Aus für Leihroller in Paris
E-Scooter stehen oft im Weg herum. Sind Parkzonen für die Roller die Lösung? © IMAGO / Christian Ditsch / IMAGO / Christian-Ditsch.de
Sollten E-Scooter auch in Deutschland verboten werden?
Paris verbannt die E-Scooter - mancher wünscht sich das auch für deutsche Städte. Aber wäre das sinnvoll? Wie es um die Ökobilanz der Mietroller steht, für wen sie eine Gefahr darstellen und was außer einem Verbot möglich wäre.
Die Stadt, die als erste in Europa Leih-E-Scooter eingeführt hat, verabschiedet sich nun wieder von ihnen: Ab dem 1. September soll es in Paris keine Leihroller mehr geben. Die Einwohnerinnen und Einwohner der französischen Hauptstadt haben bei einer Befragung zu 90 Prozent klar gegen die Verlängerung der Verträge mit mehreren Anbietern von E-Scootern gestimmt. Die Beteiligung an der Abstimmung war mit 7,4 Prozent allerdings sehr niedrig. Bürgermeisterin Anne Hidalgo, selbst kein Fan der ausleihbaren Roller, sprach dennoch von einem „Sieg der lokalen Demokratie“ und will die E-Scooter nun aus der Stadt verschwinden lassen. Paris folgt damit dem Beispiel von Barcelona und Montréal. In beiden Städten wurden Leih-E-Scooter schon verboten.
Wäre das auch in deutschen Städten sinnvoll? Was spricht für ein Verbot, was dagegen? Und welche Alternativen gibt es, um mit den Problemen, die die Roller verursachen, umzugehen?
Wie (un)beliebt sind E-Scooter?
Sie stehen im Weg, liegen quer über dem Bürgersteig oder werden sogar in Gewässer geworfen: E-Scooter müllen die Städte zu sehr zu, finden die Gegner der elektrischen Leihroller. Auch deshalb sind die Fahrzeuge zum Hassobjekt vieler Menschen in den Städten avanciert – das eindeutige Votum der Pariserinnen und Pariser gegen die Ausleihroller ist Ausdruck davon.
Wie die Stimmung hinsichtlich der E-Roller in deutschen Städten ist, ist nicht ganz klar. "Die Akzeptanz ist wahrscheinlich vergleichsweise gering“, sagt Uta Bauer vom Deutschen Institut für Urbanistik (DIfU). „Die Mehrheit der Leute nutzt sie ja gar nicht, würde ich mal behaupten, und stolpert eher darüber.“ Es sei methodisch allerdings nicht ganz einfach, die Akzeptanz der E-Scooter zu messen, schränkt Bauer ein. Wie verhasst die Roller sind – oder ob ihre Gegner einfach nur sehr viel lauter sind als ihre Fans – lasse sich nicht sicher sagen.
Nehmen die E-Scooter zu viel Platz im öffentlichen Raum ein?
Unabhängig davon, wie groß die Ablehnung der E-Scooter tatsächlich ist, wird ohnehin schon gestritten, wie der öffentliche Raum gerecht genutzt werden kann: Wie breit darf ein Fahrradweg sein? Wie viele Parkplätze können dafür wegfallen? Man kann es also durchaus kritisch sehen, dass mit dem Verleih von E-Scootern ein privates Geschäftsmodell Platz im öffentlichen Raum bekommt.
Allein in Berlin können circa 54.000 Elektro-Tretroller ausgeliehen werden. Allerdings sind in der Hauptstadt auch 1,24 Millionen Autos zugelassen. Und verglichen mit ihnen nehmen die E-Scooter kaum Raum ein. Auf der Fläche, auf der ein Auto parken kann, ist Platz für rund 20 Leihroller.
Die Diskussion über E-Scooter hält der Verkehrswissenschafter Heiner Monheim daher für „dramatisiert“. Der Platzbedarf von parkenden Pkws sei ein viel größeres Problem als der Raum, der von E-Scootern blockiert werde. Dass Autos fast überall abgestellt werden dürften, werde als „Normalzustand“ politisch toleriert. Uta Bauer vom DIfU sieht das genauso: „Die meiste Fläche, die uns verloren geht im wertvollen öffentlichen Raum, geht nicht zulasten der E-Scooter, sondern zulasten der enormen Flächen, die für parkende und auch falsch parkende Autos genutzt wird.“
E-Scooter werden allerdings auch häufig rücksichtslos geparkt – genau wie E-Mopeds und Leih-Fahrräder: Im Schnitt alle 77 Meter stoßen Fußgängerinnen und Fufgänger in Berlin auf ein behindernd oder gefährdend abgestelltes Sharing-Fahrzeug, hat der Fußgängerverband FUSS e.V. im Herbst 2022 festgestellt. „Der Fehler, der gemacht worden ist – von Seiten der Städte – ist zu sagen: Och, wir lassen die da erstmal drauf“, sagt Roland Stimpel von FUSS e.V. „Dann haben die sich auf einem Raum breitgemacht, der eigentlich für etwas ganz Anderes gedacht war und benötigt wird – nämlich fürs Gehen und Stehen.“ Diese Bereiche seien zu Parkräumen, Abstellräumen und Unfallräumen geworden.
