Echo-Kontroverse

Auch die Klassik-Szene ist erschüttert

Daniel Barenboim dirigiert ein Orchester.
Auch der Dirigent Daniel Barenboim hat seine Echo-Auszeichnung zurückgegeben. © dpa / picture alliance / Mohamed Omar
Rainer Pöllmann im Gespräch mit Carsten Beyer |
Nach dem umstrittenen Echo für Kollegah und Farid Bang haben zahlreiche Musiker ihre Auszeichnungen zurückgegeben - auch und gerade Preisträger des vom Skandal eigentlich nicht betroffenen Echo Klassik. Musikredakteur Rainer Pöllmann analysiert die Lage.
Das Notos Quartett hatte als erstes reagiert und seinen Preis zurückgegeben. Viele weitere Musiker aus dem Bereich der klassischen Musik sind dem Beispiel mittlerweile gefolgt: so der Pianist Igor Levit, aber auch die Dirigenten Christian Thielemann, Mariss Jansons und Daniel Barenboim, der in seiner Karriere nicht weniger als sieben Echos gewonnen hat.
"Bemerkenswert" findet es Rainer Pöllmann, Musikredakteur bei Deutschlandfunk Kultur, "dass sich so viele Preisträger des Echo Klassik herausgefordert fühlen, ganz egal wie sie sich letzten Endes dann entscheiden." Dass auch klassische Musiker ihren Echo zurückgeben, zeige, dass die angeblich so weltferne Klassik doch aus ziemlich politisch denkenden Künstlern bestehe, führte er weiter aus. Zumal dieser Preis vom eigentlichen Skandal gar nicht betroffen sei.
"Dass ein Künstler wie Daniel Barenboim, der sein Leben lang für die Aussöhnung zwischen Israel und den arabischen Nachbarn gekämpft hat, mit seinem West-Eastern Divan Orchestra seit Jahren für eine ganz intensive kreative gemeinsame Arbeit von jüdischen und arabischen Musikern sorgt, sich von so etwas angegriffen fühle, sollte einen nicht verwundern."

Kein moralischer Druck

Allerdings gibt es auch Musiker die sich bewusst anders entschieden haben: Das Gewandhaus Leipzig hat bekannt gegeben, dass es seine drei Echos behalten werde, da der Echo Klassik, anders als der Echo Pop, von einer Jury verliehen und nicht aufgrund von Verkaufszahlen vergeben werde. Rainer Pöllmann kann dies zum Teil nachvollziehen:
"Man muss sich davor hüten, einen moralischen Druck zur Rückgabe aufzubauen. Jedem Preisträger ist es unbenommen, diesen Preis für unannehmbar zu halten – oder eben gerade nicht. Zunächst einmal ist der Echo Klassik eine Auszeichnung für die musikalische Arbeit eines Künstlers, einer Musikerin oder eines Ensemble. Dass man darauf nicht leichtfertig verzichtet, dafür habe ich volles Verständnis."
Was die Unterschiede bei der Ermittlung der Preisträger angehe, so spielten kommerzielle Gesichtspunkte beim Echo Pop in der Tat eine wesentlich größere Rolle. "Aber letztendlich ist auch der Echo Klassik ein Preis der Phonoindustrie an die Phonoindustrie. In der elfköpfigen Jury sitzen fünf Vertreter großer oder nicht ganz so großer Plattenfirmen, dazu einige Journalisten, deren persönliche Integrität und Unabhängigkeit ich nicht infrage stellen will, die aber teilweise durch die Abhängigkeit ihrer Publikationsorgane von Anzeigen der Phonoindustrie eben doch nicht so ganz unabhängig sind."

Kein wirklich unabhängiger Preis

Auch die Programme des Deutschlandradios sind von der Debatte betroffen. Allein im Jahr 2017 wurden fünf Produktionen ausgezeichnet, bei denen Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur Koproduzenten waren, darunter auch die Aufnahme des Notos Quartetts:
"Zunächst einmal gilt der Echo Klassik ja den Künstlern und nicht Produzenten. Deutschlandfunk Kultur hat also keinen Echo Klassik für seine Arbeit bekommen. Aber wir haben natürlich die Arbeit von Künstlern durch unsere Koproduktionstätigkeit unterstützt, die letzten Endes mit einem Echo Klassik ausgezeichnet wurden", sagte Pöllmann.
Auch in diesen Fällen sei es natürlich die jeweils eigene Entscheidung der Künstlerinnen und Künstler, wie sie sich zu diesem Preis verhielten. Ansonsten werde mit Auszeichnungen durch einen Echo Klassik im Deutschlandfunk Kultur eher zurückhaltend umgegangen: "Einerseits freuen wir uns natürlich, dass diese Arbeit, die wir für wichtig halten und die auch nicht das Mainstreamrepertoire betrifft, sondern Werke, die ohne uns nicht aufgenommen würden, eine größere Publizität erhält. Uns ist aber auch klar, dass dieser Preis kein wirklich unabhängiger Preis ist."

Wie kann es weitergehen?

Zur Frage, ob der Echo Klassik durch die aktuelle Debatte um die Phonoindustrie dauerhaft beschädigt werde, kann Rainer Pöllmann nur Vermutungen anstellen:
"Ich kann mir eigentlich nur schwer vorstellen, dass der Echo Klassik unverändert weiterverliehen werden kann. Ich würde mir wünschen, dass die Phonoindustrie daraus die Konsequenz zieht und nicht nur das Ganze neu benennt, sondern einen wirklich unabhängigen Preis, in ihrem Namen und auch auf ihre Kosten, auslobt."
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