Janko Lauenberger, Juliane von Wedemeyer:
"Ede und Unku - die wahre Geschichte - Das Schicksal einer Sinti-Familie von der Weimarer Republik bis heute"
Gütersloher Verlagshaus, 20 Euro
Vom Leiden am vergessenen Holocaust
In "Ede und Unku: Die wahre Geschichte" erzählt Janko Lauenberger das bekannte Buch über eine Sinti-Familie in der Weimarer Republik weiter. Dabei geht es auch um seine eigenen Ausgrenzungserfahrungen als Sinto in der DDR.
Was für eine verwobene Geschichte: Die kommunistische Journalistin und Kinderbuchautorin Grete Weiskopf veröffentlichte im Jahr 1931 unter ihrem Pseudonym Alex Wedding ein Buch mit dem Titel "Ede und Unku" – die Geschichte einer Freundschaft zwischen dem Arbeiterkind Ede und seiner Freundin Unku, die aus einer Sinti-Familie stammt. Es war eine ausgeschmückte und politisch angereicherte Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruhte und authentische Personen schilderte. Der Band war illustriert von dem progressiven und innovativen Grafiker John Heartfield, der Grete Weiskopfs politische Haltung teilte. Dieses Buch wurde 1933 verboten – und war eines der Werke, die Opfer der Bücherverbrennungen wurden.
In der DDR wurde die Geschichte von Ede und Unku ergänzt, neu aufgelegt und später auch verfilmt – sie erzählt diesmal nicht allein eine Liebesgeschichte, sondern von nationalsozialistischer Verfolgung eben dieser als "minderwertig" betrachteten Menschen und der Ermordung von mehr als 20.000 Roma und Sinti in Auschwitz. Das ist die eine Geschichte.
Erzählebenen sind nur holprig verbunden
Die zweite Geschichte beginnt nach dem Krieg. Unku wurde im KZ Auschwitz ermordet – doch einige wenige entfernte Verwandte überlebten die NS-Zeit. Zu den Nachfahren dieser Familienmitglieder zählt Janko Lauenberger. Er ist einer der Co-Autoren dieses neuen Buches über Ede und Unku. Er erzählt darin seine eigene Geschichte: Lauenberger ist Jazzmusiker, 1976 geboren als einer von etwa 300 Sinti in der DDR. Hier wuchs er auf und – bekam schließlich auch das Buch von Ede und Unku in die Hand. Er erfuhr, dass Unku die Cousine seiner Großmutter war. Hier berühren sich die Geschichten.
Der Band versucht, beide Geschichten verschränkt zu erzählen: Einerseits berichtet also Lauenberger aus der Ich-Perspektive über seine Jugend in der DDR und zugleich rekonstruiert eine zweite, quasi neutrale Autorin Juliane von Wedemeyer das Schicksal von Unku, ihre Deportation und ihren Tod. Das ist ein schwieriges Unterfangen. Die Passagen unterscheiden sich in Schrifttyp und Stil, aber sie sind zu unterschiedlich – und fügen sich nicht zu einem harmonischen Ganzen. Zumal nicht klar ist, an welche Zielgruppe sich das Buch richtet: Manches wird – wie im Jugendbuch – im Verlauf der Handlung erklärend mitgeliefert, anderes vorausgesetzt, etwa wenn von Adolf Hitler als dem "brüllenden Mann mit dem Bärtchen, der jetzt Reichskanzler ist" die Rede ist.
Historisch nicht fehlerfrei
Manche Stellen sind dokumentarisch nacherzählt, historisch leider nicht fehlerfrei. Andere Passagen sind sehr subjektiv geprägt. Und schließlich tauchen auch noch fiktive Elemente auf, etwa wenn die Autorin im Detail sehr emotional beschreibt, wie Unku mit ihren Kindern kuschelt. Oder gekuschelt haben könnte. Denn wir wissen es nicht. Das ist zwar gut gemeint, weil es die wenigen Spuren, die von Unku vorhanden sind, illustrieren soll, wirkt aber wenig glaubhaft und sticht, weil es sprachlich übertrieben wird, heraus. Vor allem steht die Fiktion im Kontrast zur Rekonstruktion und zu den authentischen Erlebnissen von Lauenberger – der aus eigenem Erleben schildert, zum Beispiel wie er litt, als er als Kind gegen den eigenen und gegen den Willen seiner Eltern für sieben Monate zwangsweise in ein Kinderheim gesteckt wurde.
Dennoch: Unbedingt erzählenswerte Geschichte(n)
Gleichwohl sind beide Geschichten unbedingt wert, erzählt zu werden: Immer noch leiden Roma und Sinti unter dem "vergessenen Holocaust", der an ihren Familien verübt wurde – immer noch leiden sie unter Unwissen, Stereotypen und Vorurteilen.
Wenig ist bekannt über das Leben der Minderheit der Roma und Sinti in der DDR, über ihr Leben als Schausteller und Musiker, über alltägliche Diskriminierung und staatliche Bevormundung, das latente Misstrauen gegenüber Menschen mit anderer Prägung – oder, was Lauenberger immer wieder erwähnt, mit dunkler Hautfarbe.
Lauenberger schildert eindrücklich das Bemühen seiner Verwandten, die den Nationalsozialismus überlebt hatten, als Opfer des Faschismus offiziell anerkannt zu werden. Als auf dem Berliner Friedhof Marzahn zur Erinnerung an die Opfer eines NS-Zwangsarbeiterlagers für "Zigeuner" ein Gedenkstein enthüllt wurde, erfuhr seine Familie nur zufällig davon. Sie erlitt vielfach Diskriminierung und Schikanen. Lauenberger berichtet ausführlich von alltäglicher Ausgrenzung und seinem dringlichen Wunsch, doch dazugehören zu wollen: "Viele von uns tragen Angst in sich."