacheles zu reden und ganz konkret darüber zu sprechen, was hier vielleicht in Schieflage geraten ist und was wir viel zu lange zugelassen haben, und wie wir es schaffen - und darum geht's ja letztlich - wie wir es schaffen, den jungen Menschen da draußen, unabhängig von ihren Wurzeln, so etwas wie eine Möglichkeit, eine Chance, eine Identität mitzugeben. Denn ich bin in vielen Schulen unterwegs mit sogenannten school talks, wo wir Vorträge halten, wo wir Filme zeigen, wo wir in die Diskussion gehen. Und ich habe nicht einmal festgestellt, dass Jugendliche politikverdrossen sind oder nicht mitgenommen werden wollen.
Ich sehe wirklich da den Fehler in erster Linie bei uns, dass ich meine, wir müssen sie anders an die Hand nehmen. Mir fehlt da manchmal wirklich die Herzenswärme. Mir fehlt die Menschlichkeit. Diejenigen, die sich für Erdogan entscheiden, machen das nicht, weil sie gezwungen werden. Sie tun es, weil sie ihn lieben – ob wir das wollen oder nicht. Das ist doch erstmal eine Erkenntnis, die wir sinnstiftend auch für unser Land nutzen können, da eben auch Angebote zu machen …
Deutschlandfunk Kultur: Aber wir wollen doch keine autokratisch agierenden Machismos vertretenden Politiker...
Düzen Tekkal: Das wollen wir nicht. Aber die Frage ist: Wie konnte dieser Macho, wie konnte dieser Autokrat uns denn sozusagen unsere Jugendlichen wegnehmen? Wir müssen da in den Wettbewerb gehen - egal, wo diese Kinder herkommen. Da geht's mir nicht um Ronny aus Pasewalk oder Achmed aus Duisburg. Die sind für mich gleich zu behandeln. Und ich habe viele türkisch-muslimische Freunde, die sich beispielsweise darüber beschweren, dass immer nur diese Erdogan-Vertreter in die Talkshows eingeladen werden. Sie sagen: Ich habe auch viel zu sagen zu dem Thema, aber ich bin unsichtbar. Ich finde gar nicht statt. Und das ist etwas, wo meine: Wir müssen auch säkularen Türken die Freiheit geben sich zu äußern.
Was wir aber gemacht haben, gerade mit unserer Politik, war, dass wir Migranten und Türken zu Muslimen gemacht haben. Das ist Teil des Problems. Das kriegen wir jetzt wieder hundertprozentig zurück.
Deutschlandfunk Kultur: Aber wir wollen doch keine autokratisch agierenden Machismos vertretenden Politiker...
Düzen Tekkal: Das wollen wir nicht. Aber die Frage ist: Wie konnte dieser Macho, wie konnte dieser Autokrat uns denn sozusagen unsere Jugendlichen wegnehmen? Wir müssen da in den Wettbewerb gehen - egal, wo diese Kinder herkommen. Da geht's mir nicht um Ronny aus Pasewalk oder Achmed aus Duisburg. Die sind für mich gleich zu behandeln. Und ich habe viele türkisch-muslimische Freunde, die sich beispielsweise darüber beschweren, dass immer nur diese Erdogan-Vertreter in die Talkshows eingeladen werden. Sie sagen: Ich habe auch viel zu sagen zu dem Thema, aber ich bin unsichtbar. Ich finde gar nicht statt. Und das ist etwas, wo meine: Wir müssen auch säkularen Türken die Freiheit geben sich zu äußern.
Was wir aber gemacht haben, gerade mit unserer Politik, war, dass wir Migranten und Türken zu Muslimen gemacht haben. Das ist Teil des Problems. Das kriegen wir jetzt wieder hundertprozentig zurück.
"Wir sind nicht eure Kuscheltiere"
Deutschlandfunk Kultur: Frau Tekkal, Sie sind CDU-Mitglied, wären beinahe Staatsministerin für Integration geworden. Jedenfalls waren Sie im Schattenkabinett von Julia Klöckner bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz vor zwei Jahren. In drei Sätzen: Warum ist die CDU die richtige Partei für Sie?
Düzen Tekkal: Ich bin seinerzeit in die CDU eingetreten genau aus dieser Wertedebatte heraus, dass ich eben gesagt habe: Es geht nicht darum, wo man herkommt, sondern wo man hin will und dass wir unsere Werte auf dieser freiheitlich-demokratischen Grundordnung gemeinsam austarieren.
Ich habe die SPD hinter mir gelassen. Ich komme aus einem sozialdemokratischen Elternhaus. Mein Vater ist seit Jahrzehnten stolzes SPD-Parteimitglied. Ich habe ganz bewusst damit gebrochen, weil mir die Migrationspolitik gegen den Strich ging und weil diese Migrationspolitik, die dort betrieben wird, viele Migranten reduziert auf den Opferstatus - quasi als Teil des Programms.
Deutschlandfunk Kultur: Und das macht die Union besser als die SPD?
Düzen Tekkal: Das wage ich mal selbstkritisch zu bezweifeln. Sonst wäre ich auch nicht ehrlich. Ich bin Parteimitglied, aber ich bin vor allem auch selbstbestimmt. Und ich sehe gerade, dass wir in allen Parteien Nachholbedarf haben. Aber wenn Sie mich so konkret fragen, möchte ich es ehrlich beantworten: Das war der Grund. Ich habe gesagt, ich möchte über Migranten sprechen auf Augenhöhe und möchte nicht reduziert werden darauf, dass man auf mich aufpassen muss oder, wie es der Kollege Ahmad Mansour sagt: "Wir sind nicht eure Kuscheltiere."
Aber das war bei mir schon immer so, dass ich mir nie den Weg gesucht habe, der einfach war, sondern einen, der vielleicht wirksam ist und, auch wenn man das nicht gleich in dem Moment merkt, dann vielleicht Jahre später.
Ich habe die SPD hinter mir gelassen. Ich komme aus einem sozialdemokratischen Elternhaus. Mein Vater ist seit Jahrzehnten stolzes SPD-Parteimitglied. Ich habe ganz bewusst damit gebrochen, weil mir die Migrationspolitik gegen den Strich ging und weil diese Migrationspolitik, die dort betrieben wird, viele Migranten reduziert auf den Opferstatus - quasi als Teil des Programms.
Deutschlandfunk Kultur: Und das macht die Union besser als die SPD?
Düzen Tekkal: Das wage ich mal selbstkritisch zu bezweifeln. Sonst wäre ich auch nicht ehrlich. Ich bin Parteimitglied, aber ich bin vor allem auch selbstbestimmt. Und ich sehe gerade, dass wir in allen Parteien Nachholbedarf haben. Aber wenn Sie mich so konkret fragen, möchte ich es ehrlich beantworten: Das war der Grund. Ich habe gesagt, ich möchte über Migranten sprechen auf Augenhöhe und möchte nicht reduziert werden darauf, dass man auf mich aufpassen muss oder, wie es der Kollege Ahmad Mansour sagt: "Wir sind nicht eure Kuscheltiere."
Aber das war bei mir schon immer so, dass ich mir nie den Weg gesucht habe, der einfach war, sondern einen, der vielleicht wirksam ist und, auch wenn man das nicht gleich in dem Moment merkt, dann vielleicht Jahre später.