Durch den Wind sein ...
Diesmal geht es um die Redensarten: Durch den Wind sein, Jemanden nicht das Wasser reichen können, Mit dem ist nicht gut Kirschen essen u.a.
Durch den Wind sein
Erschöpfungsausdrücke gibt es viele, doch dieser ist besonders beliebt, obwohl er sich nicht einfach von selbst erklärt. Man stellt sich vielleicht vor, dass man sich durch Stürme gekämpft hat, und ist damit auf dem richtigen Weg.
Segelschiffe müssen beim Kreuzen "durch den Wind gehen", das heißt eine Wende machen, so dass der Wind die Segel nicht mehr bläht, sondern von vorn bläst, bis man das Schiff wieder in den Wind gedreht hat, der die Segel nun von der anderen Seite bläht. Schon bei Jollen ist das nicht immer einfach, viel schwerer noch bei großen Windjammern, denn das Schlagen der Segel kann sie zerstören, der mangelnde Winddruck macht das Schiff schwerer manövrierbar. Es war ein durchaus anstrengendes, manchmal gefährliches Manöver. War man "durch den Wind", hatte man es geschafft, war aber auch geschafft.
Jemanden nicht das Wasser reichen können
Hat da jemand Durst? Nein, es geht um höfische Tischzucht. Üblicherweise reichten Knappen den hohen Herren vor und nach dem Mahle Wasser in Schüsseln, um die Hände zu reinigen. Man goss es darüber oder tauchte sie hinein. Die Reinigung nach Tisch war nötig, da das Essen mit den Händen ganz üblich im Mittelalter war. Diese Knappentätigkeit war an sich ehrenvoll wie andere Aufwartedienste auch, wurde jedoch später als untergeordnete Tätigkeit verstanden. Wenn jemand nicht einmal dafür taugte, war er von einem anderen, dem er "nicht das Wasser reichen konnte", im Rang unendlich unterlegen.
Mit dem ist nicht gut Kirschen essen
Die Kirsche führte der Feldherr und Feinschmecker Lukullus in Italien ein. Von dort verbreitete sich das Edelobst langsam nach Norden und war im Mittelalter und der frühen Neuzeit wenig verbreitet, am ehesten noch in den Pflanzungen der Klöster und Schlösser. Kirschen waren dementsprechend selten und teuer, man bekam sie aber beispielsweise bei einem Mahle mit einem hohen Herrn. Allerdings galten solche Kontakte für Bürger als durchaus risikoreich und wenig vorhersehbar. Man traute den Adligen rasche Stimmungswechsel, Undankbarkeit, Überheblichkeit und Frechheit zu, was sich in dem Sprichwort niederschlug: "Mit hohen Herren ist nicht gut Kirschen essen, denn sie spucken / werfen einem die Steine / Stiele ins Gesicht." Zur Frechheit kommt also noch die Gefahr der ungerechten Teilung, bei der die Adligen den Löwenanteil, die Normalsterblichen aber den unnützen Rest bekommen.
Jemand sitzt da wie der Aff auf dem Schleifstein
Meist beschreibt man damit die kuriose Haltung eines Fahrradfahrers, doch die Erklärung führt ins 18., 19. Jahrhundert zurück. Da zogen Scherenschleifer mit einem transportablen Schleifstein durch die Orte, um ihre Dienste anzubieten. Noch in meiner Kindheit sah man sie, und heute gibt es sie vereinzelt wieder.
Es handelte sich, wie bei den meisten Fahrenden, um Leute, die von den Sesshaften misstrauisch fasziniert betrachtet wurden. Um die Kunden anzulocken, hatten manche Äffchen dabei, die erst die Kinder, dann die Erwachsenen näher kommen ließen. Das Äffchen hatte auf dem Schleifstein zu tanzen, Faxen zu machen, wobei es eine komische Figur abgab.
Das verglich man später mit Radlern, wobei man an die alten Hochräder denken muss, die direkt über dem riesigen Vorderrad saßen, an dem die Pedale direkt angebracht waren. Nur Virtuosen hielten sich auf diesen Gefährten elegant. Beim Auf- und Absteigen gab es aber auch bei Ihnen zuweilen komische Situationen, die man mit den Äffchen der Scherenschleifer verknüpfte.
