Edward Brooke-Hitching: „Der Atlas des Teufels“

Bilder vom Jenseits

06:08 Minuten
Cover des Buchs "Der Atlas des Teufels. Eine Erkundung des Himmels, der Hölle und des Jenseits" von Edward Brooke-Hitching.
© Knesebeck

Edward Brooke-Hitching

Übersetzt von Lutz-W. Wolff

Der Atlas des Teufels. Eine Erkundung des Himmels, der Hölle und des JenseitsKnesebeck, München 2022

256 Seiten

35,00 Euro

Von Eva Hepper |
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Himmel und Hölle, Engel und Dämonen, Strafe und Glückseligkeit: Vorstellungen vom Jenseits existieren seit jeher. Ein opulenter Bildband versammelt nun Karten, Gemälde und Geschichten aus allen Kulturen und Zeiten.
Die teuflischen Wesen sind kaum konturiert, doch das nimmt ihnen nichts von ihrem Schrecken. Zu erkennen sind sie zweifelsfrei an ihren huf- oder krallenartigen Füßen, vor allem jedoch an ihrem grausamen Tun: Mal kochen sie die Verdammten in einem Feuerkessel, mal lassen sie sie auf einer Säge reiten.
Immerhin winkt ein Hoffnungsschimmer. Eine Leiter führt aus der Tiefe in ein Zwischenreich und schließlich in engelumflogene Höhen. So ist der Betrachter dieses Freskos aus dem 12. Jahrhundert – beheimatet in der St. Peter und Paul-Kirche im englischen Chaldon – sofort im Bilde: Hier sind Himmel und Hölle zu sehen.

Gewaltig und farbenprächtig

Die gewaltige Darstellung, fünf Meter breit im Original, ist eine von über 250 Abbildungen, die Edward Brooke-Hitching für seinen „Atlas des Teufels“ ausgewählt hat. Der Engländer mit dem besonderen Faible für Kartografie hatte bereits mit Atlanten zur Seefahrt oder erfundenen Orten eindrucksvolle Bildbände vorgelegt. Für sein neuestes, nicht minder opulentes Werk durchstöberte er über zehn Jahre Museen, Bibliotheken, Privatsammlungen und Antiquariate
Tatsächlich ist der Titel seines neuen Werks leicht irreführend, geht es doch nicht nur um Darstellungen von Höllenwelten, sondern um das Jenseits generell. Gezeigt werden Karten, Gemälde und Zeichnungen aus verschiedenen Kulturen, Religionen und Zeiten; kapitelweise gegliedert in Unterwelten, Zwischenreiche und Himmelsgefilde.

Imaginierte Unterwelten, Zwischenreiche und Himmelsgefilde

So illustrieren Jahrtausende alte Papyri, wie sich die Ägypter das Totenreich und die Reise dorthin vorgestellt haben. Buddhistische Tangkas malen die Qualen gleich verschiedener Höllen aus. Der griechische Hades wird von Jan Brueghel dem Jüngeren in Szene gesetzt, August Rodin hat das Höllentor nach Dantes Inferno in Bronze gegossen, und der islamische Paradiesgarten oder das nordische Walhalla werden in farbenprächtigen Miniaturen abgebildet.
Es ist faszinierend, welche Vielfalt Brooke-Hitching zusammengetragen hat. Tatsächlich hat die Menschheit seit jeher Jenseitsorte imaginiert. Das wird hier nicht nur sichtbar, sondern auch eindrucksvoll beschrieben.

Höllenqualen sind universell

So erläutert der Autor, wie sich Vorstellungen über die Kulturen hinweg ähneln. Das Totengericht etwa mit dem Wiegen von Seelen oder Herzen der Verstorbenen kannten schon die Ägypter. Auch Höllenqualen oder paradiesische Zeichen sind universell: Kälte, Hitze, Dürre, Hunger, Folter oder eben Regenbögen, Lichterscheinungen und blühende Gärten. Sogar Lage und Größe des Jenseits wurden immer wieder untersucht. Hier fielen die Ergebnisse allerdings höchst unterschiedlich aus.
Wunderbarerweise findet Brooke-Hitching für die teils dramatische Ernsthaftigkeit, mit der Ängste und Hoffnungen über die Jahrhunderte hinweg bebildert wurden, genau den richtigen Ton. Fast launig flaniert er durch die diversen Unter- und Himmelswelten, fasziniert von dem überbordenden Vorstellungsreichtum, der bis ins Heute reicht.
Aktuell sind übrigens schwarze Löcher ein ganz heißer Tipp, wenn es um die Verortung der Hölle geht.
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