Dunkler Ritter, bayerischer Volksheld und ein italienischer Sinnsucher

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack · 20.08.2008
"Batman - The Dark Knight" zeigt den Superhelden in einem Dilemma, da er angesichts eines scheinbar übermäßigen Feindes zu Mitteln greifen muss, die er ablehnt. "Räuber Kneißl" porträtiert einen armen Kleinbauern, der zum Räuber wird. "Nicht dran denken" zeigt den ganz normalen Wahnsinn einer italienischen Familie.
"Batman - The Dark Knight"
USA 2008. Regie: Christopher Nolan. Buch: Jonathan Nolan, Christopher Nolan, David S. Goyer. Mit: Christian Bale, Michael Caine, Heath Ledger, Aaron Eckhart, Maggie Gyllenhaal, Morgan Freeman, Gary Oldman, Eric Roberts. 152 Minuten. FSK: keine Angabe

Christopher Nolan ist sowohl Amerikaner wie auch Brite; wurde als Sohn einer US-amerikanischen Mutter und eines britischen Vaters am 30. Juli 1970 in London geboren. Er fing im Alter von sieben Jahren mit der Super-8-Kamera seines Vaters an, Actionfiguren zu filmen und dehte mit 19 seinen ersten Kurzfilm ("Tarantella", wurde 1989 auch im US-Fernsehen ausgestrahlt); studierte Englische Literatur am Londoner "University College", schuf seine ersten Filme auf 16mm; brachte 1998 seinen ersten abendfüllenden Spielfilm auf die Leinwand: "Following" (B+R). Schuf danach in Cineastenkreisen vielbeachtete Filme wie "Memento" (2000, "Oscar"-Nominierung für das "Beste Originaldrehbuch"), den Remake-Thriller "Insomnia - Schlaflos" (2002, mit Al Pacino, Robin Williams und Hillary Swank), bevor er 2004 mit dem Riesenprojekt "Batman Begins" betraut wurde, für das er ein Budget von 135 Millionen Dollar zur Verfügung bestellt bekam (weltweites Einspielergebnis: 372 Millionen Dollar). Im Jahr 2006 schuf er schließlich das Magier-Duell "Prestige - Meister der Magie", mit Hugh Jackman und Christian Bale.

Hier nun wurden für den ehemaligen Low-Budget-Regisseur 180 Millionen Dollar aufgebracht, damit er die Fortsetzung von "Batman Begins" verwirklicht. Aber der thematischen Reihe nach:

In den USA gehören Comics bzw. Comic-Figuren wie Superman oder Batman zum Kinderzimmer. So wie bei uns die Märchen der Brüder Grimm, wie Hänsel & Gretel oder Frau Holle, oder wie Max & Moritz von Wilhelm Busch. "Batman" hat in Nordamerika denselben Bekanntheitsgrad und Stellenwert wie Coca Cola.

Die Figur "Batman" wurde 1939 von dem Autoren Bill Finger und dem Zeichner Bob Kane ins Comic-Leben gerufen. Inspiriert u.a. von einem "Zorro"-Stummfilm sowie von einem Leonardo-da-Vinci-Gemälde, das einen Mann mit Fledermausflügeln zeigt.

Hinter dem "Superman"-Konkurrenten verbirgt sich der Milliardär Bruce Wayne. Der hat im Alter von 8 Jahren mit ansehen müssen, wie ein Straßenräuber seine Eltern in einer dunklen Gasse erschießt. Nach einer großzügigen Spende "übersieht" das zuständige Sozialamt den Waisenjungen. Bruce wird fortan vom Butler seiner Eltern, von Alfred Pennyworth, aufgezogen.

Am Grab seiner Eltern legt er den Schwur ab, seine Heimatstadt Gotham City vom Verbrechen zu säubern. Dafür trainiert er hart und studiert auf der ganzen Welt Kriminologie, Chemie, Physik, Technik und zahlreiche Selbstverteidigungsarten. Er gibt sich den Namen "Batman", als er eine Fledermaus sieht, die sich in seine Villa verirrt hat.

Die Öffentlichkeit von Gotham City steht Batman von Anfang an gespalten gegenüber. Für die einen ist er Rächer und Held, für die anderen ein gesetzloser Rächer, dessen Methoden fragwürdig erscheinen.

