Edmund Jacoby: "Weltsprache Europäisch"

Die Sprachen sind Geschwister

10:28 Minuten
Porträtaufnahme von Edmund Jacoby
Edmund Jacoby hat in den vergangenen 25 Jahren elf Bücher geschrieben und einen eignen Verlag gegründet. © Melodie-Fenez
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Autor und Verleger Edmund Jacoby beklagt, dass Sprache in Konflikten zur Begründung für Nationalismus wird. Seiner Ansicht nach gibt es dafür keine Basis - und doch geschehe es immer wieder, nun in der Ukraine. Er nennt aber auch ein Positivbeispiel.
Edmund Jacoby ist sowohl Autor als auch Verleger und geht als solcher tagtäglich mit Wörtern um. Nun hat er sich für sein Buch "Weltsprache Europäisch. Eine Kulturgeschichte unserer Wörter" detailliert und intensiv mit Wörtern und Wortfeldern in ihrem europäischen Kontext beschäftigt.

Betonung auf Austausch

"Die Idee ist, dass Nationalsprachen ziemlich künstliche Gebilde sind", sagt der promovierte Philosoph. "Es geht immer darum, dass Leute in einem Herrschaftsbereich versucht haben, ihre Dialekte zu standardisieren. Das wurden dann irgendwann die Nationalsprachen."
Jacoby betont die Gemeinsamkeiten statt der Unterschiede und den Austausch statt der Abschottung. "Es gibt einen gemeinsamen kulturellen Hintergrund. Das ist die europäische Antike, die noch immer lebendig ist, zum Beispiel in der Sprache der Wissenschaft, die Lateinisch und Griechisch ist", hebt der 74-Jährige hervor.
"Die Sprachen haben sich immer miteinander weiterentwickelt", betont er. "Viele Wörter, die wir urdeutsch finden, sind zum Beispiel Lehnwörter nicht nur aus dem Lateinischen, sondern auch aus modernen, anderen Sprachen."

Kein Nationalismus aus Sprache begründbar

Jacoby nimmt sich in dem Buch in zehn Kapiteln Bedeutungsfelder von Körper bis Religion vor und folgert aus seiner Erkenntnis, dass sich in Europa aus Sprachen kein Nationalismus begründen lasse. Er konzediert aber zugleich, dass das immer wieder getan werde. Es geschehe immer, wenn es Konflikte gebe.
Als Beispiel nennt er die Ukraine: "Die Ukrainer setzen jetzt - und das ist die Folge des russischen Angriffs - das Ukrainische als die allgemeine Sprache der Ukraine durch, obwohl die meisten Ukrainer auch Russisch können und viele Russisch als Muttersprache haben."
"Das ist die Folge des Angriffs, der also zum 'nation building' in der Ukraine führt", fährt Jacoby fort. "Umgekehrt verliert das Russische seine Bedeutung so, wie das Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg seine Bedeutung als Weltsprache verloren hat."

Positivbeispiel Schweiz

Das beste Beispiel dafür, wie Sprachnationalismus fürchterliche Ausmaße angenommen habe, sei der Balkan schon seit dem 19. Jahrhundert und zuletzt die Kriege ebendort Ende des 20. Jahrhunderts im ehemaligen Jugoslawien: "Jetzt gibt es kein Serbokroatisch mehr, sondern Serbisch und Kroatisch sollen unterschiedliche Sprache sein."
Jacoby nennt aber auch ein positives Beispiel für ein friedliches Nebeneinander der Sprache in einem Staat über lange Zeit: "Die Schweiz ist historisch ein Teil des Heiligen Römischen Reiches gewesen. Das Heilige Römische Reich hat das Königtum Deutschland, das Königtum Italien und das Königtum Burgund vereint. Diese drei Sprachen gibt es nach wie vor in der Schweiz. Die verstehen sich also prächtig", schlussfolgert Jacoby und erklärt die Schweiz zum Vorbild für Europa.
(mfu)

Edmund Jacoby: "Weltsprache Europäisch. Eine Kulturgeschichte der Wörter"
Europa-Verlag, 2022
480 Seiten, 42 Euro

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