"Durch diesen sauren Apfel müssen wir durch"

Von Laf Überland |
Sebastian Sick ist hierzulande wohl der bekannteste Sprachpfleger. Mittlerweile füllt er mit seinen Shows ganze Hallen. Ausgangspunkt seines Erfolgs war das Buch "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod". Mit der gleichnamigen CD-ROM kann jeder am Computer sein Sprachgefühl auf die Probe stellen.
"Es gibt eine Geschichte, die heißt Casus Verschwindibus, da geht es um verschwundene oder verschwindende Fälle."

Das sagt Bastian Sick, der mit dem Dativ, genau gesagt:

"Das trifft man zum Beispiel immer dann an, wenn vom Präsident die Rede ist oder vom Kandidat statt vom Präsidenten und dem Kandidaten, oder es gibt eine Ausstellung zur Kulturgeschichte des Café - und mir persönlich tut’s da weh."

Aber Bastian Sick legt sich ins Zeug, und zwar so richtig, seit er mit seiner Sprachkolumne "Zwiebelfisch" aus der Anonymität von Spiegel-Online rausgetreten ist. So ist dieses PC-Spiel "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" ein weiteres Nebenprodukt seiner Bücher und Showtourneen - jedoch ein eher gemächliches, bei dem man auch nicht all zu viel zu lesen hat: In einem kurzen Interviewteil gibt Sick selbst ein paar der Gründe zu Protokoll, die ihn als Sprachpfleger stets bei der Stange halten.

"Durch diesen sauren Apfel müssen wir durch". Oder "Da bist Du auf dem falschen Holzdampfer". Oder: "Ne blinde Kuh findet auch mal die Spreu im Weizen"."

Neben dem Interview kann man sich 10, 20 oder 40 Fragen, die großteils später auch im eigentlich Spiel vorkommen, als Quiz im Schnelldurchgang vorlegen lassen und aus zwei bis drei möglichen Antworten die richtige anklicken, anschließend die Erklärungen der richtigen und falschen Antworten ausführlich schwarz auf gelb nachlesen. Und schließlich aber geht es zu dem Spiel, um das die CD-ROM rotiert: wahlweise die leichtere Version für 10- bis 14- und die erwachsene für 15- bis 99-Jährige.

"Herzlich willkommen! Sie betreten nun die Bibliothek und treffen auf Willi den Bücherwurm. Beantworten Sie alle Fragen, sammeln Sie Punkte und finden Sie den Goldenen Raum. Hinter welcher Tür verbirgt sich die richtige Antwort?"

Sobald der Spieler einen neuen Raum betritt, wird ihm eine Frage eingeblendet wie auch vorgelesen: Multiple choice, und die richtige Antwort findet er auf einer der drei Fußmatten, zu denen er sich als Bücherwurm mit Pfeiltasten hinkringelt. Dabei kann er elend in übergeschwapptem Putzwasser kleben bleiben, während ihm der Professor auf den Fersen ist. Für jede falsche Antwort verliert er eins seiner drei Leben, für jede richtige gelangt er in den nächsten Raum zur nächsten Frage.

"Vielen galt Brad Pitt als der ... Filmstar unserer Zeit:"gutaussehendste - bestaussehendste - bestaussehende: - Aussehend kann man nicht steigern zu aussehender oder am aussehendsten: auch nicht, wenn gut oder best oder Brad Pitt davorsteht. Zusammensetzungen aus Adjektiv gut und Partizip aussehen" steigert man, indem man das Adjektiv steigert."

Der Bücherwurm muss Redewendungen kennen, den Dativ richtig deklinieren oder das korrekte Partizip bilden. Auch sollte er die Sprachperspektive einhalten - steigen wir ins Tal hinab oder herab? Er sollte Umgangssprache von Standarddeutsch unterscheiden und den passenden Artikel vor Fremdwörter setzen können. Das Ziel dieses Spiels ist dabei eigentlich weniger, die Sprachfragen richtig zu beantworten, sondern, das gewissermaßen im Schlaf zu beherrschen, weil man in möglichst kurzer Zeit, also auf möglichst intelligentem Weg durch die Regalreihen, um die Hindernisse rum vor allen Dingen Punkte sammeln muss: Was einem zuerst vielleicht ein bisschen doof vorkommt, vor allem, weil der Zufallsgenerator gern Fragen wiederholt. Jedenfalls wundert sich der Antwort-Wiederholer nach ‘ner Weile, wenn er zwar alles weiß und trotzdem der aufdringliche Professor ihn in einer ausweglos verbauten Zimmerecke stellt und voll labert, was den Bücherwurm jedes Mal eins seiner Leben kostet.

Andererseits kann sich der Wurm auch neue Leben erspielen, indem er die Bibliothekarin - gute Seele! -, wenn sie in einem Raum grad rumklappert, um eine Extraaufgabe bittet oder wenn er sich ganz wagemutig sich an eines der gelegentlich aufgestellten Computerterminals stellt und eine Quizrunde auf Zeit oder nur täuschend einfache Geschicklichkeitsspiele beantragt - wie falsch eingeräumte Lexikonbände sortieren. Und wem das Alles zu langsam geht, der kann auch zwischendurch am Colaautomaten Energie tanken.

"Gut beraten ist man bei einem ... Mitarbeiter: korpulenten - korrupten - kompetenten - ein korpulenter Ansprechpartner ist sehr beleibt, ein korrupter Sachbearbeiter ist bestechlich, am Besten ist man mit einem kompetenten, also sachverständigen Mitarbeiter beraten."

Die Ausstattung der Flashanimation ist wie im altmodischen Kinderbuch: bunt gezeichnete Räume voller netter Accessoires wie Handyverbotsschildern oder Sitzecken, die immer im Weg stehen, der Professor latscht gern mal etwas ziellos mit seinen Quadratlatschen vor Regale oder trabt auf der Stelle. Das Aquarium blubbert, wenn man es anrempelt, die Yuccapalme treibt Blüten, die Regallampe geht zischend an, der Fotokopierer fängt an zu rotieren ... Ziemlich einfach gestrickt ist das Spiel vom Dativ, aber doch unterhaltsam. Und auch lehrreich mitunter sogar für professionelle Spracharbeiter: Ich hatte zum Beispiel gedacht, die Tschechen würden beim Fußball gegen die Togolesen spielen. Es waren aber - die Togoer!

"Wenn jemand etwas nicht gut gemacht hat, sagt man: Er hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Rahm und Rum mögen vielleicht nach der schlechten Leistung ein Trost sein. Aber Vorsicht: nicht kleckern!"