Eckhard Deutscher (OECD): Biosprit ist eine "Sackgasse"

Moderator: Hanns Ostermann |
Angesichts stark gestiegener Lebensmittelpreise in Entwicklungsländern hat der Vorsitzende des Entwicklungsausschusses der OECD, Eckhard Deutscher, ein Ende der Biosprit-Produktion gefordert. Ein Liter Biosprit bringe gerade mal so viel Energie, wie man für seine Erzeugung brauche.
Hanns Ostermann: Die Gefahr, dass soziale Unruhen weltweit zunehmen, ist also groß. Was muss die internationale Gemeinschaft dringend unternehmen? Darüber möchte ich jetzt mit Eckhard Deutscher sprechen. Er ist neuer Vorsitzender des Entwicklungsausschusses der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Zuvor war er Exekutivdirektor der Weltbank. Guten Morgen, Herr Deutscher!

Eckhard Deutscher: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Wenn die Preise für Nahrungsmittel weltweit in nur neun Monaten um 40 Prozent gestiegen sind, dann gibt es keine einfachen Erklärungen. Trotzdem: Sind die hohen Ölpreise oder die schlechten Ernten, sind das die entscheidenden Gründe?

Deutscher: Sie haben Recht, Herr Ostermann. Es gibt eine Kombination von Gründen und nicht nur einen einzigen Grund. Die Preise haben sich verdoppelt, sogar verdreifacht. Das ist hart für die Familien in den Entwicklungsländern, wo teilweise mehr als die Hälfte des Einkommens für Nahrung verwendet werden muss. Es gibt langfristige Trends. Ich sehe drei Trends. Einmal ist es das veränderte Nahrungsverhalten gerade in den Schwellenländern. Stichwort: weniger Reis. Es wird mehr Fleisch gegessen. – Es sind in der Tat die Ölpreise und die Energiepreise. Landwirtschaftliche Produktion: hier braucht man Traktoren, hier braucht man Energie. Und nicht zuletzt auch die erhöhten Transportkosten, um die Nahrungsmittel zum Verbraucher zu bringen. Schließlich sind es auch die Klimaveränderungen. Ich erinnere daran: Australien als der zweitgrößte Weizenexporteur hat unter einer extremen Trockenheit zu leiden. Das sind also drei Gründe, die wichtig sind. Und die Ölpreiserhöhungen, lassen Sie mich kurz darauf noch eingehen, die werden ja auch durch den Energiehunger der Schwellenländer China oder Indien in die Höhe getrieben. Das macht es alles deutlich, wie komplex die Situation ist, und es macht auch deutlich: Wer jetzt noch nicht aufwacht und diese Komplexität nicht sieht, der verschläft auch die anstehenden Krisen, vor denen wir stehen.

Ostermann: Was kann die internationale Gemeinschaft denn jetzt wenigstens kurzfristig machen, um die Not zu lindern? Die Zeit läuft uns doch davon.

Deutscher: Die Zeit läuft uns davon. Das Welternährungsprogramm hat um eine Soforthilfe gebeten oder darum ersucht, dass die internationale Gemeinschaft dringend 500 Millionen Dollar zur Verfügung stellen muss, aber das reicht nicht aus. Wir haben insbesondere drei mittelfristige Probleme zu lösen. Es gibt einen Mythos, was den Biosprit und das Ethanol angeht. Um einen Liter Ethanol zu produzieren, das ist so teuer wie der Aufwand für die Produktion von einem Liter. Wir brauchen also so viel Energie, um einen Liter Ethanol zu erzeugen. Im Prinzip ist das eine Sackgasse. Zweitens, das ist ein lang anhaltendes diskutiertes Problem, die Waldrodung, um mehr Produktionsflächen für Ethanol oder für Biosprit zu erlangen. Das ist ein Wahn, der hier eingetreten ist. Wir müssen das umkehren. Und schließlich die Subventionen, die landwirtschaftlichen Subventionen, um diesen Wahn zu bremsen, das muss auch gestoppt werden.
Wir brauchen also unmittelbar mehr Finanzhilfe. Wir brauchen ein Zurückfahren des Biosprits und des Ethanols. Das ist eine Sackgasse in der internationalen Politik, wie sich mehr und mehr herausstellt. Wir brauchen mehr Landwirtschaftsförderung und Agrarhilfen für die Bauern in Entwicklungsländern. Dazu gehört auch, dass wir mehr in Infrastrukturen investieren müssen. Das hat ja die G8-Entwicklungsministerrunde in Tokio in der letzten Woche auch so beschlossen, hier mehr zu tun. Das heißt letztlich auch – und hier sind auch Entwicklungsländer gefordert -, mehr für die politischen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu sorgen. Es gibt nämlich das Problem: Je mehr die Landwirte jetzt glauben, von dieser Entwicklung profitieren zu müssen, und je mehr die Preise in die Höhe gehen, desto mehr schneidet man sich ins eigene Fleisch, da ja die eigenen Märkte und die Märkte in den Entwicklungsländern weniger versorgt werden. Eine solche Politik ist also langfristig nicht haltbar.

Ostermann: Herr Deutscher, weltweit sollte die Zahl der Hungernden bis 2015 halbiert werden, so das Ziel des Millenium-Gipfels. Bei den Problemen, die Sie gerade skizziert haben, kann das realistisch überhaupt noch erreicht werden?

Deutscher: Ich meine, es kann erreicht werden. Wir wissen, dass wir insbesondere in Afrika, südlich der Sahara, Probleme haben, aber hier bedarf es erneuter Anstrengungen. Die internationalen Aufwendungen für die Entwicklungszusammenarbeit haben stagniert. Ich habe in der letzten Woche den Bericht der OECD vorgestellt. Wir brauchen neue Anstrengungen für die Entwicklungszusammenarbeit. Hier gibt es auch internationale Zusagen dafür. Die internationale Gemeinschaft ist sich darüber bewusst. Ich spreche auch insbesondere die G7 an. Die Staatschefs haben eindeutige Erklärungen unterzeichnet, so genannte Commitments gemacht. Ich nenne nur Glenn Eagle oder die UN-Versammlung von dem Jahre 2005. Diese Versprechungen müssen eingehalten werden. Und Finanzminister – ich sage es mal so deutlich – können nicht die Beschlüsse der Staatschefs unterlaufen, nur, was wichtig genug ist, um die eigenen Haushalte zu konsolidieren. Das ist die vornehmste Aufgabe der Finanzminister, ich weiß das. Es gibt aber auch strategische Investitionen in die Zukunft und dem können sich Finanzminister nicht verschließen.

Ostermann: Eckhard Deutscher, der Vorsitzende des Entwicklungsausschusses der OECD. Danke für das Gespräch im Deutschlandradio Kultur.