Das ist eine polnische Wirtschaft
Schon 1785 berichtet der große Aufklärer Georg Forster, dass der "emphatische Ausdruck" in den östlichen Gebieten Deutschlands sehr gebräuchlich sei. "Polnische Wirtschaft" bezeichnet einerseits Durcheinander, Unorganisiertheit, Ineffizienz, Verlotterung, andererseits Unterlegenheit den deutschen Wirtschafts- und Ordnungsvorlieben gegenüber.
Entstehen konnte die Redensart in einer Zeit, da in Polen durch die Zerstörung des Staates in den polnischen Teilungen es zu schrecklicher Verarmung der Bevölkerung kommen konnte, eine Phase also, in der auch Investitionen, Erhaltungsarbeiten etc. kaum möglich waren, weil man die Haut retten musste. In den reicheren Teilen Preußens, in denen man dabei war, die Wirtschaft – ein schillernder Begriff, der von Hauswirtschaft bis Ökonomie gehen konnte, – anzukurbeln, sahen die Bauern und Bürger herab auf das polnische Elend, beurteilten es als Charaktereigenschaft des Volkes, nicht als Unglück, das über ein Land hineingebrochen war. Außerdem sah man, gerade im protestantischen Norden Deutschlands mit seiner strengen Orientierung des Bürgers an der Leistungsethik mit Fleiß, Ordnung, Sparsamkeit etc., im katholischen Polen ein Land, das keine Bürger hatte, sondern nur Adel, einfache Bauern und Juden.
Da, wie ein Sprichwort sagt, jedes Land seinen Osten hat, hielt sich das Vorurteil nicht nur, sondern wurde immer wieder erneuert und angereichert, wenn es in Polen politisch oder wirtschaftlich schwierige Zeiten gab. So konnten Gedichte mit dem Titel "Polnische Wirtschaft" entstehen (von Ernst Orlepp und Friedrich Hebbel) und sogar eine Operette Jean Gilberts (1910). Dass die Nazis sich den Begriff besonders gern zueigen machten, lässt sich denken.
Polen musste in der deutschen Geschichte – als Feind oder Gegenbild – immer wieder dazu herhalten, deutsches Selbstbewusstsein zu stärken oder zu bilden, was nicht gerade für dessen Stabilität und Gegründetheit spricht. Ausführlich klärt zu dem Stereotyp auf Hubert Orlowski: http://www.kulturforum-ome.de/pdf/1000355a.pdf.
Aus einem verzagten Arsch kommt niemals ein fröhlicher Furz
Kaum ein Mann ist mit seinem Wesen und seinen Sprüchen so präsent im deutschen Bürgertum gewesen wie Martin Luther. Seine Sprachgewalt war sprichwörtlich und viele Sprichwörter verdanken ihre Popularität dem Umstand, dass Luther sie in seinen Schriften verwendete; vor allem in der Bibel-Übersetzung, bei der er dem Volk aufs Maul schaute.
Seine ungewöhnlich direkte Sprechweise, seine Lebenszugewandtheit erstaunte die verkniffenen Nachgeborenen, zumal er ja geistlicher Herr und Theologe war. Kein Wunder, dass Lutherzitate höchst beliebt wurden, selbst wenn ihre Überlieferung eher fraglich war. Schon zu Lebzeiten schrieben Freunde und Tischgenossen Luthers Sprüche auf, die er beim Essen äußerte. Bereits die sind mit Vorsicht zu genießen, da sie ja nicht von ihm direkt überliefert sind.
Im Laufe der Zeit kamen immer mehr dazu, die sich gut anhörten, zu Luther passten, aber nirgendwo in seinen Schriften stehen oder überprüfbar von ihm geäußert wurden. Dazu gehört "Hier steh ich nun, ich kann nicht anders." Dazu gehört: "Wenn morgen die Welt unterginge, pflanzte ich ein Apfelbäumchen." Dazu gehört leider auch der schöne Spruch: "Aus einem verzagten Arsch kommt kein / nie ein fröhlicher Furz." Und schließlich das äußerst populäre: "Warum rülpset und furzet ihr nicht? Hat es euch nicht geschmacket?"
