Durchwachsene Silphie

Energiepflanze mit Potenzial

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Die Energiepflanze Durchwachsene Silphie (Silphium perfoliatum), auch Becherpflanze, genannt: gelbe Blüten vor blauem Himmel.
Die Durchwachsene Silphie wird in Biogasanlagen genutzt. Außerdem wirkt sie zum Beispiel gegen Bodenerosion und Wildschäden. © imago / H. Tschanz-Hofmann
Von Tonia Koch |
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Die Silphie wächst bislang kaum auf deutschen Äckern. Im Saarland wird die Energiepflanze probeweise angebaut und in Biosgasanlagen verwendet. Dort zeigt sich, dass sie auch anderweitig nützlich ist: Ihre Wurzeln schützen Hanglagen vor Erosion.
Dieser Tage werden im Bundeswettbewerb "Klimaaktive Kommune 2021" erneut Kommunen und Landkreise dafür ausgezeichnet, dass sie sich fürs Klima stark machen. Im vergangenen Jahr hat der saarländische Landkreis St. Wendel den Wettbewerb in der Kategorie "Klimaanpassung Kommune" gemeinsam mit zwei weiteren Preisträgern für sich entschieden. Ausgezeichnet wurde der Probeanbau der Durchwachsenen Silphie – einer aus Nordamerika stammenden Energiepflanze, die noch nicht allzu häufig auf deutschen Äckern zu finden ist.
Bei Biogasanlagenbetreiber Markus Eiden auf dem Wendelinushof im saarländischen Probeanbaugebiet kommt Silphie zusammen mit anderem Material in die Biogasanlage. Im Leitstand – ausgestattet mit Rechnern und zwei Bildschirmen – kann man sehen, wie das passiert: "500 Kilogramm in der Stunde, "erklärt Eiden. "Wir füttern etwa 10 Tonnen Material am Tag, eine Mischung aus Silomais, Silphie und Rindermist." Die Mischung, angereichert mit Gülle, sei ideal.
Die Methanbakterien bauten bei 38 Grad im Gärbehälter den Kohlenstoff aus den Pflanzen ab und bildeten daraus Methan, so Eiden. "Dieses Methan fangen wir unter den Foliendächern auf und es wird verstromt."
Der Stromertrag liegt in etwa bei 1,8 Millionen Kilowattstunden. Damit ließe sich der Verbrauch von fünf bis 600 Haushalten im Jahr sicherstellen. Die erzeugte Wärme wird auf dem Hof selbst eingesetzt.

Mehrjährige Pflanze braucht Spezialisten

Allein mit der Energiepflanze Silphie lasse sich die Biogasanlage jedoch nicht betreiben, sagt Eiden. Darauf sei sie technisch nicht ausgelegt und auch die reinen Gaserträge lägen unter denen von Mais. Allerdings verfüge die großgewachsene Pflanze mit ihren leuchtend gelben Blüten, die an Sonnenhut erinnern, über andere nützliche Eigenschaften:
"Die Silphie hat den Vorteil, dass man sie nur einmal aussät und 15 bis 20 Jahre nutzen kann. Das ist wesentlich weniger Aufwand." Nach dem Aussäen wird sie über einen Zeitraum von drei Jahren etabliert, das vierte Jahr ist das erste volle Nutzungsjahr. "Und dann brauche ich sie nur noch zu düngen mit den Reststoffen, die hier auf der Anlage entstehen. Das ist also ein Kreislaufsystem."
Bis dahin aber gibt es so manche Hürde zu nehmen. Denn es braucht Spezialisten, um die mehrjährige Pflanze auszusäen und pro Hektar werden bis zu 2000 Euro fällig, um ihn mit der Durchwachsenen Silphie zu bestellen.

Gegen Erosion und Wildschäden

Mit ausreichend Wasser könne sie in einer Mittelgebirgslandschaft wie dem Saarland dafür sorgen, dass die zahlreichen Hanglagen vor Erosion geschützt werden, sagt der St. Wendler Klimaschutzmanager Michael Welter, der den Probeanbau überwacht. Der Mais trotze den klimatischen Veränderungen – geprägt von Trockenphasen und Starkregen – weniger gut als die Silphie. Denn sie bilde tiefe Wurzeln, die das Erdreich davor schützten, weggeschwemmt zu werden.
"Was wir sagen können ist: Seit die Silphie dort wächst, ist es nicht mehr zu Erosionsschäden gekommen auf den Flächen. Ich habe da eine Fläche im Blick, da hat es noch im Etablierungsjahr einen großen Erosionsschaden gegeben und inzwischen ist die Silphie dort seit drei Jahren am Wachsen und es gab nie mehr ein Problem auf der Fläche."
Ganz nebenbei reguliere die Energiepflanze auch Wildschäden. Sie schmecke den Wildschweinen nämlich nicht, die mitunter in den Maiskulturen schwere Schäden anrichteten, berichtet Markus Eiden: "Es gibt Flächen in Waldnähe, wo wir schon 50 bis 60 Prozent Wildschäden hatten."