Hierzulande wurde Batman nur langsam populär. Erstmals erschien er in der ersten Ausgabe der 14-tägig herauskommenden, farbigen "Buntes-Allerlei"-Heftreihe des "Aller-Verlages" im Jahr 1954, an der Seite von Superman.

Neben diversen Zeichentrickfilmen und TV-Serien wurden nun insgesamt sieben Spielfilme realisiert. Mit Akteuren wie Adam West ("Batman hält die Welt in Atem", 1966), Michael Keaton ("Batman" und "Batmans Rückkehr", 1989 + 1992), Val Kilmer ("Batman Forever", 1995), George Clooney ("Batman & Robin", 1997) sowie zuletzt Christian Bale ("Batman Begins" + nun "The Dark Knight"). Allein die drei Produktionen von 1989, 1992 und 1995 spielten weltweit rund 1 Milliarde Dollar an den Kinokassen ein, so dass das Leinwand-Thema "Batman" immer "heiß" blieb.

Schon Nolans erster Flugversuch mit "Batman Begins" war vor drei Jahren kein schrilles Beliebig-Comic-Abenteuer, sondern eine ungewöhnlich düstere Parabel über Trauma, Angst und Selbstjustiz. Jetzt aber, als "Dunkler Ritter", stürzt Batman in noch tiefere Abgründe von Brutalität, Zerstörung und Terror. Verbunden mit den Fragen nach einer (über-) "lebensfähigen", demokratischen Recht- und Ordnung-Gesellschaft, in der das Gesetz über allem steht bzw. stehen sollte als einzige Werte-Orientierung.

Mit einer faszinierenden wie zugleich sehr spannenden Präzision thematisiert Nolan den schmalen Grat von Gut und Böse. Und die immerwährende Versuchung, mit bösen Mitteln Gutes erreichen zu wollen. Denn Bruce Wayne ist müde. Fühlt sich ausgebrannt. Ist es leid, im Batman-Kostüm Schurken zu jagen. Mit Hilfe des Polizeichefs Jim Gordon (Gary Oldman) unterstützt er den jung-dynamischen Staatsanwalt und Gerechtigkeitsfanatiker Harvey Dent (Aaron Eckhart, "Thank You For Smoking") in seinem legalen Kampf gegen Mafia & Co.

Doch ein neuer, ganz und gar finsterer Bösewicht ist inzwischen aufgetaucht und macht gemeinsame Sache mit dem Mob: Joker (Heath Ledger), ein offensichtlich total enthemmter, keinerlei Skrupel kennender Psychopath, mit der ganz großen Lust an Chaos, Gewalt, Zerstörung, Unfrieden. Der keinerlei Moral mehr kennt und nur noch satanisch gegen Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit antritt. Denn, so die trübe Botschaft, die Demokratie ist erschöpft. Hängt zeitweise "ganz schön in den Seilen". So kann der starke Einzelne - egal, auf welcher Seite - "wirken". Selbstjustiz lautet das Motto.

Selten war Hollywood-Mainstream dermaßen dunkel und pessimistisch. Und zugleich dicht, packend, atmosphärisch-klasse, beunruhigend aufregend. "The Dark Knight", so die neuesten Zahlen, hat die Zuschauermassen in den USA elektrisiert wie lange schon kein Film mehr. Einnahmen von inzwischen rund 475 Millionen Dollar sprechen Bände und Rekorde. Und lassen grimmig-aktuelle Deutungen zu: Amerika ist ebenso deprimiert von Kriegen, Wirtschaftszahlen, Täuschungen durch die Obrigkeit.

Gotham City, die Alptraumstadt, sieht nicht mehr wie irgendeine Fiktions-Metropole aus, sondern wie eine typische moderne westliche Großstadt. In der man sich - thematisch - quasi "heimisch" fühlt. Permanente Terrordrohungen, lähmende Sicherheitsparanoia, Lauschangriff, Telefonkontrolle, Überwachungsstaat, Folter im Gefängnis, Lynchjustiz, organisierte Kriminalität als quasi "unbesiegbare Menschen-Natur": Ein emotional wie (gesellschafts-)politisch ungemein aktueller, packender, dichter Plot, in dem sich Action mit Tiefgang paart, in dem Spannung auf Philosophie trifft, in dem Technik und Fantasy zu schwindelerregenden Gedanken-Flügen losdüsen.

