Eckhard Deutscher verlangt Kurswechsel bei der Weltbank

Moderation: Hanns Ostermann |
Nach dem Rücktritt des Weltbankpräsidenten Wolfowitz hat der Exekutivdirektor der Weltbank, Eckhard Deutscher, eine neue Strategie für die Institution gefordert. Eine der Zukunftsaufgaben bestehe darin, die Schwellenländer stärker einzubeziehen, sagte Deutscher.
Hanns Ostermann: "Und ist der Ruf erst ruiniert …" - jeder kennt diesen Spruch, der nicht nur im Privaten, sondern auch im öffentlichen Raum gilt. Paul Wolfowitz ist das letzte prominente Beispiel, der Präsident der Weltbank. Er stolperte über eine saftige Gehaltserhöhung, die er seiner Lebensgefährtin genehmigte. Jetzt wird ein Nachfolger gesucht und zugleich darüber diskutiert, welchen Kurs das ehrwürdige Institut steuern muss. Ich freue mich, dass wir jetzt im Deutschlandradio Kultur mit Eckhard Deutscher verbunden sind, er ist Exekutivdirektor der Weltbank. Guten Morgen, Herr Deutscher.

Eckhard Deutscher: Guten Morgen!

Ostermann: Die Weltbank sei durch die Affäre beschädigt worden, haben Sie als Chef der Untersuchungskommission gesagt. Er verstieß gegen Ethik und Personalvorschriften. Bezieht sich Ihre Kritik auch auf das so genannte Wolfsrudel, denn Wolfowitz brachte wohl jede Menge Mitarbeiter mit?

Deutscher: Ja, in der Tat. Es ist nicht nur die saftige Gehaltserhöhung für seine Lebensgefährtin gewesen, sondern auch sein Managementstil. Er hat sich von Anfang an drei Mitarbeiter mitgebracht aus dem Pentagon beziehungsweise aus dem Weißen Haus, die allesamt wenig oder gar keine Erfahrung in der Internationalen Entwicklungszusammenarbeit haben, aber auch keine Qualitäten hatten, was die Kommunikation in die Weltbank hinein angeht. Er hat sich eingemauert, er hatte seine Prätorianergarde und hat mit dieser Prätorianergarde ein Klima geschaffen, das völlig ungewohnt war, nämlich die Weltbank intern arbeitet sehr offen, kommunikativ und horizontal und hier hat Paul Wolfowitz einen seiner entscheidenden Fehler gemacht über diese Gehaltserhöhung hinaus.

Ostermann: Wolfowitz wirkte da also kontraproduktiv, denn man sollte sich schon vor Augen führen, dass in der Weltbank eine Belegschaft arbeitet, die sich aus 120 Ländern zusammensetzt. Die Bank, und das ist ihr Pfund, mit dem sie wuchern kann, bringt also Geld und Wissen zusammen und dieses Wissen, in den letzten zwei Jahren etwa, dieses Wissen wurde nur unzureichend abgerufen.

Deutscher: Ja, in der Tat. Der Präsident hatte sich am Anfang schwer getan mit einer neuen Strategie. Es fehlte so etwas wie eine Vision. Erst im Januar hat er mit dem Direktorium versucht, eine neue Strategie in die Wege zu leiten, aber das kam zu spät. Zumal auch die Prätorianergarde es verhindert hat, eine solche Strategie rechtzeitig ins Leben zu rufen, aber das ist jetzt nicht zu spät, wir müssen jetzt nach vorne schauen. Der neue Präsident hat hier genau seine Aufgabe. Erstens, die Kommunikation zu verbessern, die Mitarbeiter zu motivieren, das Wissen abzurufen und zu kanalisieren in Geld und auch in Investitionen in Entwicklungsländern und auch das Wissen zu pflegen. Das ist eine der Herausforderungen, die der neue Weltbankpräsident zu bestehen hat.

Ostermann: Herr Deutscher, die Weltbank tat und tut viel Gutes, indem sie zahlreiche Projekte unterstützt. Sie stand aber auch immer wieder in der Kritik. "Wir retten uns zu Tode", so hat das einmal ein Wirtschaftswissenschaftler formuliert. Die Strategien bei der Armutsbekämpfung seien falsch. Ist das ein berechtigter oder ein zu pauschaler Vorwurf?

Deutscher: Ich finde den Vorwurf zu pauschal. Richtig ist auf der einen Seite die vor fünf Jahren in die Wege geleitete so genannte "Pariser Agenda", die Harmonisierungsagenda. Dass also die internationale Gebergemeinschaft besser zusammenarbeitet, hat bisher kaum funktioniert. Und auch die Weltbank hätte hier viel mehr tun müssen und muss auch in der Zukunft mehr tun. Die europäischen Exekutivdirektoren sind im Februar – um nur ein Beispiel zu nennen – bei der Europäischen Kommission gewesen und wir haben festgestellt: Es gibt so eine Vielzahl von Kooperation, es gibt aber keine Strategie, wo man die Mittel bindet und gezielt und zielgerichtet einsetzt. Und genau das gleiche müsste eben auch passieren über Europa hinaus, die Zusammenarbeit also mit der Europäischen Union, sondern mit der Internationalen Gebergemeinschaft. Auf der anderen Seite: Die Abschaffung der Entwicklungszusammenarbeit, wie das verschiedentlich gefordert wird, halte ich für illusionär. Viele Entwicklungsländer sind nach wie vor angewiesen, gerade die schwächeren Einkommensländer sind nach wie vor auf internationale Zusammenarbeit angewiesen, nicht mehr die so genannten Schwellenländer wie China, Indien, Mexiko, Brasilien. Das sind auch die größten Kunden der Weltbank und gleichzeitig ist das auch die größte Herausforderung der Weltbank, sich attraktiv für diese Länder zu machen, dass also die Länder, die von dem Geld der Weltbank nicht abhängig sind, sagen: Ja, hier verbinden sich Investitionen und das Wissen, um Wirtschaftswachstum zu fördern, aber auch um gesellschaftliche Entwicklungsprojekte erfolgreich umzusetzen. Da kann die Weltbank weiterhin und wird sie auch weiterhin attraktiv sein.

Ostermann: Aber die Frage ist doch, ob die Tiger ausreichend mit am Tisch sitzen! Also, sind die Stimmverhältnisse zwischen Geber- und Nehmerländern noch zeitgemäß?

Deutscher: Sie haben völlig Recht. Die Bundesregierung hat sich seit Jahren dafür eingesetzt, gerade auch die Entwicklungsländer, bessere Stimmanteile in der Weltbank zu ermöglichen. Es hängt natürlich damit zusammen, dass die Anteilseigner, die größten Anteilseigner – wie also die USA, auch Deutschland, europäische Länder, Frankreich und England – am stärksten an der Weltbank beteiligt sind und dabei auch natürlich die Solidität, die finanzielle Solidität der Weltbank garantieren. Auf der anderen Seite: Ohne das, was wir in der Weltbank OwnerShip nennen, also die Mitbeteiligung, die Mitsprache – auch im Management – seitens der Entwicklungsländer ist unterentwickelt und hier muss mehr getan werden. Das sind Zukunftsaufgaben, auch das Länder wie China, Indien, mehr beteiligt werden an den multilateralen Strukturen, auch an der Weltbank, das steht außer Frage. Die Schwierigkeit ist nur, wie kriegt man das hin?

Ostermann: Was könnte denn Deutschland – derzeit mit dem Ratsvorsitz in der Europäischen Union und drittgrößter Geldgeber – was könnte Deutschland zusätzlich noch tun, um die Reformen voranzutreiben?

Deutscher: Deutschland hat einiges getan in der Vergangenheit, und ich sagte eben, mit der Förderung, dass die Entwicklungsländer selber mehr Mitsprache an den Strukturen in der Weltbank bekommen … Ich halte ein Modell, was die deutsche Ratspräsidentschaft jetzt in die Wege geleitet hat, auch als attraktiv für die internationale Zusammenarbeit, nämlich Beispiel zu geben, wie man besser und mehr koordinieren kann. Das ist ja einer der Kernpunkte der europäischen, der deutschen Ratspräsidentschaft in der EU, dass die Arbeitsteilung klar definiert wird. Wer besser … ich nenne mal ein Beispiel: Wer in dem Wassersektor in einem bestimmten Land besser ist als ein anderer – also Deutschland ist hier beispielsweise sehr stark gegenüber den nordischen Ländern – dann sollten die nordischen Ländern in andere Bereiche gehen und umgekehrt, wo sie stark sind, sollte Deutschland sich zurückziehen. Also, diese Fragen der Arbeitsteilung – diese ist lange überfällig –, die hat Deutschland jetzt angegangen in Europa und das müsste weltweit ein Modell sein. Hier hat Deutschland einiges bereits geleistet und wird es auch weiter tun.

Ostermann: Herr Deutscher, würden Sie mit mir eine Wette eingehen, dass ein Amerikaner neuer Weltbankpräsident wird, oder hat Tony Blair Außenseiterchancen?

Deutscher: Also, ich tippe nicht auf Tony Blair, aber ich glaube, dass es ein Amerikaner wird, der der nächste Weltbankpräsident ist.

Ostermann: Eckhard Deutscher war das, Exekutivdirektor der Weltbank. Wir sprachen mit ihm in den USA. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch im Deutschlandradio Kultur.