Ein Aufklärer im besten Sinne
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Seit sechs Jahren lebt der Whistleblower Edward Snowden im russischen Exil. Seine Autobiografie "Permanent Record" erscheint nun in Deutschland. Stefan Koldehoff konnte exklusiv mit Snowden sprechen und hat das Buch gelesen.
Es war der ehemalige CIA-Mitarbeiter Edward Snowden, der vor mehr als sechs Jahren die NSA-Affäre auslöste. Damals brachte er geheime - hochsensible - Dokumente an die Öffentlichkeit. Diese Dokumente gaben Einblicke in das Ausmaß der weltweiten Überwachungspraktiken der US-Geheimdienste. Wegen eines US-Haftbefehls lebt Snowden seitdem im russischen Exil.
In dieser Woche erscheint seine Autobiografie "Permanent Record" in Deutschland. Der Journalist Stefan Koldehoff konnte ein langes Interview mit Snowden führen.
Langwieriger Anlauf für das Gespräch
Fast vier Jahre hätten die Vorbereitungen für das Gespräch gedauert, sagt Koldehoff. Snowden sage heute zu seiner öffentlichen Zurückhaltung, er habe nicht gewollt, dass er als Person - etwa wegen seines jungen Alters - diskreditiert werde. Sein Interesse sei vielmehr gewesen, dass sich die Leute sich mit seinen Thesen und Themen auseinandersetzen.
Man habe ursprünglich gehofft, für das Interview nach Russland reisen zu können, aber auch das wurde abgelehnt, so Koldehoff. Deswegen habe das Interview in einem abgeschotteten Video-Chatroom stattgefunden.
Snowden habe sich während des Gesprächs in seiner Moskauer Mietwohnung aufgehalten, in der er mit seiner Frau nach eigener Aussage ein relativ normales Leben führt.
Eine beeindruckende und glaubwürdige Persönlichkeit
Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter berichtete in dem Gespräch, er sei nicht mehr ganz so "super-vorsichtig wie 2013 als er in Russland strandete", habe aber offenbar noch immer Angst, entführt zu werden.
In seinem Buch "Permanent Record" erzähle Snowden nun aus eigener Perspektive, warum er an dem Aufbau des Überwachungssystems mitgearbeitet habe, das er dann später anprangerte, sagt Koldehoff.
"Er war zwar noch sehr jung, aber er hatte sehr, sehr große Kompetenzen, was die NSA, diesen Geheimdienst, und angeschlossene Firmen anging." Irgendwann habe Snowden dann gemerkt, dass es nicht um den Schutz der USA, sondern um Kontrolle der USA geht, - darum, so viele Daten wie möglich von so vielen Menschen wie möglich dauerhaft zu speichern. "Und das verstößt gegen die Verfassung."
Snowdens Buch sei hochinformativ, interessant und moralisch, aber nicht moralisch belehrend, sondern es zeige Moralität von der besten Seite, so Koldehoff.
Hoffnung auf Frankreich oder Deutschland
Für ihn sei Snowden nach wie vor eine sehr beindruckende und glaubwürdige Figur. "Dieser Mann hat wirklich alles riskiert, um Aufklärung im besten Sinne zu betreiben, - Menschen darüber zu informieren, was mit ihnen geschieht und welche Konsequenzen das hat."
Für Snowden selbst sei die Zukunft ungewiss. Der Whistleblower gehe davon aus, dass er weiter in Russland hängen bleibe, hoffe aber, dass Frankreich oder Deutschland ihm Asyl gewähren.
Eine Ausreise in die USA lehnt Snowden ab, denn er würde dort keinen fairen, rechtsstaatlichen Prozess bekommen. Er sei in den USA nach einem Spionagegesetz aus dem Jahr 1918 angeklagt. Es gebe keine Jury, kein öffentliches Verfahren, keine Medien, die darüber berichten dürften. Das einzige, das man ihm angeboten habe, sei, dass man ihn nicht foltern werde.
(rja/huc)