Kunst, Business, Poesie und Entertainment bilden eine klasse Einheit: "The Dark Knight" ist handwerklich, inhaltlich und darstellerisch grandios. Große Unterhaltung, die den Kopf bewundernswert "mitnimmt". Vergessen sind Strumpfhosen, Pappmaché, Blödsinn, Gag-Neckereien in Verbindung mit dem Leinwand-Jux "Batman". Stattdessen dominieren tragische Helden mit Realismusgeschmack zwischen Oper, Western und Technik-Show.

Ein (zu-)packender filmischer Gigant, in dem, auch das klug-verrückt, Christian Bale als Batman eben nicht die "erste Geige" spielt, sondern der sich selbst übertreffende, wahnwitzige Punk-Clown Heath Ledger, der bekanntlich kurz nach den Dreharbeiten, am 22. Januar 2008, in New York im Alter von 28 Jahren verstarb. Nach bemerkenswerten Auftritten zuletzt in dem Bob-Dylan-Zyklus "I'm Not There" und vor allem in "Brokeback Mountain" von 2005 ("Oscar"-Nominierung) mimt der in Australien geborene Schauspieler hier dermaßen diabolisch-drückend-brillant, dass man den Atem anhält vor soviel faszinierendem Bösen: Sein Kopf zuckt ständig, die Zunge schnellt über die zum Grinsen vernarbten Mundwinkel; ein sadistischer Spaßvogel, der buchstäblich unter die Haut kriecht. Faszinierend wie körpersprachlich fesselnd, dieser Auftritt: Die ganz große Bühne des nunmehr unvergessenen Heath Ledger.

Michael Caine, Maggie Gyllenhaal, Gary Oldman, Morgan Freeman und Eric Roberts sind die weiteren Stars in diesem ausnahmslos hervorragenden Ensemble. Während Hans Zimmer und James Newton Howard für die gewaltige musikalische Stimmungsreise sorgen. Ein sensationeller Hollywood-Blockbuster-Film. Er schafft über rund 140 Minuten begeisternd den dramatischen Spagat zwischen Action- und Kopf-Kunst.


"Räuber Kneißl"
Deutschland 2008. Regie: Marcus H. Rosenmüller. Darsteller: Maximilian Brückner, Brigitte Hobmeier, Maria Furtwängler, Michael Fitz, Florian Brückner, Thomas Schmauser, Andreas Giebel, Stefanie von Posselt. Länge: 114 Minuten

Marcus H. Rosenmüller hat sich bei uns zu einem inzwischen "tauglichen", sprich sehr unterhaltsamen Heimatfilmer entwickelt. Der 1973 in Tegernsee geborene Drehbuchautor und Regisseur, der seinen Mittelnamen nach seinem Heimatort Hausham trägt (in dessen Ortsteil Agatharied er lebte) und der bis in diesem Jahr für die SPD dort im örtlichen Gemeinderat saß, hat sich mit solchen Genre-Filmen wie "Wer früher stirbt, ist länger tot" (2005, über 1,2 Millionen Kinobesucher bundesweit), "Schwere Jungs" sowie den ersten beiden Trilogie-Filmen "Beste Zeit" und "Beste Gegend" einen hervorragenden Namen gemacht.

38 Jahre nach Reinhard Hauffs Film "Matthias Kneißl" (mit Hans Brenner) und 28 Jahre nach Oliver Herbrichs Film "Das stolze und traurige Leben des Matthias Kneißl" (mit Stephan Becker) setzt nun Marcus H. Rosenmüller dem bajuwarischen Rebellen und Volkshelden, der 1902 mit nur 26 Jahren in Augsburg mit dem Fallbeil hingerichtet wurde, ein Denkmal.

In einer Mischung aus Chronik, tragischer Ballade und fein-deftigem Bauerntheater werden atmosphärische Lebens-Eckpunkte gesetzt: Arme Elternsleut (Maria Furtwängler und Michael Fitz), die es mit Gesetz und Obrigkeit nicht so genau nehmen. Man hält sich mit Gaunereien über Wasser. Die Obrigkeit schlägt zurück, buchstäblich, der Vater stirbt, die Mutter wird wegen Hehlerei eingesperrt, der Junge muss nach einer Schießerei ins Zuchthaus. Aus dem bürgerlichen Leben danach wird nichts, der hasserfüllte Dorfgendarm Förtsch (großartig: Thomas Schmauser) gibt keine Ruhe, die bornierten Bauern machen es dem "Zuchthäusler" schwer, ein geregeltes Leben zu führen. Also stürzt er zwangsläufig ab, und "Die Gerechtigkeit" nimmt ihren Lauf.