Allerdings können sie sich auf eine Nähe zu Luthers Ton berufen, der mit den Worten "Arsch" oder "scheißen" – wie übrigens auch seine Zeitgenossen – keine Berührungsängste verknüpfte. So schrieb er an einen Nürnberger Ratsherren von sich und seinen Mitbürgern im provinziellen Wittenberg als "nos vermes in hoc culo mundi", also "wir Würmer im Arsch der Welt." Ach ja, auch das schrieb er wirklich: "Wenn ich hier einen Furz lasse, dann riecht man das in Rom."
Stein und Bein schwören
Wenn wir hören, in einer Gruft lägen die Gebeine eines Heiligen, dann wird klar, dass es bei dem "Bein" im Ausdruck nicht um das Gehwerkzeug, sondern um den Knochen geht, der im Deutschen eben "Bein" heißt. So gibt es auch das Falzbein, mit dem man Papierfalten schärfer macht. Man hat überlegt, dass es sich um alte Eidgebräuche handeln könnte, doch alles spricht dafür, dass es lediglich eine Verstärkungsformel ist. Ein Eid soll so fest und haltbar sein wie Stein und Knochen, die ja beide sehr lange überdauern. Die Wendung gehört zu den vielen Reimformeln, paarigen Ausdrücken, die oft rechtliche Verbindlichkeit hatten oder aus dem rechtlichen Zusammenhang standen wie "Haus und Hof", "Kind und Kegel" und eben "Stein und Bein".
Knast haben
Der Ausdruck ist eher im Osten Deutschlands gebräuchlich und bedeutet "Hunger haben". Das Wort "Knast" in Zusammenhang mit Hunger könnte man auf den ähnlichen und tatsächlich damit zusammenhängenden Ausdruck "Knust" zurückführen, also das Endstück eines Brotlaibs, doch geht es auf den lautmalerischen Ausdruck "knastern" zurück, der einerseits das Verbrennungsgeräusch bestimmter harzreicher Holzarten bezeichnet, andererseits und damit wohl verbunden das Knabbern an Nüssen oder anderen hartschaligen Esswaren. Die Verbindung zum Essen lag also nahe, doch muss man noch bedenken, dass ein "Knast" ein knorriges Holzstück und davon abgeleitet ein grober Kerl sein konnte. Dessen brummige, abweisende Laute nannte man ebenfalls "kanstern". Wenn jemals also "Knast" hatte, war er ursprünglich brummig, ungehalten. Das ist einerseits aber natürlicherweise der Fall, wenn man Hunger hat, andererseits führt der Hunger dazu, dass der Magen knurrt, was wiederum auf die Geräuschanteile der Knast-Wortfamilie hindeutet. Mit dem Knast, also dem Gefängnis, wo man ja auch knapp gehalten wurde und also Hunger haben konnte, hat das nichts zu tun, den der kommt vom jiddischen "knas", was "Geldstrafe" bedeutet.
Ach du grüne Neune!
Der Ausruf der Überraschung ertönt meist in wenig angenehmer Situation, kann aber ironisch gefärbt auch bei positiv Unerwartetem geäußert werden. Über den Ursprung herrscht Uneinigkeit. Die grüne Neun als Spielkarte des Deutschen Blatts hat offenbar nichts damit zu tun, da sie auch keinen Wert hat.
Die Neun gehört aber zu den magischen und symbolischen Zahlen, ähnlich wie die Drei oder die Sieben. Man denke an die neun Kegel, die Chanukkia, den neunarmigen Kerzenleuchter der Juden, oder an das Neunerleikraut zu Mariä Himmelfahrt. Grün ist in ebenfalls in allerlei Redensarten belegt, so "ich bin dir grün" oder "Komm an meine grüne Seite". Es könnte hier als Verstärkung dienen. Beides zusammen wäre vielleicht als Ersatz für die Anrufung des Gottesnamen, den man nicht unnütz gebrauchen solle, zu interpretieren. Man sagt ja auch entsprechend "Ach du liebes bisschen!" oder "Ach du meine Güte!"
Nicht auszuschließen ist, dass es sich um einen Berolinismus handelt und sich im Zusammenhang mit dem beliebten Lokal "Conventgarten" gebildet hat. Das lag in der Berliner Blumenstraße 9, wohingegen der eigentliche Eingang sich am Grünweg befand. Der umständliche, fremdsprachige Name hätte sich dann in volkstümlicher und humorvoller Weise auf "die grüne Neune" verkürzt. Da es in dem Lokal munter und recht häufig handfest zuging, hätte sich der Ausdruck des Erstaunens und der negativen Überraschung entwickelt.
