Hoffnung nach der Hölle
Die Sterblichkeit bei Ebola ist hoch. Und dennoch gibt es in den betroffenen westafrikanischen Ländern erstaunlich viele Überlende: In Sierra Leone wurden bisher mehr als 4000 Menschen aus den Ebola-Kliniken entlassen. Oliver Ramme stellt zwei der Ebola-Überlebenden vor.
"Ich war so fertig. Ich hatte viele meiner Kollegen sterben sehen. Als ich hörte, ich bin positiv, habe ich mich so schlecht gefühlt."
Dass Brima Bockarie Ebola hat, erfährt der 27-Jährige am 9. September 2014. Es ist die Hochzeit von Ebola in Sierra Leone. Brima - ein kräftiger, sportlicher junger Mann - lebt zu diesem Zeitpunkt in einem Vorort von Freetown, der Hauptstadt Sierra Leones.
"Ich habe so viel Wasser getrunken, so viel. Ich habe den Überblick verloren, wie viele Liter Wasser das waren."
Brima liegt im September vergangenen Jahres für drei Wochen in einem der speziellen Behandlungszentren für Ebola-Erkrankte. Zusammen mit weiteren 13 Infizierten. Alle auf der Station haben hohes Fieber, alle übergeben sich und haben Durchfall. Brima ist der einzige, der überlebt. Nur weil er viel Wasser getrunken hat - glaubt er.
Kadiatu infiziert sich zwei Monate später als Brima. Bei der Bestattung ihrer Tante berührt sie zum Abschied die Leiche, so wie in Sierra Leone üblich bei Beerdigungen. Genau eine Woche später, am Sonntag dem 9. November, zeigt Kadiatu erste Symptome. Ebola-Überlebende merken sich diese Daten. Es sind Tage, an denen für sie Tod und Wiedergeburt aufeinandertreffen.
"Es fing an mit Fieber und wahnsinnige Gelenkschmerzen. Solche Schmerzen hatte ich noch nie in meinem Leben. Ich habe geweint. Ich entschloss mich, ins Krankenhaus zu gehen. Ja, ich bin gelaufen, obwohl ich dazu eigentlich nicht stark genug war. Ich habe mich überwunden und nur gedacht: Es ist jetzt eine Woche her, dass die Tante starb, und nun werden wir hier alle krank. Das muss die Krankheit sein, von der hier überall die Plakate herumhängen. Ebola, Ebola."
Kadiatu ist 26 Jahre alt, zweifache Mutter, über den Haaren trägt sie ein weißes Tuch. Sie ist Muslimin. Ihre Kinder werden bei den Nachbarn aufgenommen. Für Kadiatu beginnt eine Tortur – aber sie erhält Unterstützung.
"Sie standen da mit ihren Schutzanzügen und sagten: Ihr schafft das!"
"Die Schwestern und Ärzte kamen immer wieder zu uns. Sie haben uns ermutigt: Bleibt bei uns, redet mit uns. Sie standen da mit ihren gelben Schutzanzügen. Und sie haben uns vermittelt: Ihr schafft das! Aber es sind doch viele gestorben."
Nach einer Woche geht es ihr besser. Sie verspürt wieder Lebensgeist. Die Familienmitglieder, die sich ebenfalls bei der Beerdigung angesteckt haben, haben weniger Glück. Zwölf ihrer engsten Verwandten sterben an dem Virus. Die meisten von ihnen im gleichen Behandlungszentrum.
"Dass ich überlebt habe – das kann ich nur mit Gott erklären. Gott entschied einfach: ich soll nicht sterben."
Als klar war, dass Brima wieder gesund werden würde, bekam er hohen Besuch.
"Am Tag meiner Entlassung kam der Präsident, er sprach zu uns. Sie gaben uns einen Sack Reis und einen Sack Mehl. So Sachen halt, die uns zuhause helfen sollten."
Doch Brimas Zuhause hat sich verändert. Ebola löst in den Köpfen der Menschen panische Angst aus.
"Ich wurde von den Nachbarn stigmatisiert. Sogar von den meisten Freunden. Wir haben da so einen Platz, wo wir gerne am Abend hingehen. Aber sie haben es mir verboten sie zu begleiten. Ich habe versucht die Leute zu sensibilisieren, dass es mir besser geht als anderen. Ich habe Ebola überlebt, ich werde es nie wieder bekommen."
Die Gemeinde nimmt Kadiatu wieder auf
Auch wenn Brima heute immun gegen Ebola ist - es hilft nicht gegen die Angst der anderen. Brima musste sein Zuhause verlassen und zu einem Freund ziehen. Dort lebt er noch heute. Das verbittert ihn. Kadiatus Rückkehr verlief besser.
"Meine Gemeinde hat mich willkommen geheißen. Ich kam nachts zurück, sie haben mich aufgenommen. Sie kamen alle und viele von ihnen haben zu weinen begonnen. Sie haben mich wirklich gut aufgenommen."
Kadiatu hat ihre beiden Kinder wieder. Sie ist glücklich. Trotzdem hat sich ihr Leben verändert. Ihren Job als Sekretärin ist sie los. Auch Brima hat seinen Platz als Student an der Uni verloren. Aber er will einen Neustart wagen und sein BWL-Studium fortsetzen.
Kurzfristig haben die beiden eine ganz andere Anstellung gefunden: als Ebola-Überlebende sind sie immun gegen die Krankheit und damit ideale Pfleger. Im Beobachtungszentrum für Kinder steht Brima auf einer Veranda und trägt ein zweijähriges Mädchen auf dem Arm.
Es könnte Ebola haben. Denn ihre Eltern sind infiziert und ringen mit dem Tod. Das Kind muss 21 Tage in Quarantäne bleiben, isoliert von der Außenwelt. In der Zeit betreuen, pflegen und spielen Ebola-Überlebende mit den Kleinen. Gut für Brima, dass er helfen kann und gebraucht wird. Aber sein neuer Job isoliert ihn.
"Sogar einige aus meiner Familie meiden mich, seit ich diesen Job habe. Sie denken: das ist so ein Ebola Job, aber sie verstehen das nicht und sagen nur: Komme ja nicht zu uns nach Hause."
Ende Juni soll das Beobachtungszentrum für Kinder geschlossen werden. Dann, so die Hoffnung in Sierra Leone, wird es nicht mehr gebraucht.