Rosenmüller setzt auf viel Lokalkolorit, man muss sich so manches Mal ganz schön zusammenreißen, um alles richtig zu verstehen, während man aus den dampfenden Bauernstuben den Schweiß förmlich riecht. Dazu: Der typisch gelassene schwarze Rosenmüller-Dorf-Bayern-Humor, provinzielle Enge, borniertes Obrigkeitsgetue, ein nicht aufzuhaltender rebellischer Freidenker-Geist und natürlich - die große Liebe. Der Teufelskreis aus Armut und Kriminalität wird geatmet, während Shooting-Star Maximilian Brückner - seit Oktober 2006 neuer "Tatort"-Kommissar des Saarländischen Rundfunk - in der Titelrolle "passt": Kantig, störrisch, aufbrummend, aber herzensgut in dem Bemühen, sich (s)einen Lebens-Freiraum zu suchen.

Brückner, neulich erst in "Kirschblüten" von Doris Dörrie sowie in dem grauslichen Max-Ophüls-Siegerfilm "Selbstgespräche", offenbart sich nicht als lässiger "Robin Hood", sondern als gemeines Opfer seiner Lebensumstände. Eine spannend dichte Melo-Moritat von Heimatfilm, mit Zügen eines bayerischen Outlaw-Westerns. Und mit einem Kneißl-Zitat als Motto: "Ich kann kein Unrecht leiden. Ich kann mich nicht beugen, lieber geh' ich selber zugrunde". Der unbeugsame Bayer interessiert gut.


"Nicht dran denken"
Italien 2007. Regie: Gianni Zanasi. Buch: Michele Pellegrini, Gianni Zanasi. Mit: Valerio Mastandrea, Anita Caprioli, Giuseppe Battiston, Caterina Murino, Teco Celio, Gisella Burinato. 104 Minuten

"Nicht dran denken " von Gianni Zanasi wurde im Vorjahr von der italienischen Filmkritik als "Bester Film" benannt. Lief beim vorjährigen Venedig-Festival und: Man muss sich hier "reinlesen" bzw. reinfinden. Eine Familien-Komödie, die sich erst gemächlich und dann mehr und mehr fein entwickelt.

Stefano, Mitte 30, träumt als Punk-Rocker von der eigenen CD, aber dann platzt der Traum, und von Rom geht es wieder zurück nach Rimini, wo er lange nicht mehr war. Die ersten Lebensrisse überdenken, vielleicht kitten. Eine Auszeit in der Familie, bei den Eltern und Geschwistern, wo er lange nicht mehr war. Man empfängt ihn mit offenen Armen, aber dann ist alles anders: Nach einem Herzinfarkt findet er den Papa nur noch auf dem Golfplatz; die Mutter besucht esoterische Kurse; die Schwester hat das Studium aufgegeben und jobbt viel lieber im Delphinarium, und Bruderherz Alberto hat gerade die familiäre Firma ruiniert und übt auch noch den ehelichen Seitensprung.

Dabei ist Stefano kein geborener Retter, sondern mehr ein Suchender nach Sinn und Geborgenheit. Auch wenn er das "äußerlich" nicht zeigen kann. Und dann hat die Mama auch noch eine Überraschung, was speziell seine Herkunft betrifft...

Ein Nach-und-Nach-Gute-Laune-Film, der das Menschlich-Allzumenschliche schelmenhaft-vergnüglich-absurd vorführt und dabei auf prima Typen setzt, die einen interessieren, die einen berühren, an denen man sich, mit ihrem lakonischen Humor und Wortwitz, fein reiben kann. Atmosphärische Figuren-Authentizität. Ein stimmungsvoller Pointen-Reigen um Polka, Oper, Schlager und Chopin, eine Hymne auf "la famiglia"; ensemble-darstellerisch ebenso überzeugend wie emotional packend.

Der 42-jährige Zanasi hat als Co-Autor und Regisseur eine herrlich quicklebendige italienische Familienkomödie geschaffen.
Mathias Kneißl (Maximilian Brückner) mit seiner Drilling-Büchse
Mathias Kneißl (Maximilian Brückner) mit seiner Drilling-Büchse© movienetfilm
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