Der Teufel ist ein Eichhörnchen
Dieses Sprichwort kann verschiedene Bedeutung haben. Grundsätzlich geht es darauf zurück, dass man die Flinkheit und Emsigkeit des Eichhörnchens mit der des Teufels verglich. Man sagt ja auch: "Der ist hinter der Sache her wie der Teufel hinter der armen Seele." Versuchungen und Gefahren lauern also überall. Das Eichhörnchen ist in beiden Ausprägungen – rot oder schwarz – auch noch teuflischer Farbe. Schließlich gibt es im Volksglauben die Überzeugung, der Teufel verwandle sich dann und wann in ein Eichhörnchen. Eigentlich warnt also das Sprichwort vor unliebsamen Überraschungen.
Später spottete man über einen abergläubischen Menschen: "Der denkt, der Teufel ist ein Eichhörnchen." Man kann sogar die Bedeutung "jemandem etwas weismachen" finden: "Der will mir erzählen, der Teufel sei ein Eichhörnchen." Heute gibt es auch die positive Bedeutung, so dass man eine schöne Überraschung mit dem Ausspruch "Der Teufel ist ein Eichhörnchen" zufrieden kommentiert.
Da brat mir einer nen Storch
Überraschungssprüche gibt es wie Sand am Meer, man denke nur an den Hund in der Pfanne, die Pferde vor der Apotheke oder eben den gebratenen Storch. Was ist an dem so ungewöhnlich, frisst die Menschheit sonst doch so allerlei, was kreucht und erst recht, was fleucht. Der Storch gilt aber seit Alters als sehr besonderer Vogel, meist als einer, der Gutes ankündigt oder Erwünschtes bringt. Dem Alten Testament aber glich er der Fledermaus darin, dass er zu den Tieren gezählt wurde, die in den Speisevorschriften als nicht koscher, also unrein klassifiziert wurden. Das wusste die Christenheit natürlich auch, die ihn – siehe oben – aber als Glücksboten sowieso nicht verzehrt und also nicht gebraten hätte. Wenn jemand dennoch den Scheinwunsch äußert, dann geht es um die Bezeichnung von etwas Unerhörtem, womit sie sich vorzüglich eignet, Überraschung auszudrücken.
Erschöpfungsausdrücke gibt es viele, doch dieser ist besonders beliebt, obwohl er sich nicht einfach von selbst erklärt. Man stellt sich vielleicht vor, dass man sich durch Stürme gekämpft hat, und ist damit auf dem richtigen Weg.
Segelschiffe müssen beim Kreuzen "durch den Wind gehen", das heißt eine Wende machen, so dass der Wind die Segel nicht mehr bläht, sondern von vorn bläst, bis man das Schiff wieder in den Wind gedreht hat, der die Segel nun von der anderen Seite bläht. Schon bei Jollen ist das nicht immer einfach, viel schwerer noch bei großen Windjammern, denn das Schlagen der Segel kann sie zerstören, der mangelnde Winddruck macht das Schiff schwerer manövrierbar. Es war ein durchaus anstrengendes, manchmal gefährliches Manöver. War man "durch den Wind", hatte man es geschafft, war aber auch geschafft.
Jemanden nicht das Wasser reichen können
Hat da jemand Durst? Nein, es geht um höfische Tischzucht. Üblicherweise reichten Knappen den hohen Herren vor und nach dem Mahle Wasser in Schüsseln, um die Hände zu reinigen. Man goss es darüber oder tauchte sie hinein. Die Reinigung nach Tisch war nötig, da das Essen mit den Händen ganz üblich im Mittelalter war. Diese Knappentätigkeit war an sich ehrenvoll wie andere Aufwartedienste auch, wurde jedoch später als untergeordnete Tätigkeit verstanden. Wenn jemand nicht einmal dafür taugte, war er von einem anderen, dem er "nicht das Wasser reichen konnte", im Rang unendlich unterlegen.