Zukunftsperspektive Faserproduktion?

Von 45 Hektar 2017 ist der Anbau der Dauerkultur inzwischen auf mehr als 70 Hektar angewachsen, elf Landwirte beteiligen sich am Projekt des Landkreises. Mittlerweile trage sich der Silphie-Anbau auch ohne finanzielle Förderung durch den Kreis, sagt Klimaschutzmanager Welter. Der limitierende Faktor für die Silphie aber sei ihre bislang ausschließliche Verwertung in den Biogasanlagen.
"Wir haben im Landkreis St. Wedel lediglich drei Biogasanlagen und alle drei Betreiber sind auch Teil der anbauenden Landwirte, das ist momentan der begrenzende Faktor."
Dass sich daran so schnell etwas ändert, sei leider nicht zu erwarten, sagt Thorsten Ruf vom Fachbereich Raum und Umweltwissenschaften der Universität Trier.
"Ich denke, dass eines der größten Hemmnisse die Zukunftsperspektive darstellt. Vor 10 bis 15 Jahren gab es im Erneuerbare-Energien-Gesetz ganz klare Regelungen, die den Ausbau von Biomasse als erneuerbarem Energieträger gefördert haben. Heute wird verstärkt Wert auf Fotovoltaik und auf Windkraft gelegt, wodurch die Zukunftsperspektiven relativ unsicher sind."
Die Energiepflanze Durchwachsene Silphie (Silphium perfoliatum) auch Becherpflanze genannt, wächst auf einem Feld, am Rand steht auf einem Schild "Hier wächst Ihr Strom". 
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Aus der Silphie auch Papier und Kartonagen herstellen? Das wird ebenfalls bereits getestet.© picture alliance / Bildagentur-online / Sunny Celeste
Thorsten Ruf, der das St. Wendler Projekt wissenschaftlich begleitet, kennt die Befürchtungen der Bauern, sich mit einer Dauerkultur wie der Silphie auf Jahre zu binden, ohne zu wissen, ob sie damit auch auskömmliche Preise erzielen können. Lösen ließe sich diese Problematik aber mit einer zusätzlichen Nutzung der Pflanze, glaubt der Wissenschaftler.
"Es gibt zum Beispiel vielversprechende Ansätze, die Durchwachsene Silphie zu einer Faserproduktion zu nutzen, um Papier oder Kartonagen daraus herzustellen und somit den Holzmarkt zu entlasten."
Das böte den Vorteil einer regionalen Kreislaufwirtschaft mit zusätzlicher Wertschöpfung.
"Wenn wir beispielsweise zu einer kombinierten Nutzung für die Papierherstellung und die energetische Nutzung kommen, dann wäre es ja denkbar, dass man klimaneutrale Fabriken bauen kann, die Papier produzieren können und ihre eigene Energie herstellen."

Auf dem Hochsitz beim Wachsen zuschauen

Ausprobiert wird das bereits im Auftrag großer Handelsketten, die auf der Suche nach alternativen Verpackungsmaterialien sind. Das hat auch der St. Wendler Energiemanager im Blick: "Wir stehen da mit verschiedenen Firmen in Kontakt."
Vertragsabschlüsse gibt es allerdings noch keine. Aber auch ohne sei es gelungen, mit dem Silphie-Projekt das Bewusstsein der Menschen für den Klimaschutz zu schärfen, sagt Landrat Udo Recktenwald.
"Weil wird dadurch Öffentlichkeit herstellen, Aufmerksamkeit schaffen und den Klimaschutz in den Mittelpunkt rücken. Denn es ist wichtig, die Leute mitzunehmen. Denn nur, wenn jeder an seiner Stelle mitwirkt, kann Klimaschutz gelingen."
Rund um die Silphie-Äcker hat der Landkreis St. Wendel Hochsitze gebaut. Nicht um Wildschweine zu jagen, sondern um der Pflanze im Frühjahr zuzusehen, wie sie wächst und gedeiht.
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