Die Cellistin Alisa Weilerstein spielt am Donnerstag, den 29.6.2017 um 20 Uhr mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin in der Berliner Philharmonie das Konzert für Violoncello und Orchester in h-Moll von Antonín Dvořák. Deutschlandfunk Kultur überträgt das Konzert live.
Ein Meilenstein der Cello-Literatur
Ein Stück Holz, das oben kreischt und unten brummt: So beschrieb der tschechische Komponist Antonín Dvořák einmal abfällig das Violoncello. Und doch spielt es in seinem berühmten Konzert in h-Moll die Hauptrolle. Die Cellistin Alisa Weilerstein wird es am Donnerstag in Berlin spielen.
Während seiner Jahre in Amerika 1892-1894 komponierte Antonín Dvořák sein h-Moll Konzert als letztes Orchesterwerk seiner Auslandsperiode, noch nach der Sinfonie "Aus der Neuen Welt". Es wurde zu einem Meilenstein der Cello-Literatur.
Die zahlreichen klangschönen Themen und die musikalische Kraft der Musik regen die Imagination an. So saß Alisa Weilerstein als 4-Jährige vor dem Radio, die Musik zog sie so in ihren Bann, dass sie den Wunsch in ihr auslöste, Cello zu spielen:
"Das Konzert besitzt eine Geschichte, fast so wie eine Sinfonische Dichtung. Wenn man sich einen Moment vorstellt, Strauss könnte es geschrieben haben, dann wäre das vielleicht sein 'Heldenleben'geworden."
Frühere Skepsis revidiert
Als 12-Jährige lernte Alisa Weilerstein dann Dvořáks Konzert, mit fast 15 spielte sie es dann das erste Mal öffentlich in der Carnegie-Hall mit dem "New York Youth Orchestra". Dvořák revidierte mit dieser Arbeit seine frühere Skepsis gegenüber dem Instrument, die sich in Worten dieser Art äußerte:
"Das Violoncello ist ja ein wunderbares Orchesterinstrument mit klangschöner Mittellage, aber das hohe Register ist näselnd, das tiefe murmelnd – insgesamt keine guten Voraussetzungen für die Solistenrolle.".
In seinem h-Moll Konzert bettet Dvořák das Cello kunstvoll in den Orchesterklang ein. Die Eröffnung überlässt er Streichern und Holzbläsern.
Alisa Weilerstein: "Das Cello, so wie es empfinde, ist eine Art Protagonist des Werkes. Im ersten Satz stelle ich mir das Cello als einen jungen Helden vor, leicht frech, emotional und vielleicht ein wenig unberechenbar. In den ersten Takten wird das Thema in Moll eingeführt.
Und wenn das Cello eintritt, erklingt es in Dur.
Und diese Figur wird immer weiter moduliert und moduliert, bis sie schließlich in einen Tanz mündet.
Später ist die Musik wie ein blubbernder Kessel. Es wird extrem wild und virtuos in der Cello-Stimme. Es kommen die berühmten Oktaven und dann startet das Orchester und das Cello setzt ein. Die Stimmung ist nicht länger intim. Sie ist sehr warm und man kann sich einen Helden vorstellen, der siegreich aus dem Kampf zurückkehrt."
Und wenn das Cello eintritt, erklingt es in Dur.
Und diese Figur wird immer weiter moduliert und moduliert, bis sie schließlich in einen Tanz mündet.
Später ist die Musik wie ein blubbernder Kessel. Es wird extrem wild und virtuos in der Cello-Stimme. Es kommen die berühmten Oktaven und dann startet das Orchester und das Cello setzt ein. Die Stimmung ist nicht länger intim. Sie ist sehr warm und man kann sich einen Helden vorstellen, der siegreich aus dem Kampf zurückkehrt."
Tribut an eine alte Liebe
Im zweiten Satz offenbart sich ein romantisches Geheimnis aus Dvořáks Vergangenheit. Während Dvořák an seinem Adagio arbeitete, erreichte ihn die Nachricht, dass seine alte Liebe Josefina Čermáková im Sterben läge. Er gab der Schauspielerin und Sängerin 30 Jahre zuvor Klavierunterricht. Seine Liebe wurde allerdings von ihr nicht erwidert.
Dvořák heiratete schließlich ihre jüngere Schwester Anna. Als Tribut an Čermáková greift Dvořák auf das Lied "Lasst mich allein" zurück, das sie sehr mochte:
"Lasst mich allein! Verscheucht den Frieden nicht in meiner Brust mit euren lauten Worten."
Dvořák wandelt die Taktart des Viervierteltaktes in einen Dreivierteltakt um und lässt das Liedthema schließlich – nach der Eröffnung und einem Orchester-Tutti - vom Violoncello "molto espressivo" spielen.
Lyrische Stimmungsgemälde wie diese ziehen Generationen von Cellisten in ihren Bann. Alisa Weilerstein hat Dvořáks Cello-Konzert etliche Male gespielt - etwa beim Rheingau Musik Festival oder bei den BBC Proms.
Ein besonderes Erlebnis in Prag
Ein besonderes Erlebnis war für sie die Aufnahme des Werkes in der Dvořák-Hall in Prag 2013 mit der Tschechischen Philharmonie und dem kürzlich verstorbenen tschechischen Dirigenten Jiří Bělohlávek.
Alisa Weilerstein: "Ich hatte mein Cello ausgepackt, bereit zu spielen. Bělohlávek sagte nur: 'Singe mir deine Tempi!' Ich fragte: 'Singen?' – und er erwiderte: 'Ja, ja, singe mir deine Tempi!'. Natürlich war ich sehr schüchtern. Ich fing an, ein bisschen zu singen und er sang sogar mit mir. Das Stück dauert rund 40 Minuten. Wir sind es rund eine Stunde lang durchgegangen, haben über ein paar Dinge gesprochen und ich habe mein Cello die ganze Zeit über nicht angerührt. Wir haben nur gesungen, bis Jiří Bělohlávek schließlich sagte: Ah, ich freue mich auf die Aufnahme, vielen Dank!"
Kommenden Donnerstag wird dann der Geschichte von Alisa Weilerstein und dem Dvořák Cellokonzert ein weiteres Kapitel hinzugefügt. In der Berliner Philharmonie spielt die Mitte 30-Jährige zusammen mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und unter der Leitung von Vladimir Jurowski – und auch hinter dieser Konstellation verbirgt sich etwas Neues:
"Ich bin sehr gespannt auf die Zusammenarbeit mit dem Orchester und mit Jurowski. Ich habe viel Achtung vor dem Orchester. Jurowski habe ich schon sehr oft in Konzerten erlebt, aber wir haben bisher noch nie miteinander gearbeitet."