Durch die Wüste verbunden

Die Sahara war seit jeher nicht etwa eine Barriere, sondern eine Verkehrsader, die die Länder des Mittelmeers mit der Sahelzone Afrikas verband. Diese These belegt der Historiker Ralph A. Austen in seinem Buch, das die Handelsgeschichte in der weltgrößten Wüste beschreibt.
Die Sahara ist mit einer Fläche von etwa neun Millionen Quadratkilometern die größte Wüste der Erde - ein schwer zu durchdringendes Gebiet. Trotzdem zogen immer schon Karawanen kreuz und quer durch Sand und Geröll von Kairo nach Timbuktu und nach Marrakesch. Sie transportierten nicht nur Waren, sie dienten vor allem auch dem kulturellen Austausch, wie Ralph Austen, emeritierter Professor für Afrikanische Geschichte, eindrucksvoll belegt. Ihm ist mit seinem Buch über den Trans-Sahara-Handel ein unglaublich dichtes Werk gelungen, eine konzise historische, wirtschaftliche und kulturelle Darstellung der Sahara-Randgebiete und ihres Austauschs untereinander.

Die Boomzeit des Trans-Sahara-Handels umfasst etwas mehr als 1000 Jahre: vom 8. bis zum 19. Jahrhundert. Aus dem Süden wurden Gold und Sklaven nach Norden geschafft, im Tausch dafür brachten Karawanen Textilien, Keramik, Glas- und Metallwaren in den Sahel.

Karawanen waren risikoreiche Unternehmen. Sie bestanden normalerweise aus 1000 bis 5000 Kamelen und Hunderten von Menschen. Der Karawanenführer war für alles verantwortlich - für die tägliche Marschroute, die an Wasserstellen enden musste, das Beladen der Tiere und die Verhandlungen mit der lokalen Bevölkerung, die natürlich auch vom Fernhandel profitieren wollte - und sei es durch Überfälle. Leichter wurde es, als sich ab dem 15. Jahrhundert das Arabische als Verkehrssprache weitgehend im gesamten Sahararaum durchsetzte und der Islam zur bestimmenden Religion wurde.

Austen liefert einen gedrängten - mitunter etwas verwirrenden - Überblick über die regionale Geschichte und zeigt anhand vieler Beispiele, wie sich der Islam langsam und uneinheitlich im Sahararaum verbreitete. So begannen ab 1200 die Könige von Mali, Pilgerreisen nach Mekka zu unternehmen, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der Islam dort fest verankert war. Lange aber auch - wie es der muslimische Reisende Ibn Battuta aus dem 14. Jahrhundert bestätigt - neben oder in Vermischung mit den vorherrschenden spirituellen und kulturellen Vorstellungen der Zeit. Das gilt vor allem für die Grenzgebiete der Sahara: So verband sich am mittleren Niger (Djenné in Mali) der orthodoxe Sunnismus mit den okkulten Lehren der indigenen Völker.

Der Autor nennt diese Kultur "islamicate". Sie ist vom Islam definiert, aber nicht vollständig beherrscht und lässt Raum für andere Kulturen und Riten. Ihr sichtbarstes Zeichen ist die Architektur der Moscheen in Städten wie Timbuktu am Südrand der Sahara. Die Moscheen entsprechen allen Erfordernissen des orthodoxen Islam, sie sind aber architektonisch eindeutig - sowohl in den Formen als auch den verwandten Materialien wie ungebrannten Lehmziegeln - sudanesischen Ursprungs.

So kristallisiert sich langsam Austens gut fundierte These heraus: Die Sahara bildete keine Barriere zwischen den Ländern des Mittelmeerraumes und der Sahel, sondern eine Brücke - eine Verkehrsader, die Regionen verband, ihnen aber zugleich kulturelle Autonomie sicherte.

Besprochen von Günther Wessel

Ralph A. Austen: Sahara. Tausend Jahre Austausch von Ideen und Waren
Aus dem Englischen von Matthias Wolf
Wagenbach Verlag, Berlin 2012
224 Seiten, 24,90 Euro


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