Eduard von Keyserling: Fürstinnen
Manesse Verlag, Zürich 2017
317 Seiten, 19,95 Euro
Sinn und Sinnlichkeit im Baltikum
Hinreißende weibliche Heldinnen spielen in diesem Roman die literarische Hauptrolle. Mit großem Stilbewusstsein porträtiert Eduard von Keyserling in "Fürstinnen" den Untergang des baltischen Adels am Anfang des 20. Jahrhunderts.
Die Fürstin hat heiratsfähige Töchter und andauernde Geldsorgen, und - sie ist immer noch schön:
"Die bräunliche Blässe des schmalen Gesichtes hatte etwas wie einen matten Bronzeglanz, die Züge waren von wunderbar ruhiger Regelmäßigkeit, und aus den großen braunen Augen schaute das träge Pathos byzantinischer Madonnen."
Eduard von Keyserling – dieser immer noch unterschätzte Autor der deutschen Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts – beschreibt ganz am Anfang dieses Romans das attraktive Äußere der Fürstinmutter und lässt dabei die innere Verfassung aufscheinen. Trägheit und Fügsamkeit, das hat das Leben dieser Frau ausgezeichnet, die nach dem Tod ihres lebenslustigen Mannes sich begnügen, die sich anstrengen muss, um ihre drei Töchter standesgemäß zu erziehen und vor allem: zu verheiraten.
Vom Ende der kurländisch-livländischen Aristokratie
Der Autor, selber Spross einer baltischen adligen Familie, porträtiert einfühlsam und klug und mit großem literarischen Stilbewusstsein den Untergang und die Besonderheit einer Gesellschaftsschicht Anfang des 20. Jahrhunderts - das Absterben der kurländisch-livländischen Aristokratie.
Und er zeichnet eindrückliche Frauenfiguren: Zwei der Töchter fügen sich in ihr Prinzessinnen-Schicksal, das weder Selbstbestimmung noch Auflehnung vorsieht, allein die jüngste ist neugierig auf ein anderes Leben, auf Sinn und Sinnlichkeit. Aber sie wird ebenso scheitern wie ihre Freundin, die die modernste Frauenfigur im weiblichen Keyserling-Universum voller hinreißender weiblicher Heldinnen ist. Und die Mutter wird sich enttäuscht in ihre Trägheit und Erwartungslosigkeit zurückziehen, nachdem der Mann, in dessen Gegenwart sie sich lebendig fühlt, sich mit einer 18-Jährigen verlobt.
Feuchtwanger: Seine "adelige Kunst" bewegt das Herz
In diesem – seinem letzten – Roman aus dem Jahr 1917 stellt dieser sensible und bilderreiche Autor, der Atmosphären und Stimmungen auf ganz besondere Weise beschreibt, einmal mehr den schönen Untergang ins Zentrum. Das 19.Jahrhundert geht seinem Ende entgegen. Das Gefühl von Wehmut und Vergeblichkeit bleibt:
"Wir können aus unserem Leben doch nicht das machen, was wir wollen, es tut immer, was es selbst will".
Am Ende seines klugen und kenntnisreichen Nachworts zitiert Jens Malte Fischer Lion Feuchtwanger, der 1915 zum 60. Geburtstag über Keyserlings Literatur schrieb, seine "adelige Kunst" bewege das Herz. Daran hat sich auch ein gutes Jahrhundert später nichts geändert.
Am Ende seines klugen und kenntnisreichen Nachworts zitiert Jens Malte Fischer Lion Feuchtwanger, der 1915 zum 60. Geburtstag über Keyserlings Literatur schrieb, seine "adelige Kunst" bewege das Herz. Daran hat sich auch ein gutes Jahrhundert später nichts geändert.