Ebola-Epidemie

Wachstum sinkt, Währungen leiden

Ärzte in Liberias Hauptstadt Monrovia ziehen sich Schutzanzüge an, um mit Ebola infizierte Patienten zu behandeln.
Ärzte in Liberias Hauptstadt Monrovia ziehen sich Schutzanzüge an, um mit Ebola infizierte Patienten zu behandeln. © AFP / Dominique Faget
Moderation: Christopher Ricke |
Christoph Kannengießer vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft zeigt sich besorgt: Die Ebola-Epidemie wirke sich sehr negativ auf die Entwicklung der betroffenen Länder aus. Er warnt vor der "Stigmatisierung eines ganzen Kontinents".
Christopher Ricke: Es ist schon furchtbar und es wird noch schlimmer. Die Ebola-Epidemie in Westafrika ist einfach nicht unter Kontrolle zu bringen, die Zahl neuer Patienten steige viel schneller als die Kapazität zur Bewältigung der Fälle, heißt es etwas spröde bei der Weltgesundheitsorganisation in Genf. Und besonders bedrohlich klingt ein kurzer Satz aus Liberia: Die Krankheit bedroht die Existenz des ganzen Landes, hört man.
Beitrag von Hans-Jürgen Maurus
Die Ebola-Krise, die Ebola-Katastrophe in Westafrika, sie muss medizinisch eingedämmt werden. Aber selbst wenn sie einmal eingedämmt ist, wenn die Toten bestattet sind, dann steht man vor einem wirtschaftlichen Trümmerfeld, dann braucht es einen wirtschaftlichen Wiederaufbau in Westafrika. Ich spreche jetzt mit Christoph Kannengießer, er ist der Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, guten Morgen, Herr Kannengießer!
Christoph Kannengießer: Guten Morgen, Herr Ricke!
Ricke: Jetzt ist ja die Wirtschaft in den Ländern, über die wir sprechen, ohnehin schon schwach. Und zum Beispiel in Liberia stirbt auch der Kampf gegen die Armut, der so mühsam geführt worden ist. Wie schaut denn die deutsche Wirtschaft auf diese Ebola-Katastrophe?
Kannengießer: Nun, mit Betroffenheit und Sorge, insbesondere natürlich die Firmen, die in Afrika präsent sind, die in Westafrika selbst mit wirtschaftlichen Aktivitäten unterwegs sind. Sie schaut auch mit Sorge auf die Stigmatisierung des gesamten Kontinents, die natürlich auch mit dieser Ebola-Krise und der Ebola-Berichterstattung einhergeht. Es entsteht der Eindruck, ganz Afrika sei betroffen, obschon es ja am Ende des Tages eben halt eine begrenzte Region ist und Regionen viele Tausende von Kilometer entfernt von Liberia, Guinea und Sierra Leone überhaupt nicht betroffen sind und wirtschaftlich prosperieren.
Ricke: Was sagen Sie denn den Unternehmen, die in der Krisenregion selbst aktiv sind, wenn die Sie um Rat fragen? Oder fragen die gar nicht, weil die längst eingepackt haben und nach Hause gefahren sind?
Kannengießer: Nein, wir können nicht beobachten, dass die Firmen sozusagen in Panik die Region verlassen. Die Firmen versuchen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, ihre Mitarbeiter darüber zu informieren, wie man sich wirksam vor Ebola schützen kann. Aber die Situation wird natürlich zunehmend schwierig, weil die Versorgungslage in den Ländern kompliziert ist, die Lebensmittelversorgung funktioniert nicht mehr, das, was zu lokaler Produktion benötigt wird, kann nicht mehr geliefert werden, weil die Häfen und Flughäfen nicht mehr angesteuert werden oder Schiffe nicht mehr entladen werden können. Will heißen: Die Situation mit zunehmender Dauer der Pandemie wird natürlich auch wirtschaftlich immer schwieriger auch für die lokal dort tätige Wirtschaft.
Ricke: Die lokale Wirtschaft ist sehr häufig eine Rohstoffwirtschaft, Baumwolle kommt aus der Region, Kaffee, Kakao, Edelhölzer. Glauben Sie, dass die Länder ihre Stellung am Weltmarkt, die ja ohnehin nicht die allerstärkste ist, über diese Krise hinaus behalten können?
Die betroffenen Länder dürfen nicht isoliert werden
Kannengießer: Es gibt Einbrüche, die Afrikanische Union macht ja auch Prognosen für die einzelnen Länder, die von ihren ja relativ hohen Wachstumsraten – Liberia im zweistelligen Bereich – enorme Verluste aktuell erleben. Im Moment ist von Korrekturen um vier Prozentpunkte nach unten die Rede, das wird mit zunehmender Dauer dieser Krise möglicherweise noch schwieriger werden. Der Außenwert der Währungen leidet, es gibt eine enorme Inflation in den Ländern. Und das wird diese Länder natürlich wirtschaftlich zurückwerfen. Es kommt jetzt darauf an, dass mit allen verfügbaren auch internationalen Hilfen die Krise möglichst zügig eingedämmt wird. Dann haben diese Länder auch eine Chance, sich wieder zu erholen, dann wird es auch Nachholeffekte geben. Aber eine Fortdauer der Krise und eine weiterhin so rasant ansteigende Zahl der Infektionsfälle wird natürlich den wirtschaftlichen Schaden dramatisch verschärfen.
Ricke: Diese Eindämmung der Krise ist eine medizinische Aufgabe, die einen politischen Willen voraussetzt, die Bereitschaft der Welt zu helfen. Aber ist das tatsächlich nur eine Aufgabe für die Politik, oder ist das vielleicht sogar eine Aufgabe auch für die Wirtschaftsunternehmen, die in der Region engagiert sind?
Kannengießer: Nun, die Wirtschaft kann immer auch an dieser Stelle Beiträge leisten, sie kann Spendenaufrufe mit entsprechender Großzügigkeit beantworten. Die Unternehmen, die Vertrauen in die Region haben und dort bleiben, setzen international positive Signale. Die Firmen – und wir haben ja den Appell beispielsweise von elf großen in der Region tätigen Firmen gesehen, eben diese Länder nicht zu isolieren – finden, glaube ich, international auch Gehör, aber die Firmen können natürlich die Tätigkeit der internationalen Gesundheitsorganisation und der Staatengemeinschaft nicht ersetzen. Hier sind die großen Geber, hier sind die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, hier sind auch die afrikanischen Nachbarländer gefordert, mit allem, was verfügbar ist, zu helfen.
Ricke: Erkennen Sie denn schon einen Plan für den Tag danach, falls die Seuche wirklich einmal eingedämmt sein sollte, einen Plan, wann man in diesen Ländern wieder investieren kann?
Kannengießer: Ich glaube, den Plan für die Zeit danach hat noch niemand in der Tasche. Ich glaube, das ist eine Aufgabe, die sich stellt, wenn man Licht am Ende des Horizonts im Hinblick auf die sanitäre Katastrophe in diesen Ländern sieht. Aber ich bin ganz sicher, dass gerade auch die Firmen, die Afrika kennen und die auch um die großen Chancen in Afrika wissen, dass diese Firmen dann auch diese Länder nicht im Stich lassen werden und dort auch wieder aktiv werden.
Ricke: Christoph Kannengießer, der Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. Vielen Dank, Herr Kannengießer!
Kannengießer: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.