Christine Rice, Mezzosopran
Stuart Skelton, Tenor
BBC Symphony Orchestra
Leitung: Edward Gardner
Verklärte Nacht in London
Edward Gardner und das BBC Symphony Orchestra rufen die schwüle Spätromantik der vorletzten Jahrhundertwende in Erinnerung, u.a. mit der zweifachen Vertonung von Richard Dehmels Gedicht "Verklärte Nacht". Mit dabei Christine Rice und Stuart Skelton.
Es war eines der letzten Konzerte, das vor dem Shutdown in London stattgefunden hat: Dieser Abend des BBC Symphony Orchestra unter Leitung von Edward Gardner. Und ein wenig passte die fiebrig-erregte Stimmung der Musik aus dem Wien und Berlin nach 1900 zur Corona-Pandemie-Atmosphäre. Dem Vater der Psychoanalyse, Sigmund Freud und seiner Traumdeutung war dieser Abend indirekt gewidmet. Denn Offenbarung und Verklärung von Gefühlen und deren Verarbeitung in Schlafphasen standen im Mittelpunkt bei allen vier Werken des Abends.
Zwei bekannte Werke Arnold Schönbergs trafen auf das eines zu Unrecht vergessenen Komponisten, des Berlin-Brandenburgers Oskar Fried, und auf ein Stück, das man so nicht von jenem Komponisten erwartet hätte: Ferenc Lehár beherrschte auch das ernst-dramatische Fach, nicht nur die Disziplin Operette, in der er die unbestrittene Krone von der Strauss-Dynastie übernommen hatte.
Dehmels Wunderverse
Sowohl Arnold Schönberg als auch Oskar Fried haben das Gedicht "Verklärte Nacht" von Richard Dehmel in Töne gesetzt - doch ihre Herangehensweise könnte nicht anders sein: Schönberg interpretiert die Dichtung um Geständnis und Vergebung als ein süffiges spätromantische Streichergedicht ohne jedes Wort und ohne menschliche Stimmen. Oskar Fried dagegen setzt Dehmels Wunderverse fast eins-zu-eins um in eine opernhafte Szene für Mezzosopran und Tenor, in London gesungen von Christine Rice und Stuart Skelton.
Fieberhafter Operettenkönig
Zwischen Halluzinationen, Erinnerungen und qualvoller Gegenwart changiert das Gefühlsleben des namenlosen "Kadetten in Bett Nummer Acht" - der schwer verletzte Soldat (des ersten Weltkrieges) erlebt seine Kämpfe mit Märschen, seine Liebe mit Walzer und seine Kindheit mit seligem Wiegenlied noch einmal nach, um dann zu sterben. Er erliegt einem "Fieber" - so heißt das Gedicht von Erwin Weill, einem österreichischen Dichter, das Ferenc Lehár in eindrucksvoller Weise vertont hat. So hat man die Musik des Operettenkönigs wohl selten erlebt, so expressiv, existentiell und ganz ohne künstliches Pathos.
Brahms' 5. Sinfonie
Es könnte Johannes Brahms' fünfte Sinfonie sein, dieses orchestrierte Klavierquartett op. 25, das Arnold Schönberg 1937 verfasst hat. Seine Motivation beschrieb Schönberg ganz einfach: Er liebe dieses Stück von Brahms, kenne aber keine gute Aufführung davon, weil es ohnehin selten gespielt werde. Und wenn denn mal eine ganz anständige Aufführung geschehen sei, habe man nur das Klavier gehört, denn je besser ein Pianist spiele, desto weniger seien die Streicher zu hören in diesem Klavierquartett. Edward Gardner hat hart und erfolgreich mit dem BBC Symphony Orchestra daran gearbeitet, dass beide Komponisten erkennbar werden in dieser fünften Sinfonie, Brahms und Schönberg.
Barbican Hall, London
Aufzeichnung vom 13. März 2020
Aufzeichnung vom 13. März 2020
Arnold Schönberg
"Verklärte Nacht" op. 4 (Orchesterfassung)
"Verklärte Nacht" op. 4 (Orchesterfassung)
Oskar Fried
"Verklärte Nacht" für Mezzosopran, Tenor und Orchester op. 9
"Verklärte Nacht" für Mezzosopran, Tenor und Orchester op. 9
Franz Lehár
"Fieber", Tondichtung für Tenor und Orchester
"Fieber", Tondichtung für Tenor und Orchester
Johannes Brahms/Arnold Schönberg
Klavierquartett Nr. 1 g-Moll op. 25 (Orchesterfassung)
Klavierquartett Nr. 1 g-Moll op. 25 (Orchesterfassung)