Ebony Bones und Balbina

Sound-Architektinnen nach dem Do-it-yourself-Prinzip

05:33 Minuten
Die Sängerin Balbina auf der Bühne.
Die Sängerin Balbina auf der Bühne. © Getty Images / Frank Hoesch
Von Diviam Hoffmann |
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Frauen waren lange als Musikproduzentinnen unsichtbar. Ebony Bones irritierte das - dann fand sie doch Vorbilder. Auch für Balbina ist die Produktion fester Bestandteil der Musik, den sie nicht aus der Hand gibt.
Sie sind die Architektinnen der Songs und haben oft das letzte Wort. Das sagt Ebony Bones über die Rolle des Produzenten in der Musik - und es gilt natürlich auch für die Produzentinnen.
"Mit weniger als fünf Prozent gibt es ein großes Defizit von Frauen in der Musikproduktion und im Engineering", kritisiert sie. "Das heißt, die Leute, die entscheiden, was wir hören, repräsentieren nicht unbedingt diejenigen, die Musik hören und kaufen. Das ist ein Problem."
Drei Alben hat die britische Musikerin Ebony Bones schon herausgebracht, alle in Eigenregie geschrieben, aufgenommen und produziert. Zuletzt das bombastische "Nephilim".
Als Ebony Bones angefangen hat, Musik zu machen, hat sie sich am Do-it-yourself-Prinzip des Punk orientiert: Einfach anfangen und selber machen. Beim Produktionsaspekt fehlten ihr aber die weiblichen Vorbilder.
Ebony Bones auf der Bühne in London.
Ebony Bones auf der Bühne in London.© Getty Images / C Brandon
"Das hat mich am Anfang sehr nervös gemacht", erinnert sie sich. "Weil es schwer ist, etwas zu verkörpern, was man niemals sieht. Und ich hatte einfach nie von Produzentinnen gehört. Tatsächlich gab es aber einige: Kate Bush, Missy Elliott oder Linda Perry zum Beispiel. Diese Frauen werden aber nicht auf dieselbe Weise respektiert oder gefeiert wie männliche Produzenten."

Balbina: Produktion und Komposition sind eins

Auch die Berliner Musikerin Balbina hat sich das Produzieren selbst beigebracht. Dieses Jahr erschien ihr viertes Album "Punkt." auf ihrem eigenen Label.
"Für mich persönlich ist es schwierig, die Produktion von der Komposition zu unterscheiden", sagt sie. "Weil ich bin kein Songwriter, der mit der Gitarre zu Hause sitzt und einfach nur das Lied komponiert und sagt: 'Okay, welches Gewand machen wir da jetzt rein' oder 'Wie inszenieren wir das Lied?' Sondern bei mir läuft die Komposition schon auf einem sehr hohen Produktionslevel."
Trotzdem wird Balbina oft nicht zugetraut, alle Aspekte der Musikproduktion zu beherrschen. Auch anderen Sound-Architektinnen geht das so: der bereits erwähnten Missy Elliott etwa.
Missy Elliott prägte Mitte der 90er einen Hip-Hop-Sound, der bis heute seinesgleichen sucht. Oft bekommt für den Klang aber allein ihr Co-Produzent Timbaland die Anerkennung. Ähnlich geht es Björk, die oft nach der Arbeit ihrer männlichen Kollegen bewertet wird.
"Als wäre sie nicht der Head of Art bei sich", sagt Balbina

"Viel stärkere Künstleridentitäten"

Heute sind immer mehr Musikerinnen auch die Produzentinnen ihrer eigenen Musik, haben aber selten die Kontrolle über den Sound anderer Künstlerinnen und Künstler.
Wie vor 20 oder 30 Jahren bei Kate Bush, Björk oder Missy Elliott zeichnet sich auch der Sound von Grimes, St. Vincent, Balbina oder Ebony Bones durch Extravaganz aus. Und das widerspricht oft der glatt gebürsteten Massenkompatibilität des Pop.
"Die meisten Pop-Produzenten, die erfolgreich im Business arbeiten, haben immer das Problem, dass sie die Produktion für die Branche, für die Plattenlabels, wo sie angestellt sind, hörertauglich machen müssen", erklärt Balbina. "Und da wir grundsätzlich gar nicht die Chance bekommen haben, etwas hörertauglich zu machen, sind wir nie in die Position gekommen und deswegen haben wir viel stärkere Künstleridentitäten entwickelt. Das ist auch eine Chance gewesen!"
Mittlerweile sitzen viele Frauen auch im Produzentinnen-Sessel. Aber eben immer noch eher in ihrem eigenen. Um sich darüber hinaus etablieren zu können, müssen sie im männerdominierten Popgeschäft selbstbewusst für sich selber eintreten und genauso gut netzwerken wie Männer, sagt Balbina.

"Es wird besser!"

Denn noch immer gibt es für Frauen viele Hürden – sie bekommen beispielsweise weniger Angebote oder ihnen wird nicht das gleiche Vertrauen entgegengebracht.
Aber: "Diese Hürden werden weniger und die Abstände größer", sagt Balbina. "Und das ist es wert. Für die nächste Generation, für die übernächste. Ich mache seit 20 Jahren Musik und ich merke, es wird besser!"
Diesen Wandel beobachtet auch Ebony Bones: Der Markt werde sich langsam, aber sicher auch für Produzentinnen öffnen. Solange es Vorbilder wie sie oder Balbina gibt.
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