Wie groß ist die Unfallgefahr durch E-Scooter?
E-Scooter, die quer auf dem Gehweg liegen, sind besonders für Rollstuhlfahrer, Personen mit Kinderwagen sowie blinde und sehbehinderte Menschen ein Problem. So hat beispielsweise der blinde TikToker Fatmir Seremeti über ebenfalls blinde Freunde berichtet, die über die E-Tretroller gefallen sind. Einer von ihnen habe sich dabei so stark verletzt, dass er dauerhaft beeinträchtigt sei.
Unfallgefahr geht auch von rabiaten Nutzerinnen und Nutzern der E-Scooter aus, die zum Beispiel über Gehwege rasen, zu zweit auf einem Roller oder betrunken unterwegs sind. Zwischen Januar und September 2022 starben in Deutschland sieben Personen bei Unfällen mit E-Scootern, mehr als 5.000 wurden verletzt. Die Fahrerinnen und Fahrer der E-Scooter gefährden nicht nur andere, sondern auch sich selbst, Kopfverletzungen sind häufig – und mit einem Helm ist kaum jemand unterwegs.
Allerdings gibt es mit jedem Verkehrsmittel Unfälle – und ohne Zweifel sind Kraftfahrzeuge für andere Verkehrsteilnehmer gefährlicher als E-Scooter. Die vorliegenden Zahlen zu Unfällen mit E-Scootern seien mit Vorsicht zu genießen, da sie sich auf den Zeitraum der Corona-Pandemie beziehen, betont Uta Bauer vom DIfU. Die Statistiken bestätigten aber keinesfalls, dass das Unfallgeschehen überproportional auffällig sei.
Wie sieht die Ökobilanz von E-Scootern aus?
Die elektrischen Mietroller sollen ein Angebot für die sogenannte letzte Meile sein, also zum Beispiel für den Weg von der Bushaltestelle zum eigentlich Ziel. Die Hoffnung ist, dass E-Scooter so die Nutzung des ÖPNV attraktiver machen, Autofahrten ersetzen und dadurch Emissionen im Verkehr senken.
Die Ökobilanz von E-Scootern zu beziffern, ist gar nicht so einfach: Eine gemeinsame Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt kam zu dem Ergebnis, dass die meisten Nutzerinnen und Nutzer ohne E-Scooter gelaufen oder mit dem ÖPNV gefahren wären. Aber immerhin elf Prozent der E-Scooter-Fahrten ersetzten eine Autofahrt. Und jeder vierte Befragte kombinierte E-Scooter und ÖPNV. Die öffentlichen Verkehrsmittel können durch die Leihroller also attraktiver werden.
Für die Ökobilanz eines Verkehrsmittels müssen neben den Emissionen im Betrieb auch die Emissionen von Produktion und Verschrottung berücksichtigt werden. Eine solche Lebenszyklusanalyse für E-Scooter hat Claus Doll vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung gemeinsam mit Kollegen für sechs Städte ausgerechnet und das mit einer Umfrage unter E-Scooter-Nutzerinnen und Nutzern kombiniert. Ihnen zufolge reduzieren die E-Scooter in den meisten Städten die Emissionen.
Welche Alternativen zu einem Verbot von E-Scootern gibt es?
Ein Verbot wie in Paris ist der radikale Weg, um die Probleme mit E-Scootern zu lösen. Viele Großstädte weltweit haben sich für einen anderen Weg entschieden und die Nutzung von E-Scootern nur reguliert und eingeschränkt. Sie setzen beispielsweise auf Nachtfahrverbote oder weisen Parkflächen aus. Die Zahl der E-Scooter können Kommunen ebenfalls beschränken.
Auch TÜV-Verkehrssicherheitsexperte Marc-Philipp Waschke ist gegen ein Verbot. Stattdessen sei in urbanen Gebieten eine sichere Infrastruktur für alle nötig. Und es müsse verstärkt auf die Einhaltung der Verkehrsregeln geachtet werden: Die Straßenverkehrsordnung gelte schließlich auch für E-Scooter-Fahrer.
Quellen: Deutschlandradio, Statista, parlament-berlin.de, FUSS e.V., jfr