Seit kurzem im Handel: die Neuauflage des 1969 entstanden französischen Spielfilms "Die Dinge des Lebens" mit Romy Schneider und Michel Piccoli. Die DVD ist vor kurzem beim Label Arthaus erschienen und kostet 19,99 Euro.
Romy Schneider - zum Dahinschmelzen
Die Kamera liebte Romy Schneider, bis heute geht von ihr eine ungeheure Faszination aus. Jetzt erscheint einer ihrer berühmtesten Spielfilme, "Die Dinge des Lebens", in einer Neuauflage auf DVD.
Romy Schneider hat ihren ersten Auftritt in diesem Film nach knapp fünf Minuten – sie liegt, nackt auf dem Bauch, im Halbdunkel, neben dem ebenfalls nackten Michel Piccoli. Man erahnt die Gestalten mehr, als dass man sie sehen kann. Und man staunt: Selbst im Schlaf strahlt diese Frau eine enorme Präsenz aus. Es ist, als fülle sie die ganze Szenerie mit ihrer Aura. Ganz klar: Die Kamera liebte Romy Schneider. Sie musste nur da sein – schon wurde alles um sie herum zur Nebensache.
Später sitzt Romy Schneider, in ein Badetuch gehüllt, die Haare flüchtig hoch gesteckt, an einer Schreibmaschine. Sie trägt eine Brille. Sie tippt. Und wieder sehen wir sie von hinten. Dann der erste knappe Dialog zwischen ihr und ihrem Partner Michel Piccoli:
"Was machst Du?"
"Ich seh’ Dich an!"
Sie dreht sich um. Sie lächelt. Ihr Lächeln hat noch den Reiz der Jugend, zeigt aber auch schon das Lauern des Alters. In diesem Moment kann man als Zuschauer auch nur noch eins tun: sie ansehen. Man muss. Man schmilzt dahin.
Schreibmaschinentippen / "Verdammt noch mal, wie war das doch gleich? – Wie heißt das Wort für – im Französischen für ‚Lügen‘. Ich meine aber nicht direkt lügen, sondern so ausschmücken. Das ist im Deutschen verschönern, also wohl lügen, aber nur, indem man was dazu dichtet." – "affabuler" – "Genau. Affabuler. – Sie tippt das Wort und buchstabiert es dabei. – "Zwei ‚F‘!" – "Och – Herrgott, nochmal."
Die folgende Geschichte des Mit-, Gegen- und Umeinanders eines bürgerlichen Paares ist überaus schlicht. Aufbruch und Zerwürfnis zwischen Liebe und Gleichgültigkeit, ein ganz durchschnittlicher Alltag voller Freuden, Sorgen, Zweifeln, Hoffnungen wird von A bis Z durchbuchstabiert.
"Ein reizender Abend. – "Ja, ausgesprochen reizend." – "Ich hab Dich ja nicht gezwungen, mitzugehen, ich wusste, dass es grässlich wird." – "Wieso grässlich, das ist eben Familie. Hast Du was gegen Familie?" – "Ich habe was dagegen, meine Zeit zu vergeuden." – "Zeit vergeuden, ist immer langweilig." – "Ja, es ist langweilig."
Man kann den Blick nicht abwenden
Romy Schneider, wieder im Halbdunkel, im Auto, zeigt in ihrem Gesicht die ganze Skala von Wut, Enttäuschung, Trauer, die eine Frau befällt, da sie sich eingestehen muss, dass der Mann an ihrer Seite, nicht wirklich zu ihr steht. In den Augen, im Beben der Lippen, in den mühsam beherrschten Brauen ist das zu sehen. Und wieder: Man kann als Zuschauer den Blick nicht abwenden.
"Was willst Du eigentlich, Pierre? Dass wir uns trennen?"
Ohne Frage: Auch die Stimme Romy Schneiders, die sich in der deutschen Synchronfassung selbst gesprochen hat, trägt wesentlich zur Wirkung bei – diese vom Sissi-Kieksen längst in die Tiefe einer reifen, erfahren Frau gerutschte Stimme voller brüchiger Verletzlichkeit.
"Du willst es nicht hören. Aber ich sag es Dir: Du liebst mich, weil ich da bin. Aber, wenn Du auch nur über die Straße müsstest, um zu mir zu kommen, wär’ Dir das zuviel."
Hauptperson der Film-Erzählung ist der von Michel Piccoli verkörperte Pierre. Der hat am Anfang des Geschehens einen Unfall. Es sind seine Erinnerungen an sein verrauschtes Leben, die ihn heimsuchen – und die Regisseur Claude Sautet, ein Meister der leisen Töne, als Spiegel der Lethargie der bürgerlichen Gesellschaft ausnutzt. Doch es ist ihr Film, es ist der Film von Romy Schneider. Es ist ihr Strahlen, das dieser simplen Geschichte von der Kompliziertheit, Mensch zu sein, Größe gibt.
"Ist der Mann tot?" – "Nein, nein, er ist nur bewusstlos." – "Da hat er Glück gehabt!"
Die mit den neuesten technischen Mitteln produzierte Neuauflage des Films auf DVD lässt in punkto Wiedergabequalität keine Wünsche offen. Schade nur, dass auch in diesem Fall nur die gekürzte Version des Films zu haben ist. Es fehlen zwei zusammen etwa sechsminütige Szenen – Regisseur Claude Sautet hat sie in den 1980er-Jahren selbst aus dem Film geschnitten, weil er sie im Nachhinein überflüssig fand.
Keineswegs überflüssig: die Wiederbegegnung mit dem Film. Das nicht allein wegen Romy Schneider. Hier ist wirklich Filmkunst zu erleben: klug, sensibel, gedankenreich und dadurch sehr unterhaltsam. Und man staunt, dass die Dinge des Lebens immer und immer wieder dieselben sind. Unverrückbar.