Die Bewahrung des Unaussprechlichen
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25 Jahre sind seit dem Massaker von Srebrenica vergangen: Eine „industrielle, hochrationalisierte Ermordung“ tausender Menschen, sagt der Schriftsteller Dževad Karahasan – bei der Erinnerung daran stoße man an die Grenzen der Sprache.
25 Jahre nach dem Massaker von Srebrenica gibt es immer noch Menschen, die nach ihren Angehörigen suchen. Einige Täter wurden als Kriegsverbrecher verurteilt, andere sind immer noch auf freiem Fuß. Manche werden gar für ihre damaligen Taten gefeiert.
Für den bosnischen Schriftsteller Dževad Karahasan ist die Vorstellung, dass zum Beispiel der Bürgermeister von Srebrenica ein Serbe ist, schwer erträglich: "Das ist eigentlich nicht auszuhalten. Das ist einer der Gründe, warum ich nur gelegentlich in Bosnien weile".
"Eine industrielle, hochrationalisierte Ermordung"
Mit den Tätern über ihre Verbrechen zu sprechen, sei nicht möglich, sagt Karahasan: "Da stoßen wir auf die Grenze der Sprache." Der Schriftsteller kann sich die Taten nur durch ideologische Verblendung erklären. In diesem Denken sei Zugehörigkeit das Hauptkriterium, um Handlungen zu beurteilen. Die eigenen Verbrechen würden als Heldentaten gesehen.
Diese Art, Kriegsverbrechen zu beschönigen, macht Karahasan wütend: "8300 Menschen kaltblütig zu ermorden, ist nun mal ein Verbrechen. Ob ich oder Sie oder jemand anderes das verübt hat, ist zweitrangig".
In Srebrenica sei es nicht unbedingt um Hass gegangen, führt Karahasan aus: "Es handelte sich um eine industrielle, hochrationalisierte Ermordung." Es sei einfach eine Arbeit erledigt worden und den Menschen sei versprochen worden, dass sie Anerkennung bekommen würden, wenn sie diese Arbeit erledigen.
Und das Bedürfnis der Menschen nach Anerkennung sei sehr groß, sagt Dževad Karahasan: "In guten Zeiten bekommen Leute Anerkennung, wenn sie sich für das Gute einsetzen." In schlechten Zeiten habe das Böse die besseren Karten.
Auch der Feind ist ein Mensch
Gerechtigkeit hätten die Prozesse vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag nicht gebracht, meint Karahasan, das sei aber auch nicht möglich gewesen: "Menschliche Strafe bringt keine Gerechtigkeit." Aber Erkenntnisse hätten die Prozesse gebracht, zum Beispiel diese: "Lassen Sie uns bitte daran arbeiten, wieder ethisches Denken zu beleben."
Denn Ethik sei das Bewusstsein, dass auch der Feind ein Mensch sei. Um dieses Wissen auch der jungen Generation zu vermitteln, sei die Hilfe von Institutionen nötig, betont der Schriftsteller.
Sprache sei dabei eine der wichtigsten Formen der menschlichen Erinnerung, führt der Autor aus: "Sprache bewahrt." Aber Sprache habe auch ihre Grenzen, so Karahasan. Eine Grenze sei das Schweigen, eine andere die Sprachlosigkeit: "Die Grenze, an der die Sprache aufs Unaussprechliche trifft." Das sei furchtbar, so der 67-Jährige.
(beb)