Lernen so leicht wie ein Kinderspiel?
Der Schulunterricht der Zukunft könnte ohne Schiefertafel und Kreide auskommen: Technik im Klassenzimmer verspricht laut Herstellern mehr Lernspaß und Motivation. Ob das alles sinnvoll und notwendig ist, steht auf einem anderen Blatt.
"Wir arbeiten in der Schule oft mit Lernvideos. Das heißt, dass ich im Vorfeld Videos erstelle. Da wird zum einen das gefilmt, was ich da schreibe auf dem iPad. Dann kommt aber meine Stimme auch dazu."
Geometrie-Unterricht einmal anders: Sabine Baumann ist Lehrerin an der Gesamtschule Lehrte - und zeigt auf der Bildungsmesse "Didacta" in Stuttgart, wie sie ihren Schülern die geometrischen Gesetzmäßigkeiten eines Dreiecks beibringt: Nicht mehr mit Zeichnungen mit Kreide an der Schiefertafel, sondern über ein Video, das die Schüler auf einem iPad abspielen.
"Ich könnte das den Schülern auch einfach erklären. Die Möglichkeit, die ich jetzt habe, dass die Schüler sich das Video dann anschauen können, wenn sie's benötigen. Das heißt: Sie können in ihrem individuellen Lerntempo eine Unterrichtseinheit durchlaufen."
Und wer etwas nicht verstanden hat, kann sich das Video auch zuhause immer wieder ansehen - so lange, bis der Lernstoff wirklich sitzt. Das aber, sagt Lehrerin Sabine Baumann, ist aus ihrer Sicht nur einer von vielen Vorteilen des digitalen Lehrens mit dem iPad. Ein anderer besteht in der Möglichkeit der Interaktivität.
"Interaktivität kann ich so nutzen, in dem ich zum Beispiel abfrage, in dem ich Vokabeltest online entwickele. Ich kann Multiple Choice fragen stellen. Das können die Schüler interaktiv auch in ihrem Tempo durchlaufen."
Lernen mit einem Roboter
Für Sabine Baumann ist klar: Die Schüler der Zukunft sitzen nicht mehr vor der Tafel, sondern vor ihrem mobilen Rechner: Lernen so leicht wie ein Kinderspiel.
Auch dies mutet auf den ersten Blick wie ein Kinderspiel an: Ein Roboter, aus Legosteinen gebaut, bewegt sich auf ein Hindernis zu. Kurz davor stoppt das kleine, ein wenig ungelenk wirkende Kerlchen, weicht nach rechts aus, fährt selbständig um das Hindernis herum:
"In unserer Software können wir programmieren, genauso als ob wir mit Legosteinen bauen", erklärt Martin Engels, E-Learning-Experte von Lego-Education Deutschland. Während der Roboter ein Hindernis nach dem anderen umfährt, sitzt Martin Engels vor einem Rechner. Auf dem Bildschirm zu sehen: Virtuelle Lego-Steine mit bestimmten Nummern.
"Jeder Programmierbefehl ist wie ein Legostein, den ich hier in der Kiste habe. Und wenn der Roboter zum Beispiel vorwärts fahre soll, nehme ich aus der Kiste den entsprechenden Legostein hier unten und lege den hier oben in meinem Programm ab und nehme jetzt die Einstellung vor, dass ich den Motor in diesem Fall einschalten kann, dass der Roboter vorwärts fährt."
Erste Gehversuche im Programmieren
Auf diese Art und Weise erste Gehversuche im Programmieren zu unternehmen, weckt den Spaß an der Freude des Lernens viel intensiver als im Informatik-Unterricht.
"Nehmen wir zum Beispiel mal diesen Roboter. Wir haben die Herausforderung, einen Roboter zu programmieren, der im Straßenverkehr einem Hindernis ausweichen kann. Mit dieser Umsetzung lerne ich automatisch, Befehle zu programmieren und bin damit in der Lage, dieses Wissen auch auf höheren Stufen anzuwenden."
Digitales Lernen - das bedeutet nach Angaben der Hersteller solcher Systeme ein "Mehr" an Lernspaß und ein "Mehr" an Lernmotivation. Hinzu kommt: Dank digitaler Technik wird das Dasein eines Schülers ein Stück weit komfortabler, beispielsweise durch das "digitale Schwarze Brett" von Aussteller Peter Hüfmann aus dem Kreis Nienburg-Weser. Nicht nur, dass die Schüler auf einer digitalen Anzeigentafel lesen können, wenn ein Lehrer krank geworden ist - sie können in einem solchen Fall sogar gleich eine Stunde länger zuhause bleiben.
"Unser System erkennt sofort, dass sich der Vertretungsplan geändert hat und überträgt sie zeitgleich auf die App aller Smartphones der Schüler. Wenn der Lehrer so fair und nett ist, seine Krankheit rechtzeitig anzumelden, kann die Information im selben Augenblick beim Schüler ankommen."
... der dann erst später zur Schule kommen muss, wenn in der Message keine Vertretung angekündigt wird.
Immer stärker digitalisiert
Die Beispiele zeigen: Immer stärker wird der Schulalltag digitalisiert. Doch das ruft auch Kritiker auf den Plan. Norbert Büning, in der Szene bekannter Buchautor zum Thema "Digitales Lernen", findet: Die meisten E-Learning-Angebote bleiben unterhalb ihrer Möglichkeiten.
"Am Anfang hat das E-Learning einfach daran gekrankt, dass man die traditionelle Lernsystematik einfach übertragen hat: Da steht vorne jemand, präsentiert, zeigt vielleicht Filme, Videos oder ähnliches. Ich finde, man tut dem Medium damit unrecht. Gerade die Vernetzung unter den Lernern, die Möglichkeit, neue Möglichkeiten zu schaffen, das begeistert mich am E-Learning."
Nach seiner Meinung sind die Vernetzungsmöglichkeiten zwischen Lehrern und Lernenden untereinander bei den meisten Angeboten noch nicht ausgeschöpft. Gefragt seien Plattformen, die das Lernen von Schülern untereinander und voneinander ermöglichen müssten. Und zu guter Letzt äußern manche Pädagogen eine weitere Befürchtung. Demnach fallen viele Fertigkeiten, die der klassische Unterricht vermittelt, bei den neuen digitalen Unterrichtsangeboten unter den Tisch, glaubt Kinga Szüczs, Lehrerausbilderin an der Universität Jena:
"Ich bin nicht dafür, dass ein Schüler immer etwas auf einem Bildschirm sieht und nur auf Knöpfe drückt. Zum Beispiel, ich komme aus der Mathematik, wenn ich mit dem Zirkel beispielsweise digital etwas mache und nicht mehr selber den Zirkel anschlage und so weiter - also das ist für mich schon ein Problem."
Allerdings wird sich digitales Lernen nicht mehr aufhalten lassen; das können die Messebesucher den vielen Angeboten auf der "Didacta" deutlich ablesen. Und ob die sich nachhaltig bewähren, zeigt sich irgendwann einmal auf sehr klassische Art und Weise: Nämlich an den Schulnoten jener, die ihre Schulzeit überwiegend digital bewältigt haben.