Mit dem ist nicht gut Kirschen essen
Die Kirsche führte der Feldherr und Feinschmecker Lukullus in Italien ein. Von dort verbreitete sich das Edelobst langsam nach Norden und war im Mittelalter und der frühen Neuzeit wenig verbreitet, am ehesten noch in den Pflanzungen der Klöster und Schlösser. Kirschen waren dementsprechend selten und teuer, man bekam sie aber beispielsweise bei einem Mahle mit einem hohen Herrn. Allerdings galten solche Kontakte für Bürger als durchaus risikoreich und wenig vorhersehbar. Man traute den Adligen rasche Stimmungswechsel, Undankbarkeit, Überheblichkeit und Frechheit zu, was sich in dem Sprichwort niederschlug: "Mit hohen Herren ist nicht gut Kirschen essen, denn sie spucken / werfen einem die Steine / Stiele ins Gesicht." Zur Frechheit kommt also noch die Gefahr der ungerechten Teilung, bei der die Adligen den Löwenanteil, die Normalsterblichen aber den unnützen Rest bekommen.
Jemand sitzt da wie der Aff auf dem Schleifstein
Meist beschreibt man damit die kuriose Haltung eines Fahrradfahrers, doch die Erklärung führt ins 18., 19. Jahrhundert zurück. Da zogen Scherenschleifer mit einem transportablen Schleifstein durch die Orte, um ihre Dienste anzubieten. Noch in meiner Kindheit sah man sie, und heute gibt es sie vereinzelt wieder.
Es handelte sich, wie bei den meisten Fahrenden, um Leute, die von den Sesshaften misstrauisch fasziniert betrachtet wurden. Um die Kunden anzulocken, hatten manche Äffchen dabei, die erst die Kinder, dann die Erwachsenen näher kommen ließen. Das Äffchen hatte auf dem Schleifstein zu tanzen, Faxen zu machen, wobei es eine komische Figur abgab.
Das verglich man später mit Radlern, wobei man an die alten Hochräder denken muss, die direkt über dem riesigen Vorderrad saßen, an dem die Pedale direkt angebracht waren. Nur Virtuosen hielten sich auf diesen Gefährten elegant. Beim Auf- und Absteigen gab es aber auch bei Ihnen zuweilen komische Situationen, die man mit den Äffchen der Scherenschleifer verknüpfte.
Das ist eine polnische Wirtschaft
Schon 1785 berichtet der große Aufklärer Georg Forster, dass der "emphatische Ausdruck" in den östlichen Gebieten Deutschlands sehr gebräuchlich sei. "Polnische Wirtschaft" bezeichnet einerseits Durcheinander, Unorganisiertheit, Ineffizienz, Verlotterung, andererseits Unterlegenheit den deutschen Wirtschafts- und Ordnungsvorlieben gegenüber.
Entstehen konnte die Redensart in einer Zeit, da in Polen durch die Zerstörung des Staates in den polnischen Teilungen es zu schrecklicher Verarmung der Bevölkerung kommen konnte, eine Phase also, in der auch Investitionen, Erhaltungsarbeiten etc. kaum möglich waren, weil man die Haut retten musste. In den reicheren Teilen Preußens, in denen man dabei war, die Wirtschaft – ein schillernder Begriff, der von Hauswirtschaft bis Ökonomie gehen konnte, – anzukurbeln, sahen die Bauern und Bürger herab auf das polnische Elend, beurteilten es als Charaktereigenschaft des Volkes, nicht als Unglück, das über ein Land hineingebrochen war. Außerdem sah man, gerade im protestantischen Norden Deutschlands mit seiner strengen Orientierung des Bürgers an der Leistungsethik mit Fleiß, Ordnung, Sparsamkeit etc., im katholischen Polen ein Land, das keine Bürger hatte, sondern nur Adel, einfache Bauern und Juden.
Da, wie ein Sprichwort sagt, jedes Land seinen Osten hat, hielt sich das Vorurteil nicht nur, sondern wurde immer wieder erneuert und angereichert, wenn es in Polen politisch oder wirtschaftlich schwierige Zeiten gab. So konnten Gedichte mit dem Titel "Polnische Wirtschaft" entstehen (von Ernst Orlepp und Friedrich Hebbel) und sogar eine Operette Jean Gilberts (1910). Dass die Nazis sich den Begriff besonders gern zueigen machten, lässt sich denken.
Polen musste in der deutschen Geschichte – als Feind oder Gegenbild – immer wieder dazu herhalten, deutsches Selbstbewusstsein zu stärken oder zu bilden, was nicht gerade für dessen Stabilität und Gegründetheit spricht. Ausführlich klärt zu dem Stereotyp auf Hubert Orlowski: http://www.kulturforum-ome.de/pdf/1000355a.pdf.
Aus einem verzagten Arsch kommt niemals ein fröhlicher Furz
Kaum ein Mann ist mit seinem Wesen und seinen Sprüchen so präsent im deutschen Bürgertum gewesen wie Martin Luther. Seine Sprachgewalt war sprichwörtlich und viele Sprichwörter verdanken ihre Popularität dem Umstand, dass Luther sie in seinen Schriften verwendete; vor allem in der Bibel-Übersetzung, bei der er dem Volk aufs Maul schaute.
Seine ungewöhnlich direkte Sprechweise, seine Lebenszugewandtheit erstaunte die verkniffenen Nachgeborenen, zumal er ja geistlicher Herr und Theologe war. Kein Wunder, dass Lutherzitate höchst beliebt wurden, selbst wenn ihre Überlieferung eher fraglich war. Schon zu Lebzeiten schrieben Freunde und Tischgenossen Luthers Sprüche auf, die er beim Essen äußerte. Bereits die sind mit Vorsicht zu genießen, da sie ja nicht von ihm direkt überliefert sind.
Im Laufe der Zeit kamen immer mehr dazu, die sich gut anhörten, zu Luther passten, aber nirgendwo in seinen Schriften stehen oder überprüfbar von ihm geäußert wurden. Dazu gehört "Hier steh ich nun, ich kann nicht anders." Dazu gehört: "Wenn morgen die Welt unterginge, pflanzte ich ein Apfelbäumchen." Dazu gehört leider auch der schöne Spruch: "Aus einem verzagten Arsch kommt kein / nie ein fröhlicher Furz." Und schließlich das äußerst populäre: "Warum rülpset und furzet ihr nicht? Hat es euch nicht geschmacket?"
Allerdings können sie sich auf eine Nähe zu Luthers Ton berufen, der mit den Worten "Arsch" oder "scheißen" – wie übrigens auch seine Zeitgenossen – keine Berührungsängste verknüpfte. So schrieb er an einen Nürnberger Ratsherren von sich und seinen Mitbürgern im provinziellen Wittenberg als "nos vermes in hoc culo mundi", also "wir Würmer im Arsch der Welt." Ach ja, auch das schrieb er wirklich: "Wenn ich hier einen Furz lasse, dann riecht man das in Rom."
Stein und Bein schwören
Wenn wir hören, in einer Gruft lägen die Gebeine eines Heiligen, dann wird klar, dass es bei dem "Bein" im Ausdruck nicht um das Gehwerkzeug, sondern um den Knochen geht, der im Deutschen eben "Bein" heißt. So gibt es auch das Falzbein, mit dem man Papierfalten schärfer macht. Man hat überlegt, dass es sich um alte Eidgebräuche handeln könnte, doch alles spricht dafür, dass es lediglich eine Verstärkungsformel ist. Ein Eid soll so fest und haltbar sein wie Stein und Knochen, die ja beide sehr lange überdauern. Die Wendung gehört zu den vielen Reimformeln, paarigen Ausdrücken, die oft rechtliche Verbindlichkeit hatten oder aus dem rechtlichen Zusammenhang standen wie "Haus und Hof", "Kind und Kegel" und eben "Stein und Bein".
Knast haben
Der Ausdruck ist eher im Osten Deutschlands gebräuchlich und bedeutet "Hunger haben". Das Wort "Knast" in Zusammenhang mit Hunger könnte man auf den ähnlichen und tatsächlich damit zusammenhängenden Ausdruck "Knust" zurückführen, also das Endstück eines Brotlaibs, doch geht es auf den lautmalerischen Ausdruck "knastern" zurück, der einerseits das Verbrennungsgeräusch bestimmter harzreicher Holzarten bezeichnet, andererseits und damit wohl verbunden das Knabbern an Nüssen oder anderen hartschaligen Esswaren. Die Verbindung zum Essen lag also nahe, doch muss man noch bedenken, dass ein "Knast" ein knorriges Holzstück und davon abgeleitet ein grober Kerl sein konnte. Dessen brummige, abweisende Laute nannte man ebenfalls "kanstern". Wenn jemals also "Knast" hatte, war er ursprünglich brummig, ungehalten. Das ist einerseits aber natürlicherweise der Fall, wenn man Hunger hat, andererseits führt der Hunger dazu, dass der Magen knurrt, was wiederum auf die Geräuschanteile der Knast-Wortfamilie hindeutet. Mit dem Knast, also dem Gefängnis, wo man ja auch knapp gehalten wurde und also Hunger haben konnte, hat das nichts zu tun, den der kommt vom jiddischen "knas", was "Geldstrafe" bedeutet.
Ach du grüne Neune!
Der Ausruf der Überraschung ertönt meist in wenig angenehmer Situation, kann aber ironisch gefärbt auch bei positiv Unerwartetem geäußert werden. Über den Ursprung herrscht Uneinigkeit. Die grüne Neun als Spielkarte des Deutschen Blatts hat offenbar nichts damit zu tun, da sie auch keinen Wert hat.
Die Neun gehört aber zu den magischen und symbolischen Zahlen, ähnlich wie die Drei oder die Sieben. Man denke an die neun Kegel, die Chanukkia, den neunarmigen Kerzenleuchter der Juden, oder an das Neunerleikraut zu Mariä Himmelfahrt. Grün ist in ebenfalls in allerlei Redensarten belegt, so "ich bin dir grün" oder "Komm an meine grüne Seite". Es könnte hier als Verstärkung dienen. Beides zusammen wäre vielleicht als Ersatz für die Anrufung des Gottesnamen, den man nicht unnütz gebrauchen solle, zu interpretieren. Man sagt ja auch entsprechend "Ach du liebes bisschen!" oder "Ach du meine Güte!"
Nicht auszuschließen ist, dass es sich um einen Berolinismus handelt und sich im Zusammenhang mit dem beliebten Lokal "Conventgarten" gebildet hat. Das lag in der Berliner Blumenstraße 9, wohingegen der eigentliche Eingang sich am Grünweg befand. Der umständliche, fremdsprachige Name hätte sich dann in volkstümlicher und humorvoller Weise auf "die grüne Neune" verkürzt. Da es in dem Lokal munter und recht häufig handfest zuging, hätte sich der Ausdruck des Erstaunens und der negativen Überraschung entwickelt.
Der Teufel ist ein Eichhörnchen
Dieses Sprichwort kann verschiedene Bedeutung haben. Grundsätzlich geht es darauf zurück, dass man die Flinkheit und Emsigkeit des Eichhörnchens mit der des Teufels verglich. Man sagt ja auch: "Der ist hinter der Sache her wie der Teufel hinter der armen Seele." Versuchungen und Gefahren lauern also überall. Das Eichhörnchen ist in beiden Ausprägungen – rot oder schwarz – auch noch teuflischer Farbe. Schließlich gibt es im Volksglauben die Überzeugung, der Teufel verwandle sich dann und wann in ein Eichhörnchen. Eigentlich warnt also das Sprichwort vor unliebsamen Überraschungen.
Später spottete man über einen abergläubischen Menschen: "Der denkt, der Teufel ist ein Eichhörnchen." Man kann sogar die Bedeutung "jemandem etwas weismachen" finden: "Der will mir erzählen, der Teufel sei ein Eichhörnchen." Heute gibt es auch die positive Bedeutung, so dass man eine schöne Überraschung mit dem Ausspruch "Der Teufel ist ein Eichhörnchen" zufrieden kommentiert.
Da brat mir einer nen Storch
Überraschungssprüche gibt es wie Sand am Meer, man denke nur an den Hund in der Pfanne, die Pferde vor der Apotheke oder eben den gebratenen Storch. Was ist an dem so ungewöhnlich, frisst die Menschheit sonst doch so allerlei, was kreucht und erst recht, was fleucht. Der Storch gilt aber seit Alters als sehr besonderer Vogel, meist als einer, der Gutes ankündigt oder Erwünschtes bringt. Dem Alten Testament aber glich er der Fledermaus darin, dass er zu den Tieren gezählt wurde, die in den Speisevorschriften als nicht koscher, also unrein klassifiziert wurden. Das wusste die Christenheit natürlich auch, die ihn – siehe oben – aber als Glücksboten sowieso nicht verzehrt und also nicht gebraten hätte. Wenn jemand dennoch den Scheinwunsch äußert, dann geht es um die Bezeichnung von etwas Unerhörtem, womit sie sich vorzüglich eignet, Überraschung auszudrücken.