Edna O'Brien: "Die Fünfzehnjährigen"

Jung, lebensfroh und rebellisch

Buchcover Edna O’Brien: „Die Fünfzehnjährigen". Im Hintergrund eine Straße, die durch die irische Hügellandschaft führt.
Cait und Baba sind neugierig und stark – viel stärker als die Männer in Irland zu jener Zeit. © Atlantik Verlag / imago/Mint Images
Von Carsten Hueck · 30.11.2018
Unanständig und obszön, so urteilte die Zensur in Irland 1960 über Edna O’Briens Debütroman. Über 50 Jahre später liegt die Geschichte zweier rebellischer, junger Frauen in einer deutschen Neuübersetzung vor. Ein glasklares und poetisches Buch.
Die Irin Edna O‘Brien debütierte als Schriftstellerin vor mehr als einem halben Jahrhundert. Ihr literarisches Werk ist umfassend: Romane, Gedichte, Theaterstücke, Drehbücher und Sachbücher hat sie verfasst, als 80-Jährige legte sie ihre Memoiren vor. Im Jahr 2015 gelang der Grand Dame der irischen Literatur mit "The Little Red Chairs" (deutsch 2017: "Die kleinen roten Stühle") noch einmal ein gewaltiger Wurf, von Kollegen wie Philip Roth und Joyce Carol Oates als Meisterwerk gefeiert, von der Autorin augenzwinkernd als "letztes Festmahl" bezeichnet.
Mitte Dezember feiert Edna O’Brien ihren 88. Geburtstag, für das kommende Jahr ist die Veröffentlichung ihres neuesten Werkes angekündigt. Damit die Zeit bis dahin nicht zu lang wird, erscheint nun noch einmal ihr Debütroman aus dem Jahr 1960, "The Country Girls", zu Deutsch "Die Fünfzehnjährigen".

Das Buch rief die Zensur auf den Plan

Drei Wochen brauchte Edna O’Brien damals, um diese Coming-of-age-Geschichte zu schreiben. Die Folgen waren gewaltig. Die Zensur in Irland stufte, unter maßgeblicher Mitwirkung des Erzbischofs von Dublin, "Die Fünfzehnjährigen" als unanständig und obszön ein. O’Briens Familie fühlte sich verraten, die Autorin verließ ihre Heimat und lebte fortan in London – wo ihr Buch gedruckt und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. O’Brien wurde ihrem Ruf als unerschrockene, die Gefühlswelt von Frauen freizügig schildernde Autorin auch mit ihren folgenden Romanen gerecht, sie selbst zum Symbol des Kampfes irischer Frauen, die unter der konservativen, ultrareligiösen und frauenfeindlichen Gesellschaft jener Tage litten.
"Die Fünfzehnjährigen" sind die beiden Teenager Cait und Baba. Als Caits Mutter verunglückt und ihr trunksüchtiger Vater das Haus verkaufen muss, zieht sie zu Baba, der Tochter des lokalen Tierarztes. Cait ist intelligent und sanftmütig, Baba provozierend und snobistisch. Die beiden hängen aneinander, obwohl sie nicht zueinander passen. Gemeinsam kommen sie auf eine Klosterschule, schaffen es, dort bald wieder rausgeschmissen zu werden und beginnen im "neonbunten Märchenland" Dublin eine Ausbildung. Die Mädchen vom Lande genießen in der Großstadt ihre Freiheit . Zwar gehen sie noch zur Beichte, aber sie trinken und rauchen, tragen Nylonstrümpfe, schwarze Unterwäsche und treffen sich mit älteren Männern.

Poetisch, glasklar und unbeirrbar

O’Brien zeigt ihre Protagonistinnen in natürlicher Unverdorbenheit, in ihrer Lebenslust und Neugier. Die Männer hingegen – schwach und gewalttätig, gefangen im Klischee von Männlichkeit – sind eher bedauernswert als abscheuerregend.
Die gesellschaftlich-moralischen Koordinaten, innerhalb derer die Romanfiguren agieren müssen, mögen heute kaum noch nachvollziehbar sein. Dass "Die Fünfzehnjährigen" mehr als 50 Jahre nach dem ersten Erscheinen, dennoch nicht angestaubt wirkt, ist O’Briens Fähigkeit zu verdanken, in glasklarer, poetischer Sprache von Menschen zu erzählen, die unbeirrbar ihre Individualität behaupten. Mit großer Souveränität gestaltet O‘Brien das Nebeneinander von Zärtlichkeit und Derbheit, Emotion und Intellekt.

Edna O’Brien: "Die Fünfzehnjährigen"
Aus dem Englischen von Stefanie Jacobs
Mit einem Vorwort von Eimear McBride
Atlantik Verlag, Hamburg 2018
282 Seiten, 10